Kreativitätspiraterie: Mc Kinseys „Open Innovation“

In ihrem Quarterly empfiehlt die Beratungsfirma Mc Kinsey, „von den communities“ zu lernen. Sicher keine Stimme, die in der Geschäftswelt überhört wird.

Mc Kinsey will demnächst für seine Kundschaft „useful frameworks for success with cocreation“, entwickeln. Zwar sind sich die Topberater noch nicht ganz sicher, ob die Zusammenarbeit Vieler in der Produktion tatsächlich bessere Ergebnisse bringt, aber sie kommen an einigen Entwicklungen auch nicht vorbei. So bezieht sich der Report u.a. auf Eric S. Raymond: „Given enough eyeballs, all bugs are shallow.“ Und darauf, dass die Wikipedia’s erwiesenermaßen der Encyclopædia Britannica Konkurrenz macht. Ergo:

A number of cocreated products have crossed a quality threshold to become widely adopted. … companies are increasingly willing to rely on them for mission-critical business processes.

Man brauche also, folgern die Strategen messerscharf, „eine kritische Masse effizient arbeitender co-creators“. Aber wie und woher sind die zu kriegen?Die Kunden von Mc Kinsey benötigen eigentlich nicht viel; nur die Ideen dieser co-creators, und damit deren schöpferische Zeit. Möglichst viel von beidem und möglichst freiwillig.

Mc Kinsey hat ein paar Daten erhoben. Der Nebel um die potentielle Opfer-, pardon Kokreationsbereitschaft potentieller co-creators ist zwar dick, aber das Potential wird doch deutlich sichtbar. Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit dem, was man aus der Open Innovation Debatte kennt.

„Our research suggests that 25 percent of Western Europe’s Internet users now post comments and reviews about consumer products of all kinds …These numbers suggest that people are more and more willing to participate with
companies online and that companies can tap into that willingness today
.“

Als Beispiel dient Second Life, die Plattform des virtuellen Lebens.

„where … approximately one participant in ten is cocreating with companies-for example, testing prototypes or helping to design new products and services. We expect that percentage to rise. At present, Second Life has few brands (virtual destinations, within the site, created by companies well known in the offline world), and participants generally don’t know how to interact with them only four . …in ten members know about the possibility of cocreating with their favorite brands. When they do become aware of this, 60 percent of them say they would be willing to experiment with cocreation.“

Noch ist ein Großteil der Wirtschaft geprägt von Outsourcing, Hierarchie und Konkurrenz. Doch in dem Maße wie sich Hierarchien verflachen und Konkurrenzen als kontraproduktiv (z.B. für die Produktqualität) herausstellen, hat auch Outsourcing ausgedient, bzw. wird als Konzept einen gewaltigen Bedeutungswandel erleben.

Outsourcing heißt Fremdvergabe von Leistungen, die ursprünglich unternehmensintern erbracht wurden, an Geschäftspartner/ Drittunternehmen. Ausgelagert hat man allerdings nicht nur Aufträge, Kosten und Arbeitsplätze, sondern zugleich soziale Sicherheit, Verantwortung und Motivation. Das wird offenbar allmählich als Holzweg erkannt. Noch befindet sich die neue Dimension des Outsourcing der Innovation klassisch gestrickter Unternehmen im experimentellen Stadium. Aber wohl nicht mehr lange.

„Even the most advanced businesses are just taking the first few steps on a long path toward distributed cocreation. Companies should experiment with this new approach to learn both how to use it successfully and more about its long-term significance. Pioneers may have ideas about opportunities to capture value from distributed cocreation, but fresh ones will appear.“

LEGO, so der Bericht, geht „mit gutem Beispiel voran“. Das war uns auch schon aufgefallen.

At LEGO,… the executive team recognized the possibilities in part because of the success of a product launched in 1998: …. A remarkable community of Mindstorms enthusiasts-adults as well as children-embraced the product and began to share designs online. This success prompted LEGO’s executives to consider how the company could use its online LEGO Gallery to harness the creative efforts of customers to develop ideas or products in its main toy-brick business.

To harness: Das heißt „nutzbar machen“, oder auch „vorspannen“. „Vor den Karren spannen“, scheint mir treffender, denn, und das ist der springende Punkt: (O-Ton Mc Kinsey):

Research …demonstrates that most cocreators recognize that the brand -not they- will own the resulting intellectual property. … An important factor we’ve found in our Second Life study is the extent to which participants are willing to trust brands.

Da wird also Zeit entführt, Kreativität geentert und am Ende gesagt: „Alles meins!“. Das ist der zentrale Unterschied zur wirklich offenen Innovationsprozessen wie denen der Freien Software.

Das ist Kreativitätspiraterie! Ideenklau, eben der, den die Industrie angeblich bekämpft.

Selbst Schuld!… könnte man sagen. Die „community“ muss sich eben überlegen, was sie wem, warum gibt. Ausnutzen von Gutmütigkeit ist höchstens ein moralisches aber kein strafrechtliches Problem. Und wer freiwillig gibt, der wird nicht bestohlen…

Immerhin, empfehlen die Wirtschaftsberater, müsse man Anreize setzten, um Freiwilligkeit und Vertrauen zu erhalten. Da cocreators „for nonfinancial motives, such as fame, fun, and altruism“ arbeiten und auch zitierte Second Life Studie belege, dass nur etwa ein Drittel der für die Marken aktiven Kundschaft dies aus finanziellem Interesse tue, geht sowas mit Anerkennungen im digitalen Raum, besonderen Boni, Werbegeschenken und so weiter.

Die Idee ist hier also mitnichten, Kooperation auf transparente Weise zu fördern, wie der „Open Innovation“ Begriff suggeriert. Die Idee ist, sich das Talent und die Fähigkeiten von Leuten, die nicht nur außerhalb des Unternehmens, sondern auch außerhalb der Unternehmenspartnerschaften, Zulieferer und Dienstleister stehen, zu Nutze machen. Die Entgrenzung des Outsourcing.

Hier ist nicht die Rede von Geschäftspartnern, sondern von KundInnen! Die sollen arbeiten, denken und Ideen liefern, um die Produkte ihrer Lieblingsmarken -oder von sonstwem- zu verbessern. So können Unternehmen „ihre Kosten reduzieren und neue Produkte schneller auf den Markt bringen,“ (COGNOS) Die Strategie ist also ganz einfach: Zeit, Kreativität und Ideen aus dieser Netzwerkwelt -von KundInnen, Freaks, TüftlerInnen u.a.- absammeln und privatisieren.


Laut McKinsey könnten ca. 12 Prozent der gesamten in den USA geleisteten Arbeit „durch dezentralere und vernetztere Innovationsformen verwandelt“ werden.

Mit der Idee von „Offenheit“ und Kooperation im Kontext commonsgerechten Wirtschaftens hat das alles wenig zu tun.

Denn diese beruht unter anderem auf Prinzipien von

  • Regeltransparenz und -akzeptanz (nicht Geschäftsstrategien, von denen die kreativen Kunden im Grunde nichts wissen)
  • Gleichberechtigung (als peer oder Partner, nicht als Kunde oder Geschäftspartner in hierarchischen Strukturen)
  • Freiwilligkeit, die auf einem hohen Maß an verfügbarer Information beruht (und nicht geködert ist)
  • Reziprozität (was geben die Firmen, die Kreativität „abschöpfen“, den Kreativen zurück?)

vor allem aber: auf dem Prinzip der Gerechten Verteilung des gemeinsam erzeugten Reichtums/Produkts.

Foto: on flickr by cayusa

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