P2P habe ich den Hinweis auf dieses Interview mit Michael Hardt zu verdanken. Hardt und Negri stellen in ihrem neuen Buch „Common Wealth“, die Commons als Alternative zu Kapitalismus und Sozialismus vor. Das wird dem Thema mit einiger Sicherheit Aufmerksamkeit verschaffen. Und Kontroverse.
„Wir brauchen Alternativen zu dem Gedanken, dass unsere einzigen Optionen entweder privates oder öffentliches (i.e.) staatliches Eigentum sind.“
So beginnt das Interview, und so begann auch Hardts Präsentation … auf dem Europäischen Weltsozialforum in Malmö (Sept.08). Hier kann man die ganze Veranstaltung miterleben, wenn man gern englisch hört und viel Zeit hat.
Mir wird ja immer etwas unbehaglich, wenn Commons mit einen spezifischen Eigentumsregime gleichgesetzt werden, aber vermutlich ist das schlicht ein „Funke“ der zündet.
sorgsam scheinen Hardt und Negri mit Ideen-und Begriffsgeschichte nicht umzugehen, wenn ich die Kritik an „Multitude“ richtig deute. Als die beiden die Arbeit an Multitude beendet hatten, fanden sie, dass der Begriff der Commons zwar zentral, „aber noch nicht hinreichend entwickelt war„. Also entstand aus der Beschäftigung mit den Commons ein neues Buch. Commons Wealth wäre sowas wie „GemeinGutLeben“, die Idee des Wohlstandes, der auf Commons gründet. Gute Idee.
Hier ein paar Zitate aus dem Interview:
„Es geht in diesem Buch nicht nur um eine Sache – sondern am Ende geht es um ganz viele Dinge – unser Ausgangspunkt sind eben die Commons. … Wir glauben, dass wir die Tendenz haben, dass uns nicht nur die Idee des Privateigentums, sondern auch die des öffentlichen Eigentums einlullt und verhindert, dass wir noch über Altenativen zu privatem und öffentlichem Eigentum nachdenken. Aber vieles auf der Welt ist noch common. Darüber wird gerade sehr viel geredet.“ (Wenn sie hier Common sagen, meinen sie vermutlich Gemeineigentum.)
Hardt verdeutlicht am Beispiel der Sprache, warum beides – Privat- und öffentliches Eigentum – ein Problem ist. Das Eine sei bezogen auf die Sprache schlicht undenkbar, das Andere würde jegliche sprachliche Innovationskraft zerstören. (Siehe das Gedankenexperiment „Wenn Sprache kein Common wäre….„) Das gleiche gelte für das Internet.
Eine zentrale Idee der Autoren ist, dass sich die Mechanismen der immateriellen Produktion – also der Produktion von Ideen, Information, Code (auch Codes des Lebens), aber auch von Bildern, Begriffen und sozialen Beziehungen zunehmend ausweiten werden.
„One of the hypotheses we try to develop is that this mode of production is becoming dominant today, in the same or similar way that industrial production was in an earlier era. All of those products are tendentially common. It is not that you can’t privatize information or knowledge, that happens all the time, but that a) they are difficult to privatize or make public because they are infinitely reproducible, and b) they loose their productive capacity when they are privatized.“
Sie wollen daher Commons als Institution in den Blick nehmen – jenseits des Privateigentums (Kapitalismus) und des staatlichen Eigentums (Sozialismus). Wenn sie das ernst nehmen, müssen sie sich durch eine Unmenge historischer, sozialwissenschaftlicher und interdisziplinärer Studien gewühlt und schnell festgestellt haben, dass „commonsbasierte“ Lebens- und Wirtschaftsformen eine Unmenge von Institutionen und auch eine Unmenge von Eigentumsformen kennen – durchaus auch Mischformen mit Privat- oder Staatlichem Eigentum.
Ich teile die Analyse, das Privat- und Staatseigentum sich häufig miteinander „gemein gemacht“ haben. Die Marktliberalen haben sich ja genau darauf verlassen können, dass der Staat in Krisenzeiten einspringt, bestimmte Risiken absichert und in guten Zeiten „rückprivatisiert“.
Trotzdem ist eine Eigentumsform nicht per definition gut oder schlecht. Die Frage ist vielmehr, welche Eigentumsform wem gestattet was womit zu tun und was nicht. Die Frage ist auch, wie die konkreten Sozialbeziehungen gestrickt sind und die jeweiligen Machtverhältnisse aussehen, um Schranken im Zugriff auf die Gemeingüter auch wirklich durchzusetzen.
Mir jedenfalls kommt die Idee, „Commons als soziale und rechtliche Instanz des Commun-ismus“ (Sic!) auf der Ebene der Eigentumsverhältnisse klein zu kochen, doch etwas merkwürdig vor.
Richtig finde ich hingegen folgenden Gedanken:
„Part of the challenge is to recognize how multiplicity and the common are not only compatible, but also mutually necessary, rather than being conflictive. Because normally one thinks of unity and difference as being alternatives; you either have one or the other. Whereas we think that commonality and multiplicity are philosophically complementary.“
Wichtig finde ich auch, das Konzept der Commons mit einer neuen Idee von Souveränität zu verschränken, die nicht dem herunter gewirtschafteten Souveränitätsverständnis von Nationalstaaten in Konflikten entspricht.
„So we have to create a new concept of sovereignty, or maybe a different word than sovereignty, that allows us to think this collaboration of powers, of political and economic dominant nation states with corporations and international economic institutions. But this doesn’t mean that nation states are not important, nor that the US isn’t important as a force of domination, or that Bolivia isn’t important as a demarcation of lines of defence, is just means that they have to be considered in a larger framework.“
Fazit: Man darf auf das Buch skeptisch gespannt sein.
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