Freie Lizenz für Die Letzte Droge

„Für eine neue Generation von Filmemachern ist das Internet die wichtigste Schnittstelle zu den Zuschauern…. Es entspricht… sowohl dem Bedürfnis der Zuschauer nach größerer Kontrolle über die Nutzung von Inhalten, als auch dem Wesen des Mediums.“ (vía, siehe auch Kommentar 1 und 2)

Der Text ist anschaulich. Stefan Kluge, Produzent des Labels VEB FILM Leipzig, beschreibt, wie die Macher der ersten frei lizenzierten Mikrobudget Spielfilme Deutschlands zu solchen Entscheidungen kommen:

1. sich dem gängigen Filmvertriebsmodell diametral entgegen zu stellen und eine Freie Lizenz für ihre Filme zu wählen

2. die kommerzielle Weiterverwertung der Inhalte zuzulassen, obwohl sie sie selbst als Freie Inhalte veröffentlichen

3. das Copyleft zu verwenden (also Wiederverwerter des Materials zur Anwendung derselben Lizenz zu zwingen)

… und trotzdem finanziell -irgendwie- zu überleben.

Fest steht, es braucht mehr Mut als Geld, um sich mit der „Hoffnung, auch eine freie Verbreitung des Films würde ihn refinanzieren und damit eine Folgeproduktion ermöglichen“ in ein Drehabenteuer zu stürzen.

Stefan Kluges Text macht nachvollziehbar, unter welchen Bedingungen die Filmemacher diese Entscheidungen getroffen haben. Respekt! Er wirft allerdings auch Fragen auf.

Manchmal scheint durch, dass die VEBler ethisch-politische Einwände gegen das restriktive Copyright haben. Doch wird nicht wirklich klar, welche das sind. Vielmehr folgten fast alle Entscheidungen letztlich ökononomischen Kriterien. Selbst die zentralste: Die Entscheidung für Freien Inhalt. (Das Drehbuch des ersten Films wurde bei den klassischen Vertriebskanälen als wenig erfolgversprechend beurteilt.) Erst danach entstand die oben zitierte Hoffnung.

Das ist absolut nachvollziehbar und mindert meinen Respekt vor dem Projekt kein bisschen. Schließlich brennt vielen Kreativen die Perspektive aus der Kluge schreibt unter den Nägeln: Kann man das komplette Filmmaterial als Open Content veröffentlichen und mit dem Film dennoch gerade genug verdienen, um den nächsten Streifen zu produzieren? Das macht das Beispiel so wichtig.

Der Autor geht nun gängige Open Source Geschäftsmodelle durch und fragt: Kann man so Filme produzieren und finanzieren? Mit Dienstleistungen rund um den Film? Mit dem Verkauf von Fanartikeln? Mit Lockvogel-Angeboten oder Widget Frosting? (Gibt es für Widget Frosting irgend eine deutsche Übersetzung? Vgl. auch Erich Raymond, Der Verzauberte Kessel)

Wenn das Ergebnis zählt, könnte man sagen: Die Fakten sprechen für sich. Der erste Open Content Film des VEB Film Leipzig, „Route 66“ (hier anschauen), soll ca 2 Millionen Menschen erreicht haben. 1 Mio. Downloads + P2P und 600.000 DVDs in DVD-Magazinen. Der zweite Film, „Die letzte Droge“, erscheint im Dezember 2008. Allerdings verrät die Website des VEB Film auch ein Defizit von ca 7.000 Euro. (Hmm, das war vor ein paar Monaten, als ich das Projekt entdeckte, schon ähnlich!?)

Wenn wir es nun politisch wenden und die Frage auf die Freiheit der Inhalte fokussieren, dann ist nicht nur wichtig, wie der Aufwand der Filmemacher und die Produktionskosten bezahlt werden können, sondern auch wie zu gewährleisten ist, dass die Zuschauer tatsächlich die Kontrolle über die Inhalte und ihren Umgang mit den Medien bekommen! Dass diese Kontrolle ihnen erhalten bleibt und dass freie Inhalte nicht wieder weggesperrt, nicht reprivatisiert werden können. Letzteres lassen die VEBler im Einzelfall durchaus zu.

Meiner Ansicht nach haben aus dieser Perspektive „Lockvogel“ Strategien in der Freien Kulturszene -teilweise Öffnung der Inhalte… bis der „Kunde“ anbeißt und dann geht’s klassisch marktwirtschaftlich weiter- ebensowenig was zu suchen, wie auf herkömmlicher hardware vorinstallierte „freie“ Inhalte. Auch von den VEBler in Erwägung gezogenen Sonderverträgen (falls die Copyleft Regelung aus „institutionellen Gründen“ ausfällt, weil einzelnen Institutionen eine restriktive Lizenzpolitik pflegen) müsste mich erst noch jemand überzeugen. (siehe in Kluges Text: „Wahl der OC-Lizenz, Pkt.3)

Da müssen diese Institutionen eben ihre Lizenzpolitik ändern!

PS: Der neue Film des VEB Film Leipzig, Die Letzte Droge, wird unter CC BY SA veröffentlicht: Zur Handlung:

„Drei Backpacker durchqueren Südamerika auf der Suche nach der letzten unerforschten Droge. Der Selbstversuch wird zum Wettlauf gegen den Wahnsinn in einer Welt, in der die Gedanken mächtiger sind als die Sinne. Ein Spielfilm der Dich an das Ende der Welt führt. Und darüber hinaus. Basierend auf einer wahren Begebenheit.“

Viel Spaß beim Zuschauen und Spenden!

Foto: VEB Film Leipzig

3 Gedanken zu „Freie Lizenz für Die Letzte Droge

  1. Danke für dieses Review, Silke!

    Lass mich Dir ein Beispiel für einen individuellen Lizenzvertrag geben – gerne einmal aus ethischer Sicht:

    Ein TV-Sender will unser Material innerhalb einer Doku verwenden, kann aber sein eigenes Archivmaterial aufgrund bestehender Lizenzverträge nicht unter einer freien Lizenz veröffentlichen. Um also unsere freien Inhalte gemeinsam mit seinem alten Copyright-behaftetem Archivmaterial verwenden zu dürfen, muss er an uns, als Verwerter der freien Inhalte, eine Zahlung leisten:
    Wir bieten ihm an, einen individuellen Lizenzvertrag abzuschliessen, der es ihm erlaubt, unser Material auch dann zu verwenden, wenn er seine Doku unter herkömmlichem Copyright veröffentlicht. Gleichzeitig steht es ihm, wie auch allen anderen, offen, unser Material kostenlos zu verwenden, wenn unsere Standardlizenz verwendet wird: die Creative Commons BY-SA.
    Es werden also nur die zur Kasse gebeten, die nicht bereit sind, freie Lizenzen zu nutzen. Für oldschool-Redakteure ist das dann eine branchenübliche Lizenzgebühr; auf Internet-Filmemacher wirkt das eher wie eine nachträgliche Strafzahlung wegen Verwendung von nicht-freiem Archivmaterial.
    Für uns ist es eine gleichzeitige Online- und Offline-Strategie: Online Filmemacher werden unser Material höchstwahrscheinlich unter CC BY-SA nutzen: sie mögen freie Inhalte, wollen nicht unnötig Budget für Lizenzen ausgeben und sind in der Lage im Netz genug freies Bild- und Tonmaterial zu finden, um ihre eigene Idee damit umzusetzen.
    In der Copyright-dominierten Offline-Welt hingegen ist man es gewöhnt, für Bild- und Tonmaterial Lizenzgebühren zu zahlen. Gleichzeitig sollte dort allerdings ein Lerneffekt bei den Redakteuren einsetzen, die durch uns realisieren, dass sie ihr Budget neuerdings nur noch deswegen für Lizenzen ausgeben müssen, weil ihnen andere Lizenzgeber Copyright-Handschellen verpassen.

    Bei globalem Erfolg von Open Content wäre die langfristige Konsequenz: während der Übergangsphase, in der das alte Copyright-Archivmaterial der Medienunternehmen durch freies Footage ersetzt wird, müssen all die Unternehmen nachträglich „bluten“, die bisher am Copyright verdient haben – auf Kosten der Werke, die nie entstehen konnten, weil es das Copyright verhindert hat.

    Das ist für mich fair.

    Beste Grüsse, Stefan / VEB FILM Leipzig

  2. Hi Stefan, danke für die erhellende Erläuterung! Die Frage stellt sich für mich natürlich weniger aus der Perspektive, was für Euch sinnvoll ist, sondern eher allgemein, also: Wie hält man einmal „befreite“ Inhalte frei? Das ist etwas anderes als Fairness in einem bilateralen Vertragsverhältnis, oder? Sonst passiert genau das, was immer passiert. Der (oft selbst geschaffene) Sachzwang perpetuiert sich.
    Mir erscheint nachvollziehbar, warum Nutzer Eurer Inhalte, die -aus welchen Gründen auch immer- das klassische Copyright anwenden, an Euch „als Verwerter der freien Inhalte, eine Zahlung leisten“. Aber was kommt dann hinten raus?
    Eure Inhalte werden wieder weg gesperrt (oder habe ich da was falsch verstanden?) und mit unfreien Lizenzen versehen und sind dann wieder drin in der Verwertungsmühle.
    Und aus dieser Perspektive stellt sich eben die Frage, ob man auf solche Klauseln in individuellen Lizenzverträgen – die Euch zwar Geld einbringen aber eben Eure Idee nicht schützen- nicht verzichten muss.
    Du beschreibst diese Lösung ja als eine Art „Zwischen den Welten Strategie“ bzw. Handeln in der Übergangsphase (von eingesperrten zu freien Inhalten), sozusagen als Vermittlung zwischen den Kulturen. Insofern finde ich diese Idee des „Lerneffekts“ (sozusagen „Strafzahlung für das Verwenden freier Inhalte“) ganz interessant. Strafzahlungen sind aber was ganz anderes als Lizenzgebühren. Und an der Stelle scheint mir eben die Vorgehensweise noch nicht ganz kohärent, wenngleich aus Eurer konkreten Lage heraus nachvollziehbar.
    Hmm, hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt, Viele Grüße Silke

  3. Pingback: Freie Filme - Schnell erklärt « CommonsBlog

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