Chapeau für gentechfreien Prinz Charles

Der hoheitlichste Ökobauer der Welt, HRH Prinz Charles, hat deutlicher denn je Stellung gegen gentechnisch manipuliertes Saatgut bezogen. Sein Exklusivinterview für den Daily Telegraph (im emotional geratenen O-Ton.) schlägt in Großbritannien heftige Wellen.

Prinz Charles warnt vor „der größten Umweltkatastrophe aller Zeiten“.

Zimperlich springen die politischen Gegner mit ihrem Kronprinzen nicht um. Des Turner, Abgeordneter der Labour Partei und Mitglied der Wissenschaftskommission des House of Commons, meint: „Prince Charles has got a way of getting things absolutely wrong.“ Das ist die nette Variante.

Vor einigen Jahren befand Lord Robert Winston, Professor für Fruchtbarkeitsmedizin -bekannt durch Funk und Fernsehen-, Prinz Charles sei selbst „einer der am stärksten genetisch manipulierten Organismen des Planeten„.

Vor einigen Jahren befand Lord Robert Winston, Professor für Fruchtbarkeitsmedizin -bekannt durch Funk und Fernsehen-, Prinz Charles sei selbst „einer der am stärksten genetisch manipulierten Organismen des Planeten„.

Schließlich fischten die Windsors seit Jahrhunderten im kleinen „Genpool“ des europäischen Hochadels.

Mal abgesehen davon, dass der Vergleich unverschämt ist. Er hinkt. Was Winston meint, wäre auf die Saatgutdebatte übertragen so etwas wie züchterische Fortentwicklung und Auslese, aber keine genetische Manipulation. Der Mann argumentiert zudem mit alten Hüten.

Die gegenwärtige Lebensmittelkrise wird von Gentechbefürwortern genutzt, um die Mär von höheren Erträgen, weniger Pestizidverbrauch oder optimalerer Nährstoffversorgung durch Gentechsaatgut aufzufrischen. Man müsse die Menschen satt kriegen. Bald seien es 9 Milliarden. Dafür brauche man den Eingriff in das Erbgut.

(Was es mit diesen Argumenten auf sich hat können Sie u.a. beim Münchner Umweltinstitut nachlesen: Fragen und Antworten zur Gentechnik in der Landwirtschaft.)

Mit meinem Glauben an Monsanto(d) & Co als Amme der Armen ist es nicht weit her. Monsanto ist größter Produzent und Verkäufer genmanipulierten Saatguts samt entsprechender Pestizide. Streng genommen verkaufen sie garnicht das Saatgut, sondern lediglich die Berechtigung zur einmaligen Aussaat und kassieren dafür Lizenzgebühren. Patentiertes Saatgut geht nicht ins Eigentum der Käufer über, sondern es bleibt Eigentum des Konzerns. Ganz so wie unfreie Software nicht käuflich erworben werden kann. Auch hier erhält der ‚Käufer‘ nur die Lizenz zur Nutzung. Microsoft ist sozusagen das Monsanto(d) der Softwarebranche. So wie die Bauern das Saatgut vor jeder Aussaat neu erwerben müssen, muss ein Microsoft-Anwender für jeden neuen Rechner ein neues Softwarepaket kaufen.

So schafft man gezielt neue Abhängigkeiten. Und Abhängigkeit war schon immer eine der Ursachen von Hunger.

Die Gentechbefürworter betonen auch in dieser Debatte wieder, dass die Gesundheitsschädlichkeit gentechnisch veränderter Lebensmittel nicht hinlänglich bewiesen sei.

…several supporters of plans for increased GM food production dismissed claims by the Prince and Mr Holden that there was no proof of human benefits supposedly brought by GM crops, saying there was also nothing to suggest that they posed any threat. Lord Haskins, a former chairman of Northern Foods and a Labour peer, said: „There’s no evidence of any health problems to human being. ….“

Mal abgesehen davon, dass es solche Beweise gibt: So what? Müssen wir wirklich erst in epidemischem Ausmaß neuen Allergien erliegen oder diverse Gesundheitsstörungen entwickeln, damit der großangelegte Menschenversuch als wissenschaftlicher Beweis taugt?

In Sachen Gesundheitsrisiken gilt schlicht das Vorsichtsprinzip. Wenn die Unschädlichkeit nicht bewiesen werden kann, keine Experimente! So einfach ist das.

Das Argument der Gesundheitsrisiken wird m.E. von beiden Seiten überstrapaziert. Mir erscheint schwerwiegender, dass Millionen von Bäuerinnen und Bauern diese Abhängigkeit aufgezwungen wird. Dass der jahrhundertelange traditionelle Umgang (z.B. Aufbewahrung eines Teils der Ernte und Wiederaussaat oder öffentliche Förderung für den Erhalt traditionellen Saatguts u.v.m.) mit einem der ursprünglichsten Commons -dem Symbol des Lebens schlechthin- unterbunden wird.

Ich finde es dramatischer, dass die Vielfalt des Saatguts, einziger Garant für die langfristige Anpassung an alle Klimasituationen, Anbauverhältnisse und Produktionsmethoden und damit einziger Garant für die langfristige Ernährung der Menschen, auf dem Spiel steht.

Commons brauchen gerechten Zugang für alle Anspruchsberechtigten. Im Falle der Saatgutvielfalt reden wir von einem Erbe der Menschheit ist. Zugangsberechtigt sind also grundsätzlich wir alle. Saatgut kann nun nicht dadurch, dass einzelne Bausteine dieses kollektiven Erbes auf Privatinitiative manipuliert werden, zum Eigentum eines Konzerns werden.

Commons brauchen zudem transparente und von allen weitgehend akzeptierte Nutzungsregeln. Dass private transnationale Konzerne   demokratisch nicht kontrollierbar sind, steht dem diametral entgegen.

Wohl deshalb meint Prinz Charles:

„Everything run by gigantic corporations? That would be the absolute destruction of everything and the classic way of ensuring that there is no food in the future. „If that’s the future, count me out.“

HRH, Chapeau!

foto on flickr by petecarr

Ein Gedanke zu „Chapeau für gentechfreien Prinz Charles

  1. Der Film „Monsanto, mit Gift und Genen“ von Marie-Monique Robin, gezeigt auf Arte am 11. März 2008, hat viele Menschen zutiefst berührt wie auch erschrocken.
    In der deutschen Fassung findet sich der Film unter http://lix.in/44aee301

    So bezeichnend wie beispielhaft ist in diesem Zusammenhang, mit welchem Selbstverständnis sich das Unternehmen Monsanto im deutschen Markt bewegt:
    So schaltet das Unternehmen bei der Zeitschrift http://www.topagrar.com – das „Magazin für die moderne Landwirtschaft“ – in dessen Forum es an Kritik gegen dem Unternehmen nicht mangelt, am 24. 10. 2008 eine Anzeige mit folgendem Wortlaut:

    „Suchen Sie die Herausforderung im Bereich Corporate Communications – und damit meinen wir wirklich eine Herausforderung, denn es geht um kontrovers diskutierte Themen? Gut. Sie können ein Unternehmen in der Öffentlichkeit vertreten, das als eines der weltweit führenden im Agrarsektor unter anderem gentechnisch verbessertes Saatgut von Nutzpflanzen entwickelt? Besser. Sie wollen wissenschaftlich fundierte Potentiale der Grünen Gentechnik weit verbreitetem Halbwissen entgegensetzen und offensiv kommunizieren? Ausgezeichnet. Wir freuen uns, wenn Sie mit Ihren kommunikativen Stärken unser Unternehmen bereichern – als PR-Manager (m/w) mit Schwerpunkt Corporate Communications. Das ist Ihre Aufgabe: Seriöse Wissenschaftler, Agrarökonomen und Entwicklungsexperten sind sich einig: Gentechnisch verändertes Saatgut verbessert die Erträge und die Qualität der Agrarproduktion unter gleichzeitiger Schonung natürlicher Ressourcen. Genau dies ist die Kernaussage der Kommunikationsstrategie, an der Sie mitarbeiten und die Sie umsetzen – mit verschiedenen Kommunikationsmitteln, über unterschiedliche Medien. Darüber hinaus suchen Sie aktiv den Kontakt zu Meinungsführern und -multiplikatoren, informieren und diskutieren.
    Das bringen Sie mit: Ob Sie ein Studium der Kommunikations- oder Naturwissenschaften abgeschlossen haben, ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist uns, dass Sie journalistisch schreiben und unsere Themen überzeugend und mit viel Gespür vertreten können – auch gegen Widerstände.
    Sie bringen mindestens 3 Jahre Berufserfahrung mit und sind interessiert an politisch-wirtschaftlichen Zusammenhängen. Sie haben ein gutes Standing, sind selbstständiges Arbeiten gewohnt und offen für Neues. Wenn Sie darüber hinaus noch sehr gute Englischkenntnisse mitbringen, sollten wir uns kennen lernen. Und das bieten wir Ihnen: Ein hoch interessantes, sehr innovatives und internationales Umfeld. Die Freiheit, viel bewegen zu können und Themen in der Öffentlichkeit zu setzen. Hervorragende Perspektiven und persönliche/fachliche Weiterentwicklung. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung – siehe http://www.topagrar.com/ads/1008monsanto.pdf

    Der Text spricht für sich…

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