Wunderbar! Jena hat eine Commonswerkstatt. Genauer gesagt: Eine Commonsdenkwerkstatt mit starkem Bezug zur Praxis Jenaer Initiativen. Ersonnen wurde sie in der Jenaer Zukunftswerkstatt und wohl auch im Philosophenstübchen von Annette Schlemm. Jena ist doch besser als Berlin.
Den Aufschlag macht die kleine, aber gut vernetzte Gruppe mit einem gut lesbaren Dokument zu Commons und Peer-Ökonomie. Eine Art Commonscrashkurs für eilige Leser.
Interessant fand ich z.B. folgende Formulierungen:
„Commons-Projekte sind Planungsprojekte – aber die Planung erfolgt auf pluralistische und nicht auf zentralistische Weise.“
Das unterscheidet Commonism vom real existierenden Sozialismus. Erheblich.
„Die … Commons sind natürliche Ressourcen, öffentliche Infrastruktur, digitale Güter und ähnliches. Von Nick-Dyer-Witherford wird aber auch der erzeugte Reichtum der Gesellschaft genannt. Es ist daher notwendig, die Problemstellung auf die Art und Weise der Erzeugung des Reichtums auszuweiten.“
Genau! Deswegen werden wir in Zukunft intensivere Debatte darüber haben, was commonsbasiertes Wirtschaften -egal ob im Umgang mit materiellen oder immateriallen Dingen- von der Marktwirtschaft (auch von der fiktiven Ökosozialen Marktwirtschaft) unterscheidet. Und darüber, wie Prinzipien Commonsgerechten Wirtschaftens in konkrete Produktionsprozesse zu übersetzen sind.
Dazu passt, dass immer mehr Deutsche ihren Glauben an die soziale Marktwirtschaft verlieren. Zeit für was Neues!
Anlass für kritische-nachdenkende Bemerkungen gibt der Text auch:
Ich hatte schon oft den Eindruck, dass für die Commonsdebatte die Einteilung der Güter nach den Kriterien liberaler Wirtschaftstheorie (Ausschließbarkeit und Rivalität) vor allem zu langen und verwirrenden Diskussionen führt, die Zeit für den Kern der Commonsdebatte nehmen, nämlich Commons als soziale Beziehung zu definieren. Nicht als ökonomisches Gut mit bestimmten Eigenschaften. Commons sind keine Objekte, die einer spezifischen Rechtsform unterliegen. Sie sind nicht einfach „Dinge in Gemeineigentum“. Wenn wir mehr Dinge in Gemeineigentum überführen, haben wir das Problem noch nicht gelöst, denn, so zitiert der Text treffend den Stand der Commonsforschung:
„Gründliche Untersuchungen (z.B. Feeny u.a.) weisen jedoch darauf hin, dass keine der möglichen Rechtsformen allein eine im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit erfolgreiche Ressourcenbewirtschaftung absichert, sondern dass jede Form dafür geeignet sein kann, es aber auch mit jeder Form misslingen kann.“
Es ist also klar, dass der Kampf um die Commons nicht auf die Eigentumsfrage reduziert werden kann. Es ist aber auch klar, dass eine vitale Beziehung, eine Kümmer- statt Kummerbeziehung, zwischen den BürgerInnen und den Ressourcen dann größere Chancen auf Entfaltung hat, wenn sich diese Ressourcen nicht in Privateigentum befinden.
Dennoch, jedes Common kann prinzipiell in jede Eigentumskategorie fallen. Aber auch wieder zurück. Darum drehen sich viele Konflikte der Gegenwart.
In diesem Kontext ist interessant, wie in dem Dokument der Jenaer Zukunftswerktstatt die zentrale Idee der Universalgüterdebatte (Lohoff/Meretz u.a.) zusammengefasst wird, und zwar in dem bemerkenswerten Satz:
„Das besondere der Universalgüter gegenüber den Allgemeingütern besteht …darin, dass ihre Universalität nicht durch eine gesellschaftliche, rechtliche oder technische Form aufhebbar ist, nur der Zugang kann eingeschränkt werden (oft wird das auch künstliche Verknappung genannt.)“
Ich meine verstanden zu haben, dass Allgemeingüter hier die Gemeinschaftsgüter/Commons sind (genannte Beispiele: Wasser/ Deiche – das sind eindeutig commons). Die Universalgüter sind sozusagen eine besondere Kategorie derselben.
Allgemeingüter seien, nach dieser Universalgüterdiskussion, „stets nicht exklusiv in der Nutzung“. Das scheint mir nicht korrekt. Zumindest ist es nur ein normativer Anspruch!
Universalgüter hingegen seien „nicht exklusiv, der Zugriff kann aber eingschränkt werden.“ Der Unterschied bestünde nun darin, dass Allgemeingüter nicht Waren sein können. Wenn ihr Gebrauch exklusiviert wird, werden daraus Privatgüter, also Waren und das Allgemeingut ist weg. Während Universalgüter (z.B. Information) zum „Bezahlgut“ werden können, wenn der Zugriff eingeschränkt oder verhindert wird. Es sind noch Universalgüter aber privatisierte Universalgüter.
Diesen Unterschied kann ich so nicht nachvollziehen.
Wie gesagt, der Rückgriff auf Ausschließbarkeit und Rivalität führt immer zu Verwirrung. Zunächst einmal gibt es diese Pole ausschließbar vs nicht ausschließbar in Reinform eher selten. Die Ausschließbarkeit von Personen im Zugang zu Gütern ist vielmer schwer oder leicht, die Kosten dafür hoch oder niedrig. Aber grundsätzlich ist der Zugang zu fast jedem Allgemeingut ausschließbar. Und sei es durch Gewaltanwendung. Darin besteht die „enclosure of the commons„ der ersten, zweiten und dritten Generation; die Einzäunung/ Einhegung/Privatisierung der Gemeinschaftsgüter durch Zäune, Gesetze oder technische Tricks.
Der verbleibende zentrale Unterschied im Charakter der Güter besteht also sowieso nur in der Rivalität (also ob ich durch meine Nutzung die Nutzung anderer beeinträchtige oder nicht.) Damit kann man die Debatte über diese Kategorien doch eigentlich abschließen, oder?
Ist es dann nicht vielmehr so ähnlich, wie das in der Universalgüterdikussion auch beschrieben wird? Nämlich:
Commons sind ein normatives Konzept. Ihr besonderer Charakter resultiert aus der Form ihrer Bereitstellung (ererbt oder kollektiv erzeugt) und aus ihrer Funktion. Dieser besondere Charakter lässt sich nicht durch eine rechtliche oder technische Form aufheben. Wird die Verfügungsgewalt über Commons privatrechtlich oder marktwirtschaftlich geregelt (z.B. Privateigentum an Wasser, Emmissionsrechtehandel) und (was sich nicht zwingend daraus ergibt) die Verantwortungsbeziehung gegenüber dem Erhalt bzw. der Erweiterung der Ressourcen aufgelöst, dann sind die Commons -als soziale Beziehung- irgendwann mal weg.
Aber dem normativen Charakter des Commonskonzeptes und der Anspruchsberechtigung ALLER auf gerechten Zugang und verantwortungsvolle Nutzung der Ressourcen, nimmt dies nichts.
Ich lass es mal dabei. Freue mich auf die Diskussion mit der Jenaer Gruppe! Superinitiative!
Pingback: Commons-Werkstatt Jena — keimform.de
Du schreibst:
und erklärst dir danach selbst:
Was stimmt daran deiner Meinung nach nicht?
Weiter:
Das ist in etwa die Argumentation dieses Plakats. Kurz: Die einen Güter verlieren ihren Allgemeinheitscharakter, die anderen nicht. Die „anderen“, also die privatisierten Universalgüter, werden auch schnell wiederhergestellt, also entprivatisiert. Das nennt man dann „Raubkopie“.
Aber ganz eigentlich ist die Begründung für die Universalgüterthese eine ökonomische. Und die wurde auf keimform.de heiß diskutiert.
Hallo, nur wenig Zeit die nächsten paar Tage: nein, ich erkläre mir das nicht selbst, sondern haben eben diese Erklärung dem Text, vor allem der Tabelle entnommen und ihn referiert (daher der Konjunktiv). Hmmm, ich muss wohl lernen, wie man die Zitate noch deutlicher kennzeichnet. Sorry.
Natürlich geht es mir am Ende darum, commons nicht ökonomisch zu definieren.
Man kann auch privatisierte Commons wieder entprivatisieren! Darum drehen sich ja viele Kämpfe. Das meine ich auch, wenn ich sage: Gemeinressourcen können prinzipiell in jedes Eigentumsregime fallen, aber auch wieder zurück. Später mehr!
Pingback: Zukunftswerkstatt Jena » Blog Archiv » Eine Insel der konkreten Utopie… Das Peer-Ökonomie-Woche