Beitragen statt Tauschen

(vía: Artikelserie auf dem keimform Gemeinschaftsblog und Interview von St. Meretz mit Ch. Siefkes im Freien Radio Antenne Tux 128 KBit/s im OGG-Format)

Christian Siefkes‘ Buch zur Peer Economy liegt nun in deutscher Übersetzung vor. Da kann man auch nachschauen, wie ein Buch komplett – mit Quellcode – im Netz veröffentlicht wird. (Werde den Autor bei Gelegenheit fragen, wie sich das auf die Verkaufszahlen ausgewirkt hat.)

Beitragen statt Tauschen: Worum geht’s?

Am Beispiel der Freien Software (z.B. GNU/ Linux) wird deutlich, dass neue Prinzipien die Produktion von und den Umgang mit bestimmten Güter prägen. Für Freie Software Programme z.B. gilt: kein Tausch sondern nehmen was gefällt. Ähnlich verhält es sich mit der freien Enzyklopädie Wikipedia. Tausende tragen Artikel schreibend bei. Alle können alles frei benutzen.

Diese Produktion geschieht in so genannten Peer Netzwerken, wo man gemeinsam etwas tut (z.B. Dateien verwaltet) oder herstellt. Die Frage ist nun, ob diese so genannte commons based peer production (Yochai Benkler) nur im Umgang mit immateriellen -nicht stofflichen- Gütern (Ideen, Wissen, Kultur) möglich ist, denn die sind problemlos kopierbar.

Stoffliche Güter sind das nicht. Um sie zu produzieren, kann man nicht einfach auf Vorhandenes aufbauen (mit Ausnahme von Konzept und Design), sondern muss immer wieder von vorn beginnen. Jeder Stuhl, jedes Fahrrad bedeutet neue, ähnliche Anstrengungen, der Verbrauch von neuem Material usw.
Fazit – Software und Kulturgüter können „frei“ sein, stoffliche Güter aber nicht. Anders ausgedrückt: „Nicht-stoffliche Güter brauchen keinen Kapitalismus. Stoffliche Güter aber schon.“ (St. Meretz)

Das sei ein Fehlschluß, meint der Autor. Siefkes versucht stattdessen darzulegen, warum freie Produktion (Beitrag + Nutzung statt Tausch) auch für Stühle und Fahrräder gelten kann.

Klingt spannend? Ist es auch!

Die Grundprinzipien dieser Produktionsform sind nach Siefkes:

  • Aufwandsteilung (in der materiellen Welt nach strengeren Regeln verlaufend als in der immateriellen)
  • Freie (Entscheidung zur) Kooperation; so dass auch die an ein Fahrrad kommen, die nicht direkt am Aufwand, ein Fahrrad zu produzieren, beteiligt sind. Es muss also Tausch zwischen den verschiedenen materielle Güter produzierenden Projekten geben. Je mehr Güter jemand nutzen möchte, umso mehr Aufwand muss er betreiben. Umso mehr muss er beitragen. Aber wo wer was beiträgt, das entscheidet jede/r selbst. Das ist das Prinzip der Freiwilligkeit bzw. des hohen Maßes an Regelakzeptanz, welches sich in der Tat in allen erfolgreichen Ressourcenmanagementsystemen findet. Egal ob materieller oder immaterieller Natur. Außerdem: kein Zwang und keine hierarchische Befehlsstruktur sondern Konsens, Mitbestimmung und als Konfliktlösung die opt-out oder Abspaltungs (fork) Variante.
  • Freie Produktion basiert auf Gemeingütern (commons) also auf Nutzung und Besitz und nicht auf Tauschwert und Eigentum (im Sinne der totalen Verfügungsgewalt über Sachen, inklusive des Veräußerungsrechts)

In den Deklination des Commonsbegriffs, in seinem Bezug auf Eigentumsverhältnisse und die Relevanz der commons für den Produktionsprozess liegt Christian Siefkes m.E. richtig.

  • Es geht um Nutzungsrechte statt absolute Verfügungsgewalt.
  • Um Besitz, statt Eigentum (Besitzrechte schließen das Veräußerungsrecht aus, während eben dies ein zentrales Merkmal des Privateigentums ist)
  • Um die (Aufrechterhaltung der) Verfügbarkeit der Dinge für alle durch alle, die etwas beitragen können.

Dennoch hat der Autor einen etwas schlagseitigen (wissensallmendegeprägten) Commonsbegriff.

Zitat:

„Commons sind Dinge, die jedem zur Verfügung stehen, der sie haben will. Es gibt keinen Eigentümer, der Dich ausschließen kann.“ (aus dem verlinkten Radiointerview),

Diese Commonsdefinition führt schnurstracks in die Hardinsche Verwirrung. Commons sind kein für jeden beliebig betretbares Niemandsland. Sie sind vielmehr etwas, das wir alle unter bestimmten Bedingungen beanspruchen ein Recht haben, zu dem wir alle eine Beziehung entwickeln (müssen), das wir alle mit-besitzen!. Sie gehören nicht niemandem sondern allen bzw. allen, die sich um diese Commons kümmern und dafür sorgen, dass sie erhalten bleiben.
Ganz davon abgesehen, dass Commons kein „Ding“ sind, sondern sie existieren nur durch und in der Beziehung zu den Gemeinschaften, die sie nutzen, produzieren und (nutzend) reproduzieren.

Die besonderen Eigenschaften der Commons, die Christian treffend beschreibt, sind nämlich nicht den Dingen inhärent. Sie sind soziale Konvention. Commons werden oder bleiben commons, weil wir das so entschieden haben.

Es gibt in Siefkes‘ Buch noch viele interessante Ideen, insbesondere zur Wertermittlung und zum Prozess der Wichtung der Beiträge, die Einzelne in der Produktion materieller Güter leisten (Stichworte: Zeit + Beliebtheitsgrad – computergestützt ermittelt).

Am besten Sie lesen selbst.

5 Gedanken zu „Beitragen statt Tauschen

  1. Danke für die Besprechung! Ich glaube nicht, dass wir einen wirklichen Dissens haben, was den Commonsbegriff gibt – wieso du von „Es gibt keinen Eigentümer, der Dich ausschließen kann“ auf „Niemandsland“ schließt, ist mir unklar. Aus dem Buch sollte doch klar werden, dass es auch für die Verwendung von Commons Spielregeln gibt (wie ja auch bei Freier Software – Stichwort Lizenzen) und dass von „Tragedy of the Commons“ gar keine Rede sein kann.

    Freie (Entscheidung zur) Kooperation; so dass auch die an ein Fahrrad kommen, die nicht direkt am Aufwand, ein Fahrrad zu produzieren, beteiligt sind. Es muss also Tausch zwischen den verschiedenen materielle Güter produzierenden Projekten geben.

    Also „Tausch“ gibt es in meinem Modell eigentlich gerade nicht, wie ja schon der Titel andeutet. Es handelt sich vielmehr um gemeinschaftliche, arbeitsteilige Produktion, die gewisse Spielregeln folgt. Dazu ein auf Benkler zurückgehendes Beispiel: wenn sich eine Gruppe von Freunden ein Essen zubereitet und es anschließend gemeinsam verzehrt, dann arbeiten sie zusammen, ohne aber zu tauschen – selbst dann nicht, wenn diejenigen, die mehr essen wollen, auch mehr beitragen sollen. Ebenso wenig tauschen sie, wenn sie gemeinsam ein Büfett zubereiten, wobei je eine Person oder Gruppe Speise A, B oder C vorbereitet und sie sich dann anschließend bei den von anderen zubereiteten Speisen bedienen. Nichts anderes passiert in meinem Modell.

    Und eine letzte Anmerkung: der Keimform-Tag „peer-economy“ liefert mehr Ergebnisse als die von dir verlinkte Suche (nämlich auch Artikel, wo z.B. von Peer-Ökonomie oder Peerconomy die Rede ist).

  2. Hallo Christian:
    richtiger Dissenz: nein, das glaub ich auch nicht, Im Gegenteil: ich schrieb ja, dass Deine Deklination des Begriffs immer sehr klar ist. Und mit der bin ich auch absolut einverstanden. Nur mit diesem einen Interviewzitat – das ja eine Definition sein soll- bin ich nicht einverstanden. Solche Sätze werden gern zum Zitieren benutzt. Und so nackt wie er da steht, ist er erklärungsbedürftig.
    Mein Problem ist nicht der zweite, sondern der erste Teil des Satzes : „Commons sind Dinge, die jedem zur Verfügung stehen, der sie haben will.“ So ist das nicht. In der (tragischen) Rezeptionsgeschichte der sog. tragedy of the commons impliziert das „jedem zur Verfügung stehen“ Zugangsfreiheit. Gelesen wird das so: Was jedem zur Verfügung steht gehört allen. Was allen gehört (bei nat. Ressourcen) wird übernutzt. (Da wird freilich der wichtige Unterschied zwischen Besitz und Eigentum sowieso übersehen)
    Diese Rezeptionsgeschichte müssen wir immer mitdenken, um Verwirrung aufzulösen. Es gibt ja keine prinzipielle Zugangsfreiheit zu Gemeinressourcen, und das muss sich in einer Definition unmissverständlich ausdrücken.

    Meine Verwendung des Begriffs „Tausch“ in der Besprechung ist falsch; danke, wird korrigiert.
    Das mit dem link hab ich bemerkt, ich fand aber die anderen Artikel auch interessant. Geht vielleicht den Lesern genauso 🙂

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