Erdöl in Ecuador: Please don’t touch

Commons brauchen Kümmerer. Und Geld. Stellt sich die Frage: woher cash für commons nehmen? Die Idee der Nutzungsentgelte für globale Gemeinschaftsgüter ist dabei heiß umstritten. Doch wie steht es um Entgelte für Nutzungsverzicht?

Vor einigen Tagen schrieb Jörg auf diesem blog über eine bemerkenswerte Initiative ecuadorianischer Organisationen. Die Ölvorkommen im Yasuni Nationalpark (UNESCO Biosphärenreservat) sollen nicht erschlossen werden, sofern die internationale Gemeinschaft gewillt ist, dafür Geld auf den Tisch zu legen. Die Regierung hat den Vorschlag aufgegriffen und Nägel mit Köpfen gemacht. Notwendiges Anfangskapital zur Durchsetzung des Nutzungsverzichts: 1,6 Mrd. USD.

Ecuador gehört zu den wenigen megabiodiversen Ländern der Erde. Es gibt nur 17. Besagter Nationalpark, manche Wissenschaftler halten ihn für das artenreichste Gebiet der Erde, war…

„im Pleistozän nicht von Eis bedeckt und soll auf einem Hektar mehr Baumarten aufweisen als ganz Nordamerika. Es ist das traditionelle Stammesgebiet der Huaorani; zwei weitere Stämme, …, haben sich hierhin zurückgezogen. … Bei einer Ausbeutung der Ölvorkommen wären sie sehr wahrscheinlich zum Untergang verurteilt.“ (vía)

Zudem, so der frühere ecuadorianische Umweltminister Edgar Isch in der ILA, ist das ecuadorianische Amazonasgebiet „Schauplatz der ‚Öl-Lüge‘. Wie in anderen Ländern hat auch hier die Ölförderung nicht zu Entwicklung und Wohlstand geführt, sondern zu Hunger, Konflikten und ökonomischer Abhängigkeit … Bezeichnenderweise haben genau die Kantone, in denen sich das Öl befindet, die höchsten Armutsraten.“ (ila 311, Dezember 2007, S. 25/26)

Das Andenland schlägt nun neue Wege im Kampf gegen den Klimawandel vor und dabei mindestens drei Fliegen mit einer Klappe: es leistet einen Beitrag zur Senkung der CO2 Emissionen, schützt die Gemeinschaftsgüter (Artenvielfalt/ Wasserreserven) und mit ihnen die Rechte und Kultur der indigenen Bevölkerung (kulturelle Allmende). Wenn es klappt.

Die Idee ist -wie Jörg berichtete- ganz simpel: Für die Nichterschließung des so genannten Ishpingo-Tambococha-Tibutini- (ITT-) Erdölfeld im Osten des Nationalparks will sich Ecuador für die Hälfte der entgangenen Erdöleinnahmen entschädigen lassen. Prognostiziert werden Einnahmen von 350 Millionen Dollar für 20 Jahre.

„Regierungen, Umweltorganisationen und Individuen können barrelweise Öl kaufen, das in der Erde bleibt. Wenn das Geld dafür bis September 2008 nicht zusammenkommt, werden die Förderrechte zum Verkauf angeboten.“

Wenn es aber gelingt, wird ein Treuhandfond eingerichtet, aus dem dann Projekte für soziale Entwicklung (vor allem Gesundheit und Bildung) und Umweltschutz finanziert werden dürfen. Diskutiert wird auch, finanzielle Schulden (Auslandsschulden) gegen Ökoschulden zu „verrechnen“. Wenn alle die gleichen Nutzungsrechte an den globalen Ressourcen haben, dann ist der Norden dem Süden eine ganze Menge schuldig. Ein stichhaltiges Argument für einen Auslandsschuldenerlass.

Auf dem Gebiet lagern schätzungsweise 930 Millionen Barrel Erdölreserven, was bei Förderung und Verbrennung 444 Millionen Tonnen CO2 freisetzen würde. Global betrachtet entspricht die Ölmenge im ITT-Feld dem Weltverbrauch von 12 oder 13 Tagen, mit dem entsprechenden Treibhauseffekt. (vgl. ILA 311)

Für den katalanischen Vordenker in Sachen Politische Ökologie, Joan Martínez Allier, ist die Finanzierung einer Praxis, die das Öl im Boden lässt, eine Frage der Klimagerechtigkeit. In diesem taz-Artikel fordert er mit seiner Koautorin:

„… ein vollständiges Moratorium für die Exploration und Ausbeutung neuer Ölvorkommen, die Einschränkung des Handels mit fossilen Brennstoffen sowie ein ganz neues Nachdenken über nachhaltige Produktionsmethoden und Konsumgewohnheiten.“

Den Vorstoß der Regierung Correa bezeichnet er als radikalen Weg, „das Problem des Klimawandels an den Wurzeln zu packen“.

Schließlich ist nicht einzusehen, warum sich Ölkonzerne nicht nur für ihre Investionen und Föderkosten entlohnen lassen, sondern sich quasi den Wert der Ressource selbst -die eigentlich allen gehört- mit aneignen. Sie privatisieren damit nicht nur ein weiteres Gemeinschaftsgut (Bodenschätze), sondern kontaminieren andere elementare Gemeinschaftsgüter gleich mit. Das Ergebnis: verschmutztes Wasser, verseuchte Böden und damit einhergehende Gesundheitsgefährdungen. Die Kosten dafür werden selbstredent auf die Gemeinschaft abgewälzt.

Ist es die wahre Antwort auf den Klimawandel, fossile Brennstoffe nicht anzurühren?, fragt nun Allier. Sind Nutzungsverzichtsentgelte ebenso problematisch wie Nutzungsentgelte?

Im Jahr 2002 hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen eine ausführliche Analyse zum Thema Nutzungsentgelte für Globale Gemeinschaftsgüter vorgelegt. (Vgl v.a. Kapitel 5)

Entgelte für Nutzungsverzichtserklärungen (ENV) sind wie die Nutzungsentgelte zunächst einmal ein Instrument, um „den Erhalt von Umweltressourcen dadurch sicherzustellen, dass für ihre Nutzung Zahlungen geleistet werden.“

Die ENV -im Gutachten treffender bezeichnet als „Entgelte für Erklärungen des Verzichts auf nicht nachhaltige Nutzungsarten“– werden ebenso diskutiert wie die Idee eines Systems handelbarer Nutzungsverzichtsverpflichtungen (so genannter Verpflichtungsscheine).
Der Beirat macht dabei deutlich, dass „der Erhalt der goods of global value durch die Standortländer keine Selbstverständlichkeit…, sondern mit Kosten verbunden ist, an denen sich alle Staaten beteiligen sollten, da schließlich alle aus dem Erhalt Nutzen ziehen.“

Er liefert aus eigentumsrechtlicher Sicht ein wichtiges Argument pro Nutzungsverzicht. Die sogenannte „Tragik der Commons“ (i.s. d. Übernutzung) entstehe nicht nur dort, wo Handlungs- und Verfügungsrechte fehlen oder völlig unzureichend sind, sondern auch dort, wo Staaten diese inne habe. Das stimmt. Commons können in jeder denkbaren Eigentumsform über- oder unternutzt werden.

Als Beispiel werden Land- und Wasserflächen, Wald oder Biodiversität angeführt. Dazu gehören m.E. auch die Bodenschätze. Die Konflikte um den Abbau von Mineralien und Edelmetallen in ganz Lateinamerika machen dies in bedrückender Weise deutlich.

Die Staaten (als de jure Eigentümer) sind nun aber, wie der WBGU konstatiert „grundsätzlich souverän, ihre nationalen Umweltgüter in vollem Umfang zu nutzen und gegebenenfalls zu zerstören.“ Doch, „sobald eine natürliche Ressource spürbaren externen Nutzen von globaler Reichweite stiftet, stellt die Zerstörung der Ressource ein globales Umweltproblem dar.“ Deshalb bezeichnet der Beirat diese Ressourcen auch etwas umständlich als „nationale Ressourcen globalen Werts“, im Gegensatz zu reinen globalen Gemeinschaftsgütern.

Nutzungsverzichtserklärungen sind im Grunde nichts anderes als Kompensationszahlungen. „Die Höhe der…Kompensationszahlung, entspricht im Idealfall … sowohl dem Ertrag der zahlenden Länder aus der nicht eintretenden Degradation der Ressource als auch den Nettokosten des Nutzungsverzichts für das Standortland (Monitoring- und Opportunitätskosten des Verzichts auf degradierende lokale Nutzung abzüglich des eigenen Nutzens aus dem Ressourcenerhalt).“

Das Problem ist ja, dass die „Kosten des Verzichts auf degradierende Nutzungsarten lokal anfallen und überwiegend vom Standortland zu tragen wären, während der globale Nutzen des Erhalts der Ressource auch allen anderen Staaten zugute käme“. Daher scheint das finanzielle Engagement der Nutznießer nur recht und billig. Ecuador liegt zudem mit seinem Vorschlag bei schätzungsweise einem Viertel dieses Idealfalls. Schließlich sind Biodiversität oder die Existenz eines Stammes nicht einfach, wie Allier formuliert, „mit einem Preisschild (zu) versehen.“

Bei Konzepten de Nutzungsverzichts werden, und das scheint mir zentral, „keine Eigentumsrechte übertragen, sondern Nutzungsrechte ‚verpachtet'“. Dies scheint ein wichtiges Argument gegen die immer wiederkehrende Kritik, mit dem Diskurs der „global commons“ solle letztlich der Zugriff auf die (bis dahin nationalen) Ressourcen gesichert werden. Nach dem Motto, was bisher „Dein“ war ist jetzt „Unser“. Commons aber dürfen sich nie der gesellschaftlichen Verfügungsgewalt entziehen. Absolutes Herrschaftseigentum über commons kann es nicht geben, nur Besitz. Und Besitz (im ökonomischen und juristischen streng vom Eigentumsbegriff zu trennen) schließt Veräußerung aus.

Der WBGU geht interessanterweise noch vor wenigen Jahren davon aus, dass „Entwicklungsländer (mit diesen Kompensationszahlungen – S.H.) zu einem Nutzungsverzicht im global gewünschten Maß“ bewegen werden müssen. Bei Ecuador liegt der Fall nun umgekehrt. Das Land zwingt die Industrieländer, Farbe zu bekennen. Und fakelt nicht lange mit der vom Beirat festgestellten „erheblichen praktischen Schwierigkeit bei der Erfassung, Abgrenzung und Monetarisierung der Opportunitätskosten“, sondern legt eine Zahl auf den Tisch. 1,6 Mrd USD!

Für die Anwendung von ENV müssen laut WGBU mindestens übrigens fünf Kriterien erfüllt sein:
1.Der Verzicht auf die wirtschaftliche Nutzung einer Ressource, bzw. ihr Erhalt durch eine nicht degradierende Nutzung stiftet spürbaren grenzüberschreitenden Nutzen.
2.Die zur Nutzung Berechtigten (Staat, Eigentümer bzw. Eigentümergemeinschaft) und damit die potenziellen Verhandlungspartner und Zahlungsempfänger sind bekannt.
3.Die Kontrolle der Einhaltung des Nutzungsverzichts (bzw. nachhaltigen Nutzung) ist mit vertretbarem Aufwand möglich.
4.Die nicht zerstörerische Nutzung ist eindeutig definierbar.
5.Die zur lokalen Nutzung Berechtigten sind in der Lage, ihre Nutzungsrechte gegenüber Dritten durchzusetzen.

Die sind im beschriebenen Fall alle erfüllt. Zudem kommt auch anderswo etwas in Bewegung:

„Die Regierung von Kamerun bemüht sich, ein 830 000 Hektar großes Regenwaldgebiet für 1,6 Millionen Dollar jährlich an Umweltschützer zu verpachten…. Ähnliche Projekte wie im Yasuni Nationalpark gibt es auch für den Banc-d’Arguin-Nationalpark im Norden Mauretaniens, wo die Ölförderung die Vogelwelt und die Fischbestände und damit auch den Lebensunterhalt der Fischer bedroht. Auch in Nigeria könnte der Fonds dazu beitragen, das Abfackeln von Erdgas im Nigerdelta zu stoppen.“, denn

Lebensräume stehen nicht zum Verkauf. Nutzungsverzicht statt Öllüge!

Don’t touch some commons!

PS: Ich habe übrigens noch niemanden gefunden, der -von links- ernsthaft gegen den Vorschlag protestiert hätte.

foto on flickr by Jed.Baxter

4 Gedanken zu „Erdöl in Ecuador: Please don’t touch

  1. Nehmen wir an, die 1,6 Mrd. USD kommen zusammen, wie werden der Nutzungsverzichts dann rechtlich fixiert? Nutzungsverzichtserklärungen scheinen mir nicht ausreichend zu sein. Wie wird sichergestellt, dass nicht eine Folgeregierung dann doch die Reserven aus der Erde holt? Hier müsste ein (neues?) Völkerrecht vor der nationalen Souveränität gehen, oder?

  2. Ja, wichtiger Punkt. Es gibt Vorschläge, solche Konzepte in international bereits existierende Vertragswerke einzubinden (CBC, Kiotoprotokoll usw.). Dann wird gar diskutiert, wie man daraus ein internationales System von handelbaren Nutzungsverzichtserklärungen machen kann (mit vielen Fallstricken, der WGBU räumt der Idee, sowas international verbindlich zu etablieren wenig Durchsetzungschancen einräumt). Ich denke, es kommt auf den konkreten Inhalt der Nutzungsverzichtserklärung an: also z.B. für wie lange „verpachtet“ werden soll (wenn z.B. 50 Jahre im bilateralen Vertrag zwischen Standortland und zahlendem Land steht, dann kommt man da nicht so schnell wieder raus). Wichtig scheint auch, wie mittelfristig die Zahlungsweise ist. 1,6 Mrd sind ja nur der Anfang und müssen auch nicht mit einem Schlag gezahlt werden. Einmalige Zahlung wäre eher ein Anreiz für kommende, anders denkende, Regierungen, getroffene Vereinbarungen zu übergehen. Mehrmalige, konditionierte Zahlungen (im Sinne der Einhaltung des ursprünglichen Einsatzzwecks der Mittel) erscheinen da sinnvoller.

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