Gestern war ich auf dem grünen Parteitag hier um die Ecke (Freunde meinten, ich solle Parteitag schreiben, weil BDK eh niemand versteht.) Nicht wegen der Debatten, sondern um „alte Bekannte“ und Ex-Kollegen zu treffen, hab` einige fast nicht wiedererkannt. Die Grünen sind reifer geworden, heißt es immer :-).
Den Bewerbungsreden von Roth und Özdemir habe ich dann doch gelauscht. Wollte wissen, wie sie das übliche Strickmuster bedienen. Die Parteiseele streicheln, die Regierung abwatschen, alle politischen Gegner mit einem druckreifen Satz bedenken, den Zustand der Welt bedauern und rüberbringen, dass man es irgendwie besser weiß. Ich verstehe das, das Problem ist nur:
Am Ende kommt immer dasselbe raus: …Es ist ein bisschen deprimierend. Die Lage ist schlecht. Sehr schlecht. Die Erfolge sind immer die eigenen. Ideen, wie die Lage zu ändern wäre, sind alle schonmal dagewesen. Man will alle Krisen gleichzeitig bekämpfen. Man will Regulierung. Man will Erneuerbare Energien. Man will Investitionen und sozialen Ausgleich. Natürlich. Das heißt jetzt Grüner New Deal.
Mir ist bloß der Neuigkeitswert entgangen, denn Regulierung, Erneuerbare Energien, Investitionen und sozialen Ausgleich wollen die Grünen schon solange es sie gibt. Also saß ich ein bisschen ratlos auf der Gästetribüne rum. Und ein bisschen deprimiert.
Ich hätte so gern eine Rede mit anderem Strickmuster. Eine, die es nicht nötig hat, die Zustände zu bedauern (das tut eh schon die halbe Welt – mich natürlich inbegriffen). Eine, die darauf verzichtet, die politischen Gegner hübsch nacheinander klein zu hacken. Eine die neue Ideen wagt und nicht alte Ideen neu wandet. Eine die sagt, wie es morgen sein soll. Eine, die Vergnügen macht, weil die tausend Ansätze, Keimformen und Initiativen, die die Welt von morgen schon heute auf die Beine stellen, Hauptgegenstand dieser Rede wäre. Eine, die Phantasie und Kreativität mobilisiert. (So wie die Obama Kampagne das hingekriegt hat – auf die sich die BDK übrigens in höchst merkwürdig unpolitischer Weise bezog.)
Ich hätte gern eine grüne Vision, die ansteckt. Statt eines Grünen New Deal. Der ist auch wichtig, aber eben nur das Instrument.
Gestern habe ich auf die häufig gestellte Frage, „was ich jetzt eigentlich mache“, in unzähligen Varianten von den Commons erzählt. Und immer passiert das Gleiche: Den Leuten fallen Beispiele aus ihrem Umfeld ein, sie beziehen sich positiv auf die Grundidee der Commons und sie sagen am Ende immer: „SPANNEND“. Obwohl es viele deprimierende Nachrichten rund um die Commons gibt – das Thema hat was ansteckendes.
Das Schöne ist, dass es Vergnügen macht, Dinge als Gemeingut (als Commons) zu entdecken. Wem gehört die Stille? Warum war Robin Hood der erste commoner, der Eingang in die Literatur gefunden hat? Für wen arbeitet Dein Computer? Sind nicht DRM Technologien in der IT, was die Terminator Technologien für das Saatgut ist?
Es macht Spaß, ein neues Licht auf uralte Konflikte zu werfen und mitzukriegen, dass da draußen -nicht in den Parteien- eine Bewegung entsteht, die Gesellschaft transformiert. Ich nenne sie Allmende- oder Commonsbewegungen.
Für mich sind die Commons so eine Vision. Eine, die es gestattet, die Welt wieder anders zu entziffern und eine die es gestattet, viele inspirierende Praxen in den Blick zu nehmen. Ich kriege doch tatsächlich immer leuchtende Augen, wenn ich Zeit habe -so wie gestern- jemandem meine Idee von den Commons zu erklären (andere mögen andere haben). Mit dem Koordinator der Europäischen Grünen war ich nach 15 Minuten übereingekommen, dass ich ihm ein paar Bücher schicke und wir vielleicht eine Commonsdebatte in Brüssel anstiften. Immer wenn von Commons die Rede ist, entsteht eine neue Idee.
Ich bin also am Ende ganz zufrieden aus Erfurt zurückgekommen.
Übrigens: wir wissen will, wie es auf der BDK zuging, kann bei den Livebloggern mitlesen. Zum Beispiel hier oder hier oder hier. Malte Spitz, ein ganz junges Mitglied des Bundesvorstandes, hatte die Idee, einige Blogger die BDK begleiten zu lassen. Schön, dass Malte -der offenbar viel an die Zukunft denkt- auch im Politischen Salon „Zeit für Allmende“ mit von der Partie ist. Commons sind eben ein Thema der Zukunft und damit das Richtige für Leute, die viel über die Zukunft nachdenken. Bei den Grünen gibt es davon eine ganze Menge.