Heute mal wieder ein längerer Text. Mit vielen offenen Fragen…
Neulich stellte mir jemand die Frage, ob man Commons nur angemessen schützen könne, wenn man Nutzungsgebühren für sie verlangt. Präziser: Soll man politisch die Forderung aufmachen, Nutzungsgebühren für Global Commons zu verlangen oder nicht, um deren nachhaltige Bewirtschaftung durchzusetzen (top down sozusagen, um das Schlimmste zu verhindern)?
Ich würde etwa Folgendes antworten:
Vitale Commons brauchen Regeln (und wenn es im Falle der knowledge commons die Regel des open access ist). Das gilt auch und insbesondere für Globale Gemeinschaftsgüter. Die große Frage ist: Welche?
Den Versuch, diese Frage zu beantworten, kann man überhaupt erst machen, nachdem ein paar Dinge geklärt sind….
1. Der Begriff Global Commons ist zu definieren. Commons sind kein Niemandsland. Sie stehen „ursprünglich“ den jeweiligen Bezugsgemeinschaften (bei Global Commons eben allen Menschen) zu. Und diese Gemeinschaften geben sich Zugangs-/Nutzungsregeln, damit sie selbst überleben und die Ressourcen auch. Bei natürlichen globalen Ressourcensystemen klappt das nicht. Es entsteht de facto eine Situation des open access für rivalisierende Güter, also Güter die wir nicht gleichzeitig alle nutzen können ohne negative Folgen für alle Nutzer. Im Ergebnis werden Global Commons dann tatsächlich behandelt wie Niemandsland. Ich habe das hier schon mehrfach gesagt, aber Wiederholung ist die Mutter der Weisheit: Nur für solche Situationen gilt die Hardin’sche „Tragik der Allmende“; nur für (rivalisierende) natürliche Ressourcen, an denen keine Eigentumsrechte -oder zumindest informellen Besitzrechte- vergeben wurden.
2. Ist zu sagen, für welches Global Commons diese Forderung nach Nutzungsgebühren aufgemacht werden soll. Für Algorithmen macht sie keinen Sinn. Die funktionieren ja in open access Situationen gut. Demokratischer. Für Ressourcensysteme, um deren Nutzung wir konkurrieren und die bei Übernutzung kippen, greift sie schon eher. Natürliche Ressourcen bedürfen geeigneter Mechanismen der Zugangs- und Nutzungsbeschränkung. Auch für local commons greifen die jeweiligen Gemeinschaften auf solche zurück, oft auch mit finanziellen Beiträgen gekoppelt. Freilich in der Regel in einem direkten kollektiven Aushandlungsprozess, der dazu beiträgt, dass das Einverständnis mit den Regeln von vorne herein relativ hoch ist. Und wo -im lokalen Kontext- subtile soziale und kulturelle Sanktionsmöglichkeiten unterstützend wirken. Aussichtsreiche Sanktionsmechanismen sind eine zentrale Erfolgsbedingung für erfolgreiches Commonsmanagement. Und die ist bei Global Commons nicht gegeben!
Das besondere Problem der Natural GLOBAL Commons ist nun, dass sich „die Menschheit“, dh. die Gesamtheit der Mitbesitzer nicht real administrativ drum kümmern kann. Und dies immer irgendeine Instanz (von oben?) tun muß. Angenommen, es gäbe diese Instanz, die im Interesse aller Anspruchsberechtigten an den Global Commons (und damit im Sinne des Erhalts derselben), diese Regelungsfunktion wahrnimmt, z.B. einen trust, dann stellt sich immernoch die Frage, ob das Mittel geeignet ist.
Nutzungsbeschränkungen für natürliche Ressourcen über Abgaben durchzusetzen, ist ein in der Marktwirtschaft üblicher Mechanismus, den man diskutieren kann. Das Problem ist ja oft, dass das Mittel für eine entsprechendes Ziel funktioniert und wenn das Ziel nicht stimmt (weil niemand Nutzungsbeschränkung als Ziel definiert hat, wennglich Nutzungsbeschränkung zum Erhalt der Ressource nötig ist, läuft jedes MIttel ins Leere.)
Ich habe nun erhebliche Zweifel, wenn die Idee der Nutzungsgebühren mit der Handelbarkeit von Nutzungsrechten verbunden wird, weil das das Missbrauchspotential enorm erhöht. Da wollen Leute dann schon Rechte handeln, die ihnen erst in 20 Jahren zustehen, weil sie z.B. heute Bäume pflanzen, die im Laufe von 20 Jahren CO2 binden werden. Ausserdem gibt es wenige Beispiele dafür, commons erfolgreich zu bepreisen ohne die gesellschaftliche, gerechte Verfügungsgewalt über sie einschneidend zu verändern.
3. Eine besondere Schwierigkeit besteht m.E. noch darin, dass global commons normalerweise mit local commons systematisch und untrennbar verbunden sind. Die Wasserquelle mit dem Fluß, der mit einem Seengebiet, dieses mit dem Wassereinzugsgebiet, das wiederum mit überregionalen Wasserkreisläufen, dies alles hängt mit dem Klima, der Biodiversität usw zusammen). Wie trennt man das? Auf welcher Ebene beginnt man mit der Bepreisung?
4. Ein Punkt ist für mich auch: rivalisierende natürliche Ressourcen (z.B. Flora und Fauna) sind oft untrennbar mit nicht rivalisierenden, unendlich reproduzierbaren Informationen (Wissenallmenden) verbunden. Der genetische code ist in die real existierenden Pflanzen eingeschrieben. Er kann losgelöst von der Pflanze überleben und reproduziert werden (… erodiert dabei dennoch, auch das Wissen um die Pflanzen verschwindet eine Weile nach den Pflanzen selbst). Aber zunächst mal kann man aus den Pflanzen die Information rausziehen, die man will. Sie gehen dadurch nicht kaputt. Auch hier wieder die Frage: Wer macht was mit welchem Recht, zu welchem Zweck und beschneidet wessen Nutzungsrechte an welcher Ressource? Die Regelungssysteme für materielle und immaterielle Güter bedürfen eines völlig unterschiedlichen Designs. Wie also damit umgehen, das beide miteinander verquickt sind?
Wer nutzt welche Ressource mit welchem Recht, und vor allem wofür und auf wessen Kosten? Das sind die zentralen Fragen. Und das sind politische Fragen, Machtfragen. Denen ist mit Marktmechanismen nicht beizukommen.
Ganz davon abgesehen, dass die bereits beschriebene Komplexität der Commons (der Verwobenheit von lokal-regional-global, von natürlichen, kulturellen und informationellen Ressourcen) darauf verweist, dass einige der Elemente solch komplex organisierter Ressourcensysteme zwangsweise aus der Abgabenidee rausfallen würden. Und die werden dann marginalisiert. (Sind ja nix „wert“) und sind dann irgendwann weg.
Es wäre also erst zu klären, welchen ökonomischen und gesellschaftlichen Charakter in welchem räumlichen Kontext das Global Common genau hat. Dann kann man sehen, wie man das regelt. Pauschalvorschläge für den Umgang mit DEN COMMONS oder mit GLOBAL COMMONS sind eigentlich immer ein Problem. Wahrscheinlich kann man auf dieser Ebene nur Grundsätze des Commonsmanagements formulieren.
Aber; gehen wir trotzdem mal davon aus, dass die Weltgemeinschaft sich einig ist, die Menschen die Abgabenidee unterstützen und Machtfragen adäquat adressiert werden können (hoch lebe Utopia): Dann könnten wir die Frage noch weiter präzisieren:
Wer soll dann für welche Nutzung zu welchem Zweck an wen zahlen? Wem stehen also die Ressourcen zu? Wer ist der legitime Eigentümer?
Meiner Ansicht nach müßten ALLE MITBESITZER (also alle BürgerInnen und Bürger der jeweiligen Gemeinschaft) diese Ressourcen zum Leben und reproduzieren kostenfrei nutzen dürfen. Aber nur bis zur Kapazitätsgrenze, die für jedes Ressourcensystem individuell zu berechnen ist. Das schließt natürlich kein Recht auf Mißbrauch und Zerstörung und ebenso wenig ein Veräußerungsrecht ein. Wir reden von Kollektivvermögen und niemand darf einfach das, was auch den anderen gehört, verscherbeln. Deshalb ist es zentral, etwas überhaupt erstmal als common zu identifizieren!. Auf einer Tagung neulich bracht das ein Ökonom auf die kurze Formel: usus und usus fructus – JA. Abusus – NEIN!
EIN Regelungsmechanismus allein wird nicht reichen. Es sind auch Verbote nötig. Eigentlich bedarf es immer einer -kulturell und sozial austarierten- Kombination von Regeln. Abhängig vom Nutzungsinteresse kann der Staat oder die Staatengemeinschaft oder ein commonstrust der Bürger auch mal sagen: NEIN, geht nicht! Niemand darf einen Berg versetzen und die ganze Landschaft zerstören und mit Zyanid Edelmetalle vom Fels trennen, nur um Gold zu fördern. Niemand darf Gletscher „versetzen“ (wie jetzt in Pascua Lama – Chile) um an Gold zu gelangen.
Dieser Gedanke, die Regelungsmechanismen nach der konkreten Nutzung zu differenzieren, ist auch bei der Forderung nach dem Menschenrecht auf Wasser präsent: NUR Wasser zum Leben in hinreichender Qualität und Quantität soll als Menschenrecht etabliert werden, darüber hinaus hat keiner was gegen eine Bepreisung. Auch die Verbraucher in der Regel nicht, jeder versteht, dass Trinkwasserbereitstellung mit Kosten verbunden ist. Diese wäre nutzungsbedingt gerecht (hier muß man sich bei den Gerechtigkeitstheoretikern bedienen) und transparent zu gestalten. Aber vor allem so, dass die lebensspendende Funktion der commons allen erhalten bleibt.
Wer zahlt? Ab dem Anteil der allen an den Global Commons bis zur Belastungsgrenze zusteht, alle. Eben abhängig von der Nutzung, die von der jeweiligen Ressource gemacht wird. Beim Skytrust setzt der Mechanismus bei den großen Emittenten an (die die Emissionsrechte ersteigern müssen). Aber über den Aufpreis auf energieintensive Produkte zahlen am Ende alle. Nur die die Energiesparen, kriegen noch was raus, eben weil sie nur für das NOTWENDIGE nutzen. Dh. auch die BürgerInnen zahlen tatsächlich nur bei individueller Übernutzung drauf.
An wen und wofür? Für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, für die Erweiterung und Vielfalt der Wissensallmende (die auch eine „hardware“, die Institutionen und Bibliotheken oder die Infrastruktur des Internets brauchen). Für Commonsschutz und community building und für Nord-Süd-Gerechtigkeit.
Aber es bleibt ein Problem, nur auf Lenkungswirkung durch ökonomische Lasten zu setzen. Die Commonsforschung zeigt, dass der Mensch nicht nur ein individueller Nutzenmaximierer ist, sondern durchaus zu kooperativem Handeln bereit; dazu gehört aber auch, dass ihm ein Regelsystem nicht aufoktroyiert wird.
Andererseits gibt es Gemeinsinnforscher, die sagen: Wenn – wie gerade bei globalen Ressourcensystemen, die Leute nicht durch die konkrete (kollektive Krisen-) Erfahrungen durchgegangen sind, also keine lebensbiographischen Bezüge haben, läßt sich Handeln im kollektiven Interesse kaum aktivieren. Also doch Zwang, ökonomische Anreize von „oben“? V.a. da, wo die Systeme zu kippen drohen? Aber dann wenigstens ausgehend von den Nutzungsberechtigungen der BürgerInnen und differenziert nach der konkreten Nutzung?
Sehr progressiv ist das Ganze nicht, eher eine Notbremse, für das Klimaproblem, wenngleich durchaus berechtigt.
Vielleicht lässt sich das Ganze so zusammen fassen: Ich glaube nicht, dass Marktmechanismen allein den Erhalt der globalen natürlichen Ressourcen garantieren. So wie die Institutionen der Marktwirtschaft (Verträge und Eigentum) auch nicht vor sozialem Zerfall schützen. Aber sie können bei globalen, natürlichen Ressourcensysteme ein Instrument sein, dass -gekoppelt an andere- diskutierenswert ist.
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