(foto on Flickr by ferrando)
Von argentinischer Protestkultur kann man was lernen. Da sind zum Beispiel die cacerolazos, die Anfang des Jahrtausends auf dem Höhepunkt der katastrophalen Wirtschaftskrise berühmt wurden. Jüngst mobilisierte die argentinische Umweltbewegung zum wiederholten Male unter dem Stichwort „defensa de los bienes comunes“ (Verteidigung der Gemeinschaftsgüter).
Am 12. Dezember 2007 fand Buenos Aires ein Nationaler Protestmarsch unter diesem Motto statt. Die ca 300 Organisationen beklagen die Plünderung und Kontamination der natürlichen Ressourcen, oder Zitat: den „Raubbau an den Gemeinschaftsgütern mit Exponentialeffekt“ Mehr zu den unmittelbaren Reaktion gibt es hier,. Mehr zum Thema Bergbau (eines der Probleme mit dem höchsten Konfliktpotential in Lateinamerika) und zur Zerstückelung der Welt, erfährt wer weiterliest…
Dramatische Konsequenzen hat – fast auf dem ganzen lateinamerikanischen Kontinent – die Ausbeutung der Bodenschätze mit überkommenen Methoden (z.B. Zyanideinsatz) im Tagebau. Lateinamerika ist zum wichtigsten Ziel für Bergbau-Investitionen geworden. Die Regierung in El Salvador hat ca 50% des Territoriums in Norden des Landes konzessioniert (werde die Quelle nochmal suchen). In Peru hat sich seit 1992 die konzessionierte Fläche versechsfacht.
Man holt sich die commons unter der Erde und zerstört dabei die commons & comunidades über der Erde. Anders ausgedrückt: Mit dem Kupfer, Silber und Gold werden sauberes Wasser, Boden, subventionierte Energie (mithin die Staatsfinanzen) und intakte communities aus den Herkunftsländern exportiert. Dafür gibt es 1-3% „regalías“ (eine Art Bergbausteuer auf den Wert der geförderten Erze und Metalle). Lächerliche Summen im Vergleich zu den Gewinnspannen und zum hinterlassenen Schaden an den Öko- und Sozialstrukturen.
Es gibt in Argentinien wie anderswo ganze Gemeinden/Städte, die sich mit transnationalen Firmen angelegt haben. Esquel zum Beispiel im argentinischen Teil Patagoniens. Einwohner von Esquel haben sich organisiert und der us-amerikanischen Meridian Gold die Stirn geboten. Wie wichtig die Mine in Esquel dafür ist, dass Meridian Gold ein „gewinnstabiler nordamerikanischer Standardwert bleibt“, findet sich u.a. auf den sogenannten Goldseiten. Eine Anlagenberatungsseite für shareholder.
Dass die argentinische Umweltbewegung sich nun in ihrem Protestmarsch auf den Begriff der Gemeinschaftsgüter bezieht ist erfreulich, denn er verweist explizit darauf, dass an den Besitzverhältnissen etwas nicht stimmt. Im Falle der Bodenschätze ist es so:
In den meisten Ländern Lateinamerikas gilt gewissermaßen noch das „derecho real“ (Königsrecht). Wenn jemand Land besitzt und eine Mine darauf in Betrieb genommen werden soll, hat der Besitzer kaum eine Chance, sich dagegen zu wehren. Der Staat hat nämlich das Recht, die Ressourcen unter der Erde zu konzessionieren. Egal, wem die Oberfläche gehört. Diese zivilrechtlichen Regelungen stammen aus den (britischen und spanischen) Kolonialmonarchien und dem dort geltenden Recht. Was sich auf dem Boden befindet, gehört demjenigen „der als Erster da war“, was darunter ist, gehört der Krone. Heute haben die Regierungen die Krone ersetzt.
Eines der zentralen Probleme ist also, dass der Staat die nicht erneuerbaren Ressourcen als ihm gehörend betrachtet (die juristischen Konzepte sind: bienes de uso públicos / bienes fiscales). Während die betroffenen Gemeinden, oft Indigene, gar nicht verstehen, wie es eine Trennung zwischen dem Boden (der Oberfläche), der ihnen zusteht und dem Untergrund (subsuelo), der dem Staat gehört, überhaupt geben kann.
Am besten drückt das folgende Formulierung aus:
„Jede dieser drei Welten hat ihren Geist/hat einen Charakter, der die jeweilige Welt und ihre Funktion bestimmt. Und es gibt eine Verbindung zwischen diesen Welt. Das Problem, so sagen die Weisen und Wissenden der comunidades, besteht also darin, dass jemand aus dem westlichen Kulturkreis die Welt in drei Welten zerlegt (unter der Erde, auf der Erde, über der Erde; Anm.S.H), was das System an sich schon zerbricht. Eine praktische Konsequenz dessen ist die Schwierigkeit für indigene Völker, das staatliche Rechtssystem überhaupt zu verstehen, denn es basiert auf der Zerstückelung des Universums. Die Unterwelt wird vom Bergrecht und den Erdölförderbestimmungen bestimmt, die mittlere Schicht vom Agrarrecht/den Agrarreformen (also den Bestimmungen zum Landbesitz, dh. Besitz der Erdoberfläche), und von der Umweltgesetzgebung (z.B. Wassermanagement) und die Welt darüber wieder von anderen Normen. … Für die indígenas besteht das Territorium aber aus allen Elementen zusammen…“
(Zitiert nach: Valencia María del Pilar, “Pluralismo jurídico una premisa para los derechos intelectuales colectivos”, en Diversidad biológica y cultura. ILSA, Semillas, 1998)
Das scheint mir überhaupt eine beliebte Strategie: Man zerlegt die Commons in viele Einzelteile und eignet sich diese dann allmählich an. Bruchstück für Bruchstück. Der Blick (und die Argumentation) für kollektive Ansprüche auf die ursprünglichen Systeme geht so „effizienter“ den Bach runter.
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