Bundesumweltminister Sigmar „Gabriel ist … alles andere als einverstanden mit der vom Bundesforschungsministerium genehmigten „Polarstern“-Expedition.
… schreibt gestern die Märkische Allgemeine zu diesem gewagten Experiment der Ozeandüngung.
„In einem Brief an die „geehrte Frau Kollegin“ fordert er (Gabriel) Bundesforschungsministerin Annette Schavan auf, „sicherstellen zu lassen, dass das Projekt des AWI unverzüglich gestoppt wird“. Das Vorhaben „untergräbt Deutschlands Glaubwürdigkeit und Vorreiterrolle beim Schutz der Biologischen Vielfalt“, so Gabriel.
Die ETC Gruppe berichtete vorab, dass Dr. Victor Smetacek, einer der führenden Wissenschaftler der LOHAFEX Expedition, auf Anfrage mitgeteilt hatte, dass sie über die „explizite Erlaubnis der deutschen und indischen Regierung, das deutsche Umweltministerium inbegriffen“ verfüge. Daraufhin hagelte es Protest.
Der Spiegel schreibt, dass nach Aussagen von Staatssekretär Frieder Meyer-Krahmer, das Vorhaben zwar „eigentlich“ im Einklang mit allen politischen Forderungen zur Ächtung einer Ozeandüngung stehe, das BMU aber gleichwohl das Alfred-Wegener-Institut gebeten habe, „das Experiment so lange auszusetzen, bis uns eine Stellungnahme zur Unbedenklichkeit der Untersuchungen vorliegt.“
Mein Tipp: Solche Stellungnahmen das nächste Mal vorher einholen!
Die Faz rechnet nicht damit, dass die Expedition noch gestoppt wird. Der Fazblog weist zwar auch auf das CBD de facto Moratorium zur Ächtung der Ozeandüngung hin, der Beschluß erlaube aber prinzipiell Experimente auf kleiner Fläche in Küstennnähe.
Was ist nun eine kleine Fläche? 300 Quadratkilometer, bei denen es vermutlich nicht bleiben wird? Solche Experimente sind ja oft Einfallstore für das nächste und das nächste und das nächste… „für die Bekämpfung des Klimawandels notwendige“ Experiment. Mit einigen Dingen -u.a. den biologischen Prozessen der Erde- sollten aber möglichst keine Experimente gemacht werden.
Außerdem bestätigt Ulrich Bathman, Forscher des experimentierfreudigen Alfred-Wegener-Instituts, dem Spiegel, dass
„der Versuch das bisher größte künstliche Düngungsexperiment überhaupt wäre.“
Man erfährt zudem in der FAZ, trotz der eindeutigen Pro-Expedition-Position, dass die Düngung der Meeresoberfläche mit Eisensulfat nicht nur aus Perspektive von Umweltschützern, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht heftig umstritten ist:
„Die Frage ist vor allem, welche ökologischen „Kollateralschäden“ das tonnenweise Ausbringen von Eisenverbindungen mit sich bringen könnte und wie sinnvoll die Maßnahme überhaupt im Hinblick auf den Klimaschutz ist. Denn die Idee, durch die Düngung riesige Phytoplantonblüten hervorzurufen, entsprechende Mengen Kohlendioxid im Algenmaterial zu binden und durch Abrieseln des abgestorbenen Materials auf den Meeresgrund quasi geologisch als dauerhafte Kohlenstoffsenke zu entsorgen, diese vergleichsweise einfach scheinende Lösung könnte nach Ansicht einiger Umweltschützer die Bereitschaft bei einigen Ländern zu drastischen Emissionsreduzierungen erheblich schmälern. Zudem waren die Experten nach den bisher fünf aussagekräftigen Düngungsexperimenten zu keinem einheitlichen Urteil gekommen, was das Nutzen-Risiko angeht.“
Ansonsten die im Fazblog veröffentlichte Position: Ohne Experimente keine Klarheit. Vom precautionary principle hat der Autor, Joachim Müller-Jung, offenbar noch nicht viel gehört. Mal ganz abgesehen davon, dass sich CO2 Emissionen auch durch so einfache Dinge wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, weniger Individualverkehr u.v.m. reduzieren liesen. Aber dafür fehlt ja dann immer der politische Wille.
Foto: plankton, on flickr by Simon
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Auch hier muß die Devise gelten:
„Forscht bis ihr wisst!“
LOHAFEX ist ökologische Grundlagenforschung und wichtig für das Verständnis des Systems Erde. Es ist ein großes wichtiges Experiment, aber kein Großexperiment mit globalen Ausmaßen. Untersucht werden sollen grundlegende ökologische Prozesse.
Schaut selbst: Hier sieht man die natürlichen Algenblüten
http://oceancolor.gsfc.nasa.gov/cgi/browse.pl
Wer mehr wissen möchte sucht bei GOOGLE unter „biologische Pumpe“ und verstehen, wie wichtig diese Art von Forschung ist.
Beste Grüße
Manfred Schloesser
@Grantzau;
Es wäre wunderbar, wenn Forschung neutral wäre. Dem ist aber leider nicht so. Eine Zahl, die mich z.B. im Medikamentenbereich beeindruckt:
Bald 13 Millionen Menschen sterben jährlich an – oft armutsbedingten – Krankheiten, die eigentlich behandelbar wären: Tuberkulose, Malaria, HIV/AIDS und anderen. Jeden Tag sterben irgendwo auf der Welt etwa 6000 Menschenan TBC! Das älteste TBC Medikament an dem geforscht wurde ist etwa ein halbes Jahrhundert alt. Die Patientinnen sind zu arm. Das Forschungsinteresse ist „erlahmt“.
Die Faustregel: es fließen lediglich 10 Prozent der Aufwendungen für Gesundheit in Krankheiten, unter denen 90 Prozent der Menschen leiden; und nur 10 Prozent der weltweiten Forschungsgelder im biomedizinischen Bereich werden für die Entwicklung von Medikamenten für Krankheiten eingesetzt, unter denen 90 Prozent der Menschen
leiden. (Das kann man in Forschungsberichten von Ärzte ohne Grenzen nachlesen.)
Es geht eben allzu oft um andere Dinge als die Erkenntnis! Das ist das Problem und das ist der Verdacht, der sich auch hier einschleicht. Der muss ausgeräumt werden und dafür braucht es eine kritische Öffentlichkeit.
Ich würde Ihren Slogan gern ergänzen: Forscht bis ihr wisst, aber nicht zu jedem Zweck und nicht zu jedem Preis.
Wir wissen nämlich schon eine ganze Menge, u.a. wie wir CO2 Emissionen senken können. Es tut nur niemand.
Oben wird das precautionary principle als Einwand gegen dieses wissenschaftliche Grundlagenexperiment angeführt. Aber: das precautionary principle ist incoherent: auf beiden Seiten (tun oder nicht tun) bestehen Risiken, u. das p.p. gibt keinerlei Anleitung, wie man zwischen diesen wählen soll. Insofern ist es Quatsch, das p.p. als Einwand gegen ein Experiment anzuführen, dass genau dazu dienen soll, genaueres über Nutzen Und Risiken der Eisendüngung herauszufinden. (Weshalb dieses Experiment auch etwas ganz anderes ist, als die verschiedenen – zu recht gestoppten – privaten Eisendüngungs-Initiativen, die lediglich darauf abziehlten, Emissions-reduktions-zertifikate zu verhökern (und auch von den mir persönlich bekannten Lohafex-Wissenschaftlern vehement abgelehnt wurden).
Kritische Öffentlichkeit: ist zwar prinzipiell wunderbar, nur wird es problematisch, wenn sie sich zu Themen äussern soll, bei denen man ohne PhD im relevanten Fachbereich schlicht nicht differenziert mitreden kann.
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