„Werft die vielen Juristen raus“

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Letzte Woche: Besuch einer Vorlesung zur Rechtstheorie. Da lernt eine juristisch Unverbildete wie ich so Einiges. Zum Beispiel, dass Rüthers, einer der führenden deutschen Rechtstheoretiker, „…die Akrobatik der juristischen Auslegungsstrategien in und nach Systemwechseln…“ beklagt. Damit verbunden die Krise des Vertrauens zu den und des Selbstvertrauens der Juristen.

Das Selbstvertrauen der Juristen kommentiere ich lieber nicht. Mein Vertrauen in den Berufsstand indes war nie besonders groß: wohl weil ich in Deutschland am kürzeren Hebel gesessen und ansonsten zu lange in Ländern gelebt habe, in denen der Begriff Rechtsstaat in der Regel nur in Sonntagsreden vorkommt und die Anwälte in den Korruptionsstatistiken weit oben rangieren. Den „Systemwechsel“ bezieht Rüthers auf politische Veränderungen wie ’45 oder ’89.

Doch derzeit befinden wir uns in einem etwas anders gearteten Systemwechsel: dem Wandel in der Dynamik von Produktion und Distribution; auf dem Weg von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Vor allem aus der Diskussion um das Patent- und Urheberrecht wissen wir, wie -flankiert von Heerschaaren von Juristen- die Instrumente des Schutzes privater Eigentums- und Verwertungsrechte aus der industriegesellschaftlichen Vergangenheit in die wissensgesellschaftliche Zukunft gerettet werden sollen. Damit diese juristische Einhegung der Wissensallmende gelingt, geschieht allerlei Positives für den Berufsstand und allerlei Ärgerliches für die Gesellschaft. Olga Drossou, Stefan Krempl und Andreas Poltermann meinen in ihrem Vorwort zu „Die wunderbare Wissensvermehrung: wie Open Innovation unsere Welt revolutioniert“ (Lesetip!): „Wenn Hollywood-Konzerne wie Disney mehr Juristen als Zeichner und Animationskünstler beschäftigen, ist offenbar etwas faul.“ So ist es.

Der Attac Basistext über Wissensallmende (Noch ein Lesetip!) bringt Beispiele für ganze Klagewellen, die mit der Ausweitung privater Eigentumsrechte auf Wissensgüter zu tun haben. Und den Titel des posts habe ich „stiebizt“ von Lawrence Lessig „Freie Kultur“ (Aller Guten Lesetips sind drei!). Lessig, Gründer der Creative Commons und selbst Jurist, bezichtigt viele seiner Kollegen der Rechtsbeugung. Er nimmt in seinem Buch die Rolle seines Berufsstandes ins Visier und belegt mit vielen Beispielen die juristisch gedeckte aber politisch fragwürdige Verhinderung des gerechten und breiten gesellschaftlichen Zu- und Umgangs mit Kunst, Kultur und Kreation . „…das Rechtssystem funktioniert nicht. Oder, genauer gesagt, es funktioniert für niemanden außer denen, die es sich leisten können. Das liegt nicht etwa daran, dass das System korrupt wäre – ich glaube nicht, dass unser Rechtssystem korrupt ist, jedenfalls nicht auf Bundesebene. Es liegt vielmehr daran, dass die mit dem Rechtssystem verbundenen Kosten so hoch sind, dass gerechte Lösungen fast nie gefunden weren können.“ … „Es geht nicht an, dass das Rechtssystem nur für das oberste eine Prozent der Mandanten funktioniert.“ … und weiter: „… Leider prüfen Juristen nur selten ihre Macht oder die von ihnen befürwortete Macht anhand der einfachen pragmatischen Frage: „Wird das gute Ergebnisse bringen?“

Nun, die Auswüchse des Patent- und die Ausweitungen des Urheberrechts bringen gute Ergebnisse. Zumindest auf den Konten zahlreicher Vertreter des inkriminierten Berufsstandes.

Deshalb gelangt Lessig – zumindest im hier diskutierten Bereich – zur zitierten Erkenntnis: „Werft die vielen Juristen raus.“

2 Gedanken zu „„Werft die vielen Juristen raus“

  1. Pingback: “Werft die vielen Juristen raus”

  2. Aufruf zur friedlichen Demonstration gegen Scheinurteile vor den Gerichten der Landeshauptstadt Kiel – Am 26.Mai 2010 – 9.00 – 13.00 Uhr – Bitte weiterleiten !

    Mehr im Blog der Ringvorsorge ….

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