„It’s not so much Paradise lost, as Paradise sold.“, schreibt eine neuseeländische Zeitung über den viel beachteten Dokfilm „The last resort“ des neuseeländischen Produzententeam Errol Wright & Abi King-Jones. Beide fassen 2004 den Plan, ihren Landsleuten „zu erzählen, was mit unserem Land passiert.“
Wright und Jones lernen auf ihrer Reise durch Neuseeland allerorten dokumentierenswerte Landkonflikte kennen. Ihren Aufhänger finden sie schließlich in einer paradigmatischen story:
An einem Ort, der ‚Sleepy Hollow‘ (schläfrige Höhle) genannt wird, in der Nähe auf Mahia-Halbinsel an der Ostküste der Nordinsel von Aotearoa (wie die Maoris Neuseeland bezeichnen) gab es mehr als ein halbes Jahrhundert lang nichts als einen Campingplatz.
Der Grund, auf dem Camper ihre Zelte aufschlugen, ist Teil des Landes, welches die lokalen iwis (die größte soziale Einheit der Maoris) im Rahmen des Waitangi Vertrages vor knapp 170 Jahren der britischen Krone zur Verwaltung für die Öffentlichkeit übereigneten. Heute hat die neuseeländische Regierung über die Nutzung dieses Landes zu entscheiden. Sie hat es verkauft. Der bisherige Besitzer und Betreiber des Campingplatzes hatte allerdings eine Form gefunden, das Land der Öffentlichkeit zugänglich zu halten. So weit so friedlich.
Doch eines Sommers wurde der Platz geschlossen. In der Gegend boomt die Immobilienbranche. Der Besitzer entschließt sich zum Verkauf. Zu verlockend war das Angebot. Eine millionenschwere Investition in 44 schicke Strand-Wohnhäuser war geplant. Aus für alle zugänglichem Land sollte eine Art „gated prestige community“ für Wenige werden. Im Namen der „Entwicklung“. Camper gehörten da nicht hin. Doch diese (v.a europäischer Abstammung) besetzten 7 Wochen lang gemeinsam mit Anwohnern und Vertretern besagten iwis (d.h. Maoris), „ihr Land“ – und mithin gute Sendeplätze in den nationalen Medien.
Natürlich war es nicht formaljuristisch „ihr“ Land, aber sie betrachteten es als das Ihrige. Es war Land, welches die Maori der Regierung zur Nutzung für die Gemeinschaft/die Öffentlichkeit überlassen hatte. In Treuhänderschaft sozusagen. Doch an die Idee der treuhänderischen Verwaltung glauben längt nicht alle – vor allem nicht, wenn sie Maori sind. Obwohl „trusts“ (auch Maori trusts) auf Aotearoa Hochkonjunktur zu haben scheinen. Gerichtsverfahrengeplagte Maori, denen ich begegnet bin, sagen „das sei nur eine andere Form des „Landraubs“.
Tatsächlich fährt die Regierung seit Jahren eine rigorose Politik der Privatisierung nahezu aller Ressourcen des Landes. Sind ausländische Interessen im Spiel, tritt die so genannte Overseas Investment Commission (OIC) auf den Plan. Sie setzt eine der liberalsten Gesetzgebungen für ausländische Direktinvestitionen weltweit durch. Bürokratische Hürden für „Entwickler“ und „Investoren“ vermag sie in Windeseile aus dem Weg zu räumen.
Und es gibt viele ausländische Investoren, die vom Paradies ein Stück abhaben wollen. Die „Blaue Bucht“ -so der Name des Campingplatzes- liegt in diesem Paradies. Abertausende „kiwis“ (wie sich die Neuseeländer recht uneitel nennen) haben dort ihre Weihnachts-, dh. Sommerferien verbracht haben. Damit -so dokumentiert der Film- ist es nun vorbei.
Die Zeitungen schreiben über diese Kiwi-Version von The Corporation:
„If you live in New Zealand… you owe it to yourself to see this film at least once.“…
denn, so bringt ein Journalist das Ganze auf den Punkt:
„This is more complicated than simply a question of taste; the very tenets of Kiwi identity are on trial here.“
Die Beziehung der Menschen zu ihren gemeinverfügbaren Ressourcen rührt in der Tat an Fragen der Identität. Die Protestbewegung gegen den Verkauf des „last resort“, gegen die sukzessive Beschneidung des öffentlichen Zugangs zum Strand und für die gemeinsame Nutzung des Landes (Maori und Nicht-Maori) birgt somit auch die Idee, diese Identität zu verteidigen.