„So wie der Markt gewisse Regelungen braucht, brauchen Commons Regelungen. Aber andere. Wir brauchen Prinzipien, damit Commons möglichst gut gedeihen.“ (Ch. Siefkes)
Am 18. September hat in Berlin das Dritte Interdisziplinäre Politische Salongespräch „Zeit für Allmende“ stattgefunden. Die praktischen Ideen, die sich aus der Diskussion ergaben, sind hier dokumentiert. Nun folgt die Zusammenfassung und Reflektion der ganzen Debatte. Die Themen:
- Wozu brauchen wir Prinzipien des Commonsmanagements?
- Commons und parlamentarische Demokratie
- Institutionalisierung von Commonsmanagements braucht Anwälte und Vorgaben
- Für und wider Trusts
- Demokratietaugliches Design von Institutionen des Commonsmanagements
- Begriffliche Unschärfen
Inputs: Silke Helfrich: Prinzipien für commonsgerechtes Wirtschaften, Annette Mühlberg: Das Beispiel digitaler Gemeingüter (link folgt)
Wozu Prinzipien?
Bringt es uns weiter, diese Prinzipien zu diskutieren, die wir ohnehin „alle unterschreiben, aber über die wir keine Beweise führen und auch keine materiellen Interessen festmachen können?, eröffnet Rainer Kuhlen die Debatte. „Müssen wir nicht über „Verregelungsformen reden, die zu massiven Verriegelungsformen geworden sind?“
Die Organisatoren meinen:Ja, wir brauchen diese Diskussion, denn wir brauchen einen klaren Umriss von der Gesellschaft, die wir wollen. Erst, wenn wir uns auf Werte, Maßstäbe und Grundsätze commonsgerechter Politik verständigen, scheint das Reden über Regeln und Institutionen sinnvoll.
„So wie der Markt gewisse Regelungen braucht, brauchen Commons Regelungen. Aber andere. Wir brauchen Prinzipien, damit Commons möglichst gut gedeihen.“, bringt es Christian Siefkes auf den Punkt.
Es ist nicht ganz so wie Rainer Kuhlen suggeriert. Wir sind uns hinsichtlich prinzipieller Regelungen des Umgangs mit den Commons nicht immer schnell einig. Offene Standards oder Standardisierung, was nützt der Allgemeinheit mehr? Kopplung von Beitrag und Entnahme oder nicht? Was ist bedürfnisgerechter? Wie verhalten sich Prinzipien der Gerechtigkeit, Reziprozität, Subsidiarität u.a. zur Notwendigkeit vom Individuum und vom Kollektiven her zu denken?
Dabei ist klar, dass solche Prinzipien „einer ständigen politischen Diskussion unterliegen“ (Martin Rocholl). Doch die Frage ist, wo ist der Ort dieser Diskussion? Wer sind ihre Akteure? Christian Siefkes unterstreicht -die Diskussion des zweiten Salons aufgreifend1– dass „wir Prinzipien nicht losgelöst von den Gemeinschaften betrachten können…. Natürlich ist es die Gemeinschaft derer, die Wikipedia schreibt, die die Regeln festgelegt hat. Das ist auch der Grund, warum es überhaupt funktioniert. Die Prinzipien können nicht von vorn herein festgelegt werden. Sie entstehen immer innerhalb der Gemeinschaften der Kümmerer selbst.“ Es scheint ihm -in den meisten Fällen- „illusorisch“, dies dem Staat zu überantworten.
Die Fragen dieses Dritten Salongesprächs sind ademnach:
- Wenn es ist ein Charakteristikum der Commons ist, dass sie uns bzw. spezifischen Gemeinschaften gehören und wenn dies so bleiben soll: Wer darf prinzipiell was mit Gemeinressourcen machen und was nicht?
- Was sind geeignete Maßstäbe und Kriterien, um verantwortungsvollen Umgang mit den Gemeingütern einzuklagen?
- Woran messen wir das Handeln und die Wirkung der Institutionen (Markt, Staat, Gemeinschaften, trusts…)? In den Worten von Christoph Engel, Leiter der Arbeitsgruppe Recht der Gemeinschaftsgüter des MPI: Was ist „unsere normative Währung“?2
- Entlang welcher Kriterien, kann man verbindliche Entscheidungen über den Inhalt commonsbewahrender und -erweiternder Politik und Wirtschaft treffen?
- Wie bestimmen wir die Grenzen, die demokratische Institutionen und wir selbst ziehen müssen?
Prinzipien commonsbasierten Wirtschaftens formulieren den Bruch mit einer Logik, die ökonomische Argumente -reduziert auf das Wachstum- in den Vordergrund rückt. Denn, auch darauf weist Engel hin, wir reden über im Grundsatz unvereinbare Ideen.
„Auf der tiefsten Ebene unterscheidet sich schon die Vorstellung von Rationalität (a). Auf der nächsten Ebene geht es darum, ob das Individuum oder die Gemeinschaft der geistige Ausgangspunkt ist (b). Auf der obersten Ebene geht es schließlich um nicht konvertible normative Währungen (c).“3
Die Frage nach den Prinzipien bestimmt die Essenz des politischen Projekts Commons.
„Ich glaube, dass eine vertiefte Prinzipiendiskussion notwendig ist, um alle Commonsakteure … in einem gemeinsamen Bewusstsein zu vereinen. … Auch wenn es sie (commons) schon seit Hunderten von Jahren gibt… sie sind tatsächlich vergessen oder bewusst verdrängt worden. …Ich glaube, dass wir den Bereich des Dritten konstituieren müssen. Wir brauchen ihn. Wir können nicht einfach sagen: Wir schieben das an den Staat zurück. Natürlich muss die Politik… letztlich die Umsetzung machen, aber wir brauchen eine starke Kultursphäre.“,
unterstützt Christoph Schlee diesen Ansatz. Auch Lili Fuhr unterstreicht den Bedarf nach Klarheit der Prinzipien am Beispiel des Skytrust. Aus dem Emissionshandel werden Einnahmen
generiert. Diese Einnahmen müssen verteilt werden. Nach welchem Prinzip?
Commons und parlamentarische Demokratie
Die Diskussion gerät zu einer Kontroverse über die Leistungskraft des gegenwärtigen demokratischen Systems (in Deutschland/Europa) für verantwortungsvolles Commonsmanagement. Ist die Perspektive der Commons vereinbar mit unserer demokratischen Struktur? „Das ist sie“, sagt der Politiker Malte Spitz. Weitgehende Einigkeit über Grundsätze (Prinzipien) sowie über die Notwendigkeit demokratischer Strukturen ist demnach das, was wir haben.
Was aber brauchen wir? Dass wir das Thema zu einem „gesellschaftlichen Thema machen“ und nicht nur der Politik zuschieben, findet der Malte Spitz. Wir brauchen „einen Schritt von unten nach oben, statt immer nur von der politischen Ebene her als Designerebene (für Commonsmanagement) zu denken.“
Das scheint mir ein entscheidender Punkt. John Hepburn formuliert dazu einen Begründungszusammenhang, der sich so in allen Allmendsystemen finden lässt:
„Wenn man von einer Entscheidung nicht beeinflusst wird, dann hat man kein Recht darauf, mitzuentscheiden. Wenn man beeinflusst wird, dann hat man ein Recht. In dieser Art sind Allmenden eine Verwirklichung von partizipativer Demokratie und von Selbstverwaltung.“4
Um dieses Recht einwandfrei zu identifizieren ist es wichtig, Allmende/ Commons erst einmal als solche zu erkennen und zu benennen. Erst dann können wir Ansprüche erheben, „dass der Bereich der Commons … immer größer wird“ und dass „nicht(s) mehr aus dem Bereich der Commons herausgenommen werden kann.“ „Prinzipien haben also praktische Vorteile.“, resümiert Christian Siefkes die Erfahrungen mit Freier Software und Wikipedia.
Eine der Eingangsthesen von Annette Mühlberg war, dass die politischen Institutionen (Regierungen, Parlamente) in Sachen Teilhabe aller an den heutigen offenen Räumen, die geeigneten Institutionen bzw. Adressaten für Fragen der Verwaltung der Commons sind. Sie begründet dies so: „Wenn ich mich als Demokratin verstehe, ist es jetzt dringend an der Zeit, unsere Anforderungen zu formulieren, weil sonst die Demokratie den Bach runtergeht.“ „Das Perverse ist, dass dieser öffentliche Reichtum ohne Diskussion privatisiert wird. Politiker nehmen zum Beispiel „das bisschen digitale Rechte“ gar nicht als schützenswertes Gut wahr.“
Die Aussage verweist auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Zustand der Allmende und dem unserer Demokratie offen.
Dass Politik zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung Druck braucht, ist dabei unumstritten. Doch woher soll dieser Druck kommen? Denn „Commons haben„, so bestätigt Christoph Schlee einen der Ausgangspunkte der Salonreihe: „noch keine systematische Anwaltschaft. Aber …lauter kleine Anwälte….“Wie soll also „ein Bewusstsein“ dafür entwickelt werden, „zu dem zu kommen, was ohnehin uns gehört?“ (Antje Tönnies)
Das Eingangsstatement von Annette Mühlberg provozierte eine Auseinandersetzung über die Funktionstüchtigkeit des Parlamentarismus für einen nachhaltigen Umgang mit den Commons.
Christiane Grefe hält die Parlamente in den Salongesprächen für deutlich unterbelichtet und die im Raum stehende Beschreibung des Parlamentarismus „als Arena der Aushandlung konkurrierender Eigentinteressen“ (Wolfgang Sachs) für die „Beschreibung eines degenerierten Parlamentarismus“, nicht für dessen Definition. Dass Parlamentarier verpflichtet sind ,im Sinne des Gemeinwohls zu entscheiden ist eine Idee und Struktur, die man „nicht preisgeben darf.“ (Grefe) Es gäbe ja nicht nur „eine Erosion der Commonsverwaltung, sondern auch des Staates durch die Verabsolutierung des Marktes und des Privaten, was auch das Parlament zum Schwächeln getrieben“ hat. Dennoch seien Parlamente noch immer die Institutionen mit der stärksten demokratischen Legitimation.
„Der Parlamentarismus ist deshalb schwach, weil die Politik so allgegenwärtig werden musste.“, antwortet Wolfgang Sachs. „Man kann die Geschichte der letzten zweihundert Jahre als eine permanente Expansion der Reichweite der Politik beschreiben. Die Dinge, mit denen wir uns hier beschäftigen waren bis vor 10 Jahren keine Politikfeld. Es sei „also kein Zufall, dass die Commonsdiskussion an den frontiers erscheint, wo plötzlich neue Lebensbereiche politikabel werden, die vorher einfach natürlich gegeben waren.“ „Das Parlament kann nicht allgegenwärtig sein, insofern gibt es da eine Art systemische Überlastung.“ (Sachs)
Doch die Commonsdiskussion berge auch „eine implizite Kritik der gegenwärtigen Form des Parlamentarismus“ (als Arena des Ausgleichs von konkurrierenden Eigeninteressen.) Wir aber „vertreten nicht eine andere Form des Selbstinteresses, sondern wir treten alle unter dem Banner des Allgemeininteresses an, … das die Summe der Eigeninteressen transzendiert“ Von wem und wie wird dieses konkret im Parlament und in den demokratisch legitimierten Institutionen adressiert?
„Institutionell irgendwie gar nicht.“, meint Wolfgang Sachs und umreißt damit treffend das demokratiepraktische Problem.
Dieser These folgend unterstreicht Christoph Schlee, dass es keinen Sinn mache, „in der Angst, dass man nicht demokratisch ist, gleich wieder alles den demokratischen Institutionen zuzuschieben. Den Verantwortungsstaat, …gibt es nicht mehr, und es wird ihn auch nicht wieder geben.“ Es hat ihn in vielen Teilen der Welt nie gegeben. Zudem, nehme uns die gegenwärtige Form des Parlamentarismus einen Teil unserer Verantwortung für die Gemeingüter ab. Er unterstützte qua Delegation (nach Berlin oder Brüssel) gewissermaßen die Auflösung der Bindung zwischen Gemeinressourcen und Gemeinschaft, die für Commons konstitutiv ist. (Silke Helfrich)
Rainer Kuhlen fasst die Diskussion zusammen: „Die gegenwärtige Ausprägungsform von parlamentarischer Demokratie (ist) durch die Commonsdebatte auch teilweise zur Disposition gestellt worden“. „Interessen für commons (müssen sich) ausserhalb dieser parlamentarischen Demokratie entwickeln.“. Die (unsere) Aufgabe besteht demnach darin, Begriffe und Mehrheiten zu finden, und anschließend in den politischen Prozess einbringen. Erst dann folgen konkrete Fragen nach Institutionen und gesetzlicher Verankerung.
Im Ergebnis entsteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Doppelstrategie nötig ist:
Commons benennen, enclosures identifizieren, Forderungen (als Mitbesitzer der Commons) in den demokratischen politischen Prozess einspeisen, auf Rechenschaft bestehen und zugleich: neue Organisationsformen und Strategien für den Umgang mit Gemeingütern suchen und aufbauen.
„Mit gutem Beispiel voran gehen, dort wo es geht.“ nennt das Annette Mühlberg. Ein Beispiel:
„Wenn ich etwas produziere – überlege ich immer: Könnte ich das nicht eigentlich der Allgemeinheit zur Verfügung stellen? Muss ich wirklich alle Rechte bei mir behalten? … Ist es eigentlich so, dass mich jeder zitieren muss, wenn er einen Satz von mir verwendet, oder kann ich darauf verzichten? Das ist ein kleiner, privater Rahmen. Aber dann kommt das Pochen auf entsprechende Gesetzgebung.“
Der historische Moment ist geeignet, da „die Rechnungen der Privatisierung inzwischen auf dem Tisch liegen“ und „klar wird, dass es mit den benefits für die Bevölkerung bei der Privatisierung der öffentlichen Güter nicht so gut steht.“ Dieses Zeitfenster gelte es zu nutzen.
Die Institutionalisierung des Commonsmanagements braucht Anwälte und Vorgaben
Dies berührt unmittelbar die Frage, die zu Beginn des Salons von Oliver Moldenhauer gestellt wurde (und die im Zentrum des Vierten Salongesprächs stehen wird). „Wie können wir Institutionen schaffen, die sich um diese Themen kümmern?“, denn der klassische Weg (Initiieren einer sozialen Bewegung, Öffentlichkeit herstellen, Verbände gründen, Interessen über die politischen Institutionen vertreten) „funktioniert nicht.“ Wo sind die „Kümmerer“, die „Sorgenden“, die „Anwälte“ oder eine „mündiger gewordene Zivilgesellschaft“?
Zwar könnten die Anforderungen klar formuliert werden, aber sie dringen nicht durch. Die Situation sei dramatisch, meint auch Annette Mühlberg und beschreibt die unheilige Allianz von Lobbyismus, Ignoranz und Korruption an zahlreichen Beispielen. Wie können unter diesen Bedingungen Vorgaben gelingen, um Gemeinschaftsgüter in einer bestimmten Weise zu verwalten?
So, dass „die „Gemeinschaft“, auch die Verfügungsgewalt darüber hat, was auch einschließen kann, dass sie alle möglichen privaten Unternehmen damit beauftragt, alle möglichen Dinge zu erledigen.“ (Benedikt Härlin) Denn was berechtigt Unternehmen -gleich ob sie ein Bezahlgut (Microsoft) oder einen bezahlfreien Dienst (google) anbieten, „über unsere Daten, unser Kommuniktions- und Informationsverhalten zu verfügen? Grundsätzlich nichts! „Es kann an Commons kein privates Eigentum geben, wohl aber können private Nutzungsrechte entstehen, aber nur wenn dafür eine Kompensation, eine Entschädigung über einen trust oder was auch immer erfolgt, an dem die Öffentlichkeit partizipieren kann.“, begründet Rainer Kuhlen diesen Grundsatz.
Für und wider Trusts
Der Bedarf an Konkretion ist -seit dem Ersten Salongespräch- groß. Daher werden die Beispiele existierender oder entworfener Institutionen für Commonsmanagement engagiert aufgegriffen: Beispiele: Alaska Permanent Fund oder Skytrust (ein Vorschlag globalen Commonsmanagements, den Peter Barnes vorgelegt hat). „…Peter Barnes folgend, würde man sagen: Lasst uns einen Trust aufbauen. Lasst uns diese öffentlichen Rechte an Wissen an einen trustee übertragen, damit er sie (die commons) erhält. Kann man das so anwenden?“ fragt Oliver Moldenhauer.
Aber wie kann man die Trusts legitimieren? Wie auf eine gesamtgesellschaftliche Ebene heben? (Antje Tönnies). Martin Rocholl kritisiert das als „idealistischen Gedanken“ à la: „Die Politik ist unfähig, das Ganze zu lösen, deshalb gründen wir einen Trust.“ Als treffendere Formulierung schlägt er vor: „Die Politik muss den trust schaffen und sie muss ihn kontrollieren.“
„Der Kern der Trustdiskussion ist weniger, dass trusts besonders gut sind, sondern der Sinn von trusts ist, die Langfristigkeit sicher zu stellen.“ Schließlich „haben wir ganz viele Institutionen, um die Zerstörung zu beschließen“, begründet Oliver Moldenhauer seinen Ansatz. Trusts müssen „irreversibel festlegen, dass nichts zerstört werden kann. … Die Einnahmen kann man dann … über die demokratischen Prozess verteilen.“ Sie müssen „schwer veränderbare Regeln für den Erhalt solcher Ressourcen beschliessen…. Ihre Aufgabe ist…, die Ressource als Commons zu erhalten und die Erträge in einem demokratischen Prozess an die Commonsbesitzer zu übergeben. (Oliver Moldenhauer)
Bertram Keller sieht in der Idee, „für alle möglichen Dinge unterschiedliche trusts zu haben, eine große Gefahr.“ „Es wird Kollisionen in den Zielen dieser Trusts geben.“ (Vgl. auch Alaska Permanent Fond, der mit Interessen des Klimaschutzes kollidiert). „Wenn das private Organisationen sind, wer regelt dann die Kollisionen zwischen den trusts?“ Trusts seien demnach nicht nur auf der Ebene der „Privatisierung der Institutionen“ zu diskutieren.
„Trust management ist letztlich Vertrauensmanagement.“ (Rainer Kuhlen) Die Debatte knüpft deshalb an die Prinzipienfrage: Wie sollen die den commons entnommenen Reichtümer oder das in trusts verwaltete Geld, verteilt werden? Diese Prinzipien und Ziele müssen aus der gesellschaftlichen Debatte kommen. „Die einzige Rolle des Staates und der Politik ist, dass die Prinzipien des Trustmangements eingehalten werden.“ (Kuhlen). Trusts sind genauso kritisch zu begleiten wie staatliche oder andere Institutionen des Commonsmanagements. (Silke Helfrich)
Demokratietaugliches Design von Institutionen des Commonsmangements
Wolfgang Kessler fürchtet, dass im Salon „ein Widerspruch zwischen den Zielen der Commons und der Demokratie im Raum steht. Man traut der Demokratie nicht zu, den Zugang, Schutz, das Teilen von Commons zu organisieren.“ Doch die Behauptung, „große Menschheitsprobleme an der Demokratie vorbei lösen zu wollen“ stand so nicht im Raum. Vielmehr geht es um eine Demokratisierung aller gesellschaftlichen Strukturen, nicht nur der politischen.
In der Tat -greift Christian Siefkes das Stichwort auf, sei die „Erfahrung der Commonsbewegung um Wissen und Kultur, dass immer mehr Wissen eingeschlossen wurde, immer mehr Gesetze zur Privatisierung der Commons erlassen wurden und die Sphäre der Commons immer kleiner wurde. Das war eine Bewegung, die vom Staat kam – den Lobbyisten folgend.“ (Christian Siefkes) Was nicht heißt: „Bloß weil der Staat schlecht ist, sind alle Commonsdebatten schon gelungen.“ (Hans Joachim Döring) Ebenso wenig alle Trustdiskussionen, die diesselben „Versteifungstendenzen oder Disfunktionalitäten“ aufweisen können wie die augenblickliche Politik, warnt Paul Willems.
Die anhaltende Kontroverse um die Demokratietauglichkeit des Commonsansatzes (verstanden als repräsentative parlamentarische Demokratie) greift Wolgang Sachs auf: „Es gehört zu den Grundprinzipien des demokratischen Aufbaus, dass er vielgliedrig ist.“, stellt er fest und fragt, ob die Diskussion um spezifische Commonsinstitutionen dies nicht weiterdenken müsse, also „Vielgliedrigkeit im staatlichen institutionellen Aufbau“ entstehen lassen muss, wo relativ unabhängige besondere Aufgaben erfüllt werden können.“ „Demokratie hat dann die Aufgabe, institutionbuilding zu betreiben und das Thema aus dem alltäglichen Entscheidungszwang etwas herauszunehmen.“
Vielgliedrigkeit ist ein gutes Stichwort – nicht nur bezogen auf den Staatsaufbau.
Einigkeit herrscht auch darüber, dass die Institutionen und Regelwerke dem spezifischen Charakter der Commons entsprechen müssen. (z.B. Wissensgüter – Freier Zugang, Materielle Güter – Zugangsbeschränkung), was zugespitzt bedeutet: So divers die Allmendsysteme selbst, so divers auch die Institutionen des Allmendmanagements. Es gäbe zum Beispiel keine demokratisch legitimierte „Weltregierung“ die der Menschheit über den Umgang mit der Atmosphäre rechenschafspflichtig wäre. (Lili Fuhr) Und es wird auch keine geben.
Rainer Kuhlen formuliert in diesem Zusammenhang die These, dass „es ein allgemeines Kriterien von Commons sei, dass sie nationalstaatliche Regulierungsfähigkeit übersteigen“. Der jeweilige Umgang mit Erdöl, mit dem Fischrauchtum der Meere und dem Wissen habe stets weltweite Folgen, die nicht mehr „auf nationalstaatlicher Ebene“ gelöst werden können.
Internationale Organisationen, die der Aufgabe gerecht würden, seien auch nicht in Sicht. Stattdessen formuliert Benedikt Härlin, Beobachter zahlreicher internationaler Verhandlungsprozesse im Rahmen der UNO, drastisch: „Auf dieser höchsten Abstraktionsebene… sind Missbräuche besonders leicht durchzusetzen. Ich … weiß, mit welch geringen Mitteln, man Dutzende von Staaten über den Tisch ziehen kann. Es gibt keine Kontrolle.“ Schon die
Vorstellung globale Commons „verwalten zu können“ sei vermessen. Wir müssen aber. Antwortet Christiane Grefe. So ist es.
Der Staat könne dabei eine positive Rolle spielen, wenn er auf die Bedürfnisse der Kümmerer eingehe, meint Christian Siefkes mit Verweis auf die Problematik des Zugangs zu Daten und Information in der Wissenschaft. Der Staat müsste open access für wissenschaftliches Wissen einfordern, nicht hinnehmen.
Besondere Synergieeffekte liesen sich dann erreichen, so der Grundeinkommensbefürworter Christoph Schlee, wenn „die Kümmerer nicht vom Staat abhängig wären.“ Denn genau sie „müssen diese Zieldefinition liefern, die die Parlamente, … nicht mehr im Stande sind zu leisten. Dabei sei noch völlig öffen, wie diese Kümmerergemeinschaften sich konstituieren, organisieren oder wie man sie organisieren kann. Ein wichtiges Stichtwort ist Selbstorganisation. Ein weiteres Diversität. Doch es gibt „verwaiste Allmende „ (vgl. Beitrag von Jörg Haas, Zweites Salongespräch), die darauf angewiesen sind, dass neue Formen und Institutionen des Allmendmangements -und damit neue „Kümmerergemeinschaften“- entstehen.
Begriffliche Unschärfen
Deutlich wird, dass -bis zum Schluss des Salongesprächs- unterschiedliche Begriffe im Raum stehen. Die Wikipedia sei ein gutes Beispiel dafür, dass „Commons noch keine Garantie für ‚im Besten öffentlichen Interesse‘ ist, meint Benedikt Härlin.
„Hört der Markt da auf, wo Commons anfangen? Unterscheiden wir hier Commons – da Markt? hier Kapitalismus – da Gemeinwirtschaft?“, fragt er und vermittelt ein Verständnis von Commons als spezifische Organisationsform oder spezifisches Verwertungsmodell. Als etwas, „wo jeder reinschreiben kann“ (Härlin über Wikipedia) „wo nicht gezahlt wird“. (Martin Rocholl)
Die Frage ist aber nicht: Markt oder Commons. Commons- und Marktsphäre schließen sich nicht aus.
Die Frage ist vielmehr: Wird jemand, durch die Realisierung von Gewinnabsichten und die Begrenzung von Zugangsmöglichkeiten zu Gemeinressourcen in seinem kreativen Handeln eingeschränkt? (Annette Mühlberg) Commons sind nicht umsonst. So wenig wie „Markt mit Bezahlen gleich gesetzt“ werden kann (Bertram Keller). Vielmehr wird das Konzept der „Commons erst dann umfassende Realität, wenn es auf dem Markt angekommen ist.“ (Rainer Kuhlen) Bertram Keller unterstreicht diesen Gedanken: „Genau dort ist die Commonsidee erfolgreich, wo sie das Marktprinzip mit nutzen kann und wo Institute geschaffen worden (wie CC Lizenzen), die diese Marktmechanismen produktiv nutzen.“ Wenn wir solche konkreten Institutionen anschauen, werden wir – das sehe ich ähnlich wie Betram Keller- „schnell wieder bei der … Möglichkeit, die Eigentumsstrukturen abzuändern“ landen. Diese Frage bringt und wird weitere Salongespräche prägen. Schließlich hängen Fragen der Eigentumsstrukturen eng mit jenen des institutionbuilding zusammen.
Rainer Kuhlen geht einen Schritt weiter und formuliert: „Dass man erst dann den Durchbruch mit Commons erzielen kann, wenn es Prinzipien einer Commons Based Economy werden. Wenn sich das wirtschaftliche Handeln selbst an der Haltung von Commons orientiert.“
Eine These, die den Befund abstrahiert, „dass sich am besten Geld mit Open Access verdienen lässt.“ (mehr dazu im Vierten Salongespräch.)
Im Versuch einer weiteren begrifflichen Klärung, stellt die Moderatorin die Frage, was in den jeweils diskutierten Fällen (Klima, Öffentlich Rechtliche, Wikipedia, Freie Software, Institutionen wie das Militär) das eigentlich Schützenswerte ist und plädiert dafür „die Organisationsform gewisser Dinge nicht mit der Essenz dessen verwechseln, worüber wir reden.„. Diese Essenz ist das „was uns allen zusteht, was uns allen gehört. Bei Medien ist es das Spektrum…. und das über Jahrtausende akkumulierte Wissen“, die Sprache. „Aber ob das zur Verfügung Stellen des Wissens in diesem oder jenem Modell organisiert wird, ist etwas, das konkurrierende Modelle miteinander auskämpfen. Es ist richtig, dass das bisherige Geschäftsmodell der Verwertung von Wissen durch die Wikipedia in Frage gestellt wird. Aber: „Das ist ein Sieg eines bestimmten Geschäftsmodells, nicht „des Commons„. (Anmerkung: Ich denke es müsste heißen: „Produktions- und Distributionsmodells“ statt „Geschäftsmodells“, welches allerdings auf eine spezifischen Haltung zu den Commons basiert. Eben, dass die Zugangsbarrieren für Wissen zu gering wie möglich sein müssen. Weil Wissen allen zusteht.)
Wir verteidigen nicht eine bestimmte Organisationsform, wir verteidigen unser Recht auf Zugang und Nutzung zu Gemeinressourcen, die schon da waren oder die kollektiv erzeugt worden sind.
Öffentliche Güter (wie die Öffentlich Rechtlichen) sind nicht dasselbe wie Commons. Natürlich leiten sich aus der öffentlichen Finanzierung von Dingen auch unserer Anspruchsrechte darauf ab. Aber auch aus der schieren Existenz und Funktion von Commons leiten sich Anspruchsrechte ab. (Silke Helfrich) Diese gilt es zu benennen. Dass dies nicht gelingt, weil Commons nicht als solche identifiziert werden, ist ein Grund dafür, warum viele „enclosure“ Prozesse der Gegenwart so weit voran schreiten konnten. (s.o. „das bisschen digitale Rechte“)
Es ist entscheidend, sich in der Commonsdebatte, die Organisations- und Verwertungsmodelle bewusst zu machen, und davon das eigentlich Schützenswerte zu unterscheiden, zu dem wir um Zugangs-, Nutzungsgerechtigkeit und Teilhabe streiten.
In der klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Herangehensweise hingegen werden „Commons als Spezialfall öffentlicher Güter“ gesehen. (Und -mit zahlreichen Widersprüchen behaftet- weitgehend entlang der Kategorien Exklusivität und Rivalität definiert.) „Öffentliche Güter zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass die Zugangsbeschränkung zu Ihnen besonders kostenintensiv oder schwierig“ herzustellen ist (Leuchtturm, öffentliche Sicherheit). „Öffentliche Güter sind m.E aber ein Teilbereich der Commons. Es sind die sozial/kollektiv erzeugten, öffentlich finanzierten und kontrollierten Commons. Nicht umgekehrt…. Ich sehe Commons als etwas Ererbtes und etwas kollektiv Erzeugtes.“ (Silke Helfrich) Etwas in seiner Funktion für Produktion von Nahrung, Kommunikation, Transport, Kultur, sozialem Zusammenhalt für alle Unabdingbares, das nur in enger Bindung zu den jeweiligen sozialen Gruppen fortleben kann.
„Der Emissionsrechtehandel ist m.E. kein Commons, sondern eine Institution, die das Commons schützen soll.“ Das Schützenswerte – die Essenz – ist die Stabilität der Atmosphäre und die Sorge der Menschen um eben diese. Genau so das Militär: dies ist kein Commons, sondern eine Institution zur Gewährung der Öffentlichen Sicherheit. Die Öffentliche Sicherheit (dieses Beispiel entspricht der klassischen Definition öffentlicher Güter) kann auch als Commons gesehen werden.
Dennoch, so der Befund von Wolfgang Sachs: „Ich höre Begriffe von Öffentlichen Gütern, Commons und Open Access, von denen ich ein anderes Verständnis habe. Wir müssten … diese Unterscheidungen für alle klarer treffen.“ Ich gehe davon, aus, dass er diese Beobachtung mit anderen TeilnehmerInnen teilt.
Zudem, so Sachs weiter „Fehlen uns noch die Geschichten. Die good practices.“ Insbesondere im sozialen Bereich und im Bereich des Managements lokaler natürlicher Ressourcen. Diese müssen wir aufspüren, um das Thema lebendiger zum machen und dessen enorme Alltagsrelevanz heraus zu arbeiten.
1 Notwendigkeit einer Gemeinschaft der Kümmerer – zumindest bei kollektiv erzeugten commons
2 Ch. Engel: Offene Gemeinwohldefinitionen in: Rechtstheorie 32 (2001) 23-52
3Ch. Engel: Ibid.
4John Hepburn; http://zmag.de/artikel/Die-Rueckeroberung-von-Allmenden-von-alten-und-von-neuen
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