Commons: Der Hack des Systems

discourse_commons_arts1Eine Nachlese zum Commons Festival in Graz, (für mich war das Elevate Festival „Elevate the Commons“ eben ein Commonsfestival :-)) ist nicht mehr nötig. Das hat Stefan erledigt, inklusive kleiner Linksammlung.

Was ich neben viel Lust, mit neuen Ideen, Texten und Menschen weiter zu denken, mitgebracht habe? Etwa Folgendes:

  • Gut herausgearbeitet wurde, dass Commons sowohl theoretisches Konzept wie (politische Alltags-) Praxis. No commons without comming, beschreibt das Massimo de Angelis. Er meint damit… diese enge -für den Gemeingüterbegriff konstitutive- Verknüpfung von Ressourcen und den Menschen, die sich über die Nutzung derselben irgendwie einigen müssen. Ich sage dazu immer „Commons sind nichts von uns Getrenntes.“, denn die Rede von den „Gemeinschaften die Gemeingüter brauchen und umgekehrt“ leidet an den Altlasten des Gemeinschaftsbegriffs im Deutschen. Allerdings, warnt Ronaldo Lemos: „Nicht zuviel denken: Wir dürfen den Moment nicht verpassen, politisch aktiv zu werden.“ Da ist was dran.
  • Die Praxis descommoning“ ist einfach, auch wenn das Konzept mitunter komplex und schwer zu durchdenken ist. Der Kongress war Ermutigung für eine lebendige und diverse Commonspraxis. 1. Schauen, was man selbst will oder was einem Spaß macht. 2. entsprechendes Feld der Betätigung im Umfeld identifizieren. 3. Mit anderen teilen/ aufbauen. 4. Gut fühlen. So sind viele spannende Projekte entstanden, einfach anfangen und das Projekt oder die Idee dann in der Praxis fortentwickeln. Es geht aber auch ganz individuell: Freie Software nutzen, alles Produzierte mit Freien Lizenzen versehen, oder wie David Bollier sagte: „Just think as a commoner and live the life of a commoner.“
  • Die Praxis der „commoners“ ist allerdings nicht immer politisch. Das ist mir zwar alles andere als neu, aber immer wieder erstaunlich. Viele Initiativen oder Projekte fokussieren zum Beispiel auf „Zugang“ (zu Ressourcen, z.B. Informationen, kulturellen Inhalten). Vor allem dann, wenn dieser Zugang gewinnversprechend ist. Damit wird die Idee der Commons bisweilen auf das Ausprobieren „neuer Businessmodelle“ reduziert. Commoning geht aber m.E. immer mit Zugangsdemokratisierung und Loslösung von Abhängigkeiten einher, was ein erheblicher politischer Unterschied zur Gegenwart ist. Zentrale Akteure des „commoning“ scheinen das aber gar nicht erwähnenswert zu finden. Für sie ist die Kategorie der Commons ein Mittel. Wofür, scheint nicht immer klar. Es gibt viel Dikussionsbedarf.
  • Das Konzept der Commons hebt die Trennung von Wirtschaft und Politik auf. Eine Gemeingütergerechte Gesellschaft bedarf mehr als traditioneller Politik, hat es aber auch nicht nötig, diese zu zerstören. Commoning umgeht politische und wirtschaftliche Praxen, die Gemeingüter (und damit sozialen Zusammenhalt) zerstören. Bestes Beispiel: Freie Software. Commons denken heißt gewissermassen, das demokratische System zu hacken, heißt Praktiken zu hacken, die Knappheit erzeugen, ausschließend sind usw.
  • Mitgebracht habe ich auch neue Antworten auf die Frage nach dem emanzipatorischen Gehalt des Commonskonzepts: Der Commonsdiskurs emanzipiert uns von alten Ideologien und engführenden politischen Strategien. Während z.B. die klassischen Auseinandersetzungen der Linken oder der Arbeiterbewegung im Wesentlichen auf Umverteilung abzielten, geht es hier um Veränderung der Sozialbeziehungen in der gesamten Sphäre der Produktion und Reproduktion. Es geht um das ganze Leben.

Die ReferentInnen des Abschlußpanels antworteten  auf die Frage nach dem emanzipatorischen Gehalt u.a.:

    • Commons emanzipiert uns von der Produktion der Knappheit (vgl. diesen Beitrag)
    • Commons emanzipiert uns vom Lauf im Hamsterrad und entzieht uns dem „Sachzwang“, die eigene Reproduktion immer auf Kosten der Reproduktion anderer zu vollziehen
    • Commons emanzipiert uns von der Entfremdung (de Angelis)
  • Etwas mehr Klarheit zum Verhältnis von Commons und Kapitalismus:
    • We are capital but also we are not: that means the frontline passes through us and through our relations.“ Wer uns vorwirft, den Kapitalismus abzuschaffen zu wollen, würde uns also vorwerfen, uns selbst abschaffen zu wollen. Stattdessen geht es um eine Transformation der Sozialbeziehungen im oben beschriebenen emanzipatorischen Sinn (so verstehe ich Massimo de Angelis)
    • Stefan Meretz hat das in seinen 7 Thesen (dazu später mehr) folgendermaßen formuliert: „Ohne Kapitalismus ist alles nichts, aber nicht alles ist Kapitalismus“ Kapitalismus ist eben nur ein Subsystem, mit dem eine gemeingüterbezogene Praxis permanent die Grenzen aushandeln muss.
      „Es ist keinesfalls so, dass der Kapitalismus alle unsere Lebensbedingungen herstellt. Er ist sogar noch nicht einmal mehrheitlich daran beteiligt. Nach Schätzungen von Carola Möller werden zwei Drittel aller notwendigen Tätigkeiten und Dinge, die wir für die Produktion unseres gesellschaftlichen Lebens benötigen, nicht in der Form von Waren… hergestellt. Der von der „Wirtschaft“ abgespaltene Bereich ist der überwiegende, und er wird überwiegend von Frauen gemacht. Es ist die „unsichtbare“ Grundlage, die andere Seite der kapitalistischen Verwertungslogik.“ Peter Barnes hat das mal die „schwarze Materie der Gesellschaft genannt.“
  • Klar geworden ist mir auch, dass in der Gemeingüterdiskussion weniger die Problembeschreibung (die Erosion der Ressourcen) eine Rolle spielen muss, sondern viel mehr die Visionen einer Gemeingütergerechten Gesellschaft. De Angelis, der sein neues Buch in einem Workshop vorstellte sagte dazu: „Commons is the articulations of the yeses and awareness of what we are up against.“

Was ist zu tun?

  • Wir sollten (endlich) wagen, zu Definitionen und klaren Abgrenzungen von anderen Konzepten (z.B. dem der öffentlichen Güter) zu kommen. Ein Wiki könnte hier Abhilfe schaffen. Vielleicht steht am Ende eine Allmende-/Gemeingüterdefinition in der Wikipedia, die es vermag, die vielen Perspektiven und Variablen zu bündeln und dennoch prägnant zu sein.
  • Wir brauchen eine Philosophie der Commons (keine Ideologie) – also Grundprinzipien, die gemeingüterbezogenes Denken klar umreissen und damit deutlich machen, welche Gesellschaftlichkeit wir wollen. (Siehe dazu auch diesen Beitrag).
  • Deswegen ist die in Graz entstandene Idee für eine informelle, internationale Strategiedebatte im Frühjahr 2009 wohl das Beste, was auf dem Elevate Festival aus Commonsperspektive entstand.

Ein Gedanke zu „Commons: Der Hack des Systems

  1. Pingback: Elevate-Schlossbergfestival — Resümee — keimform.de

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