Nein, es ist nicht normal, dass ein Ministerium das andere öffentlich kritisiert. Doch das öffentliche Bedauern des BMU über eine Entscheidung des BMBF hätte deutlicher kaum ausfallen können. Die Fahrt der Polarstern zum größten Eisendüngungsexperiment auf offener See wird NICHT gestoppt. LOHAFEX heißt die Operation, zu der ich bereits hier, hier, hier und hier gebloggt habe.
Eine ausführliche aktuelle Darstellung bei heise. Daraus geht hervor, dass das beauftragte Forschungsinstitut selbst (AWI) – nicht etwa eine unabhängige Instanz – mit seinen Gutachten das BMBF überzeugen konnte. Ich bin immer wieder verblüfft, wie Wissenschaftler sich hinter dem Argument der „Wissenschaftlichkeit“ der Debatte um Zweck und Missbrauchspotentials ihres Tuns entziehen.
Das BMU teilt dazu mit:
„Unsere Vorbehalte gegen LOHAFEX bestehen fort, solange nicht …
abschließend geklärt ist, ob dieses Projekt mit den Beschlüssen der 9. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) vereinbar ist. Aus Sicht des BMU ist dies nicht der Fall, da die Versuche nicht in Küstengewässern durchgeführt werden und auch eine unabhängige Kontrolle des Experimentes nicht sichergestellt ist. Außerdem wies die „Risikoanalyse“ aus Sicht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) noch Lücken auf, die abzuklären gewesen
wären.“ …
„International ist der Ansatz der Meeresdüngung höchst umstritten... So weisen sowohl der Interstaatliche Rat zum Klimawandel (IPCC) als auch der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU), … in ihren Gutachten wiederholt darauf hin, dass die Risiken der Meeresdüngung im Hinblick auf die mittelbaren Folgen für die Meeresökosysteme schwer abzuschätzen sind und lehnen diese
daher ab.“
„Auch in indischen Medien wird das Projekt teilweise als Einstieg in einen lukrativen Milliardenmarkt gesehen. Für das BMU ist es ein fataler Ansatz, den Klimawandel durch ein Herumdoktern an unseren Meeresökosystemen aufhalten zu wollen. Dieses unwissenschaftliche Denken hat unmittelbar in die Klimakrise geführt und taugt nicht zu ihrer Lösung.“ (Herv. von mir)
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Diese Lohafex-Geschichte hat dem Commonsblog etliche neue LeserInnen und interessante Kommentare verschafft, u.a. folgenden Hinweis von NM,
„Kritische Öffentlichkeit: ist zwar prinzipiell wunderbar, nur wird es problematisch, wenn sie sich zu Themen äussern soll, bei denen man ohne PhD im relevanten Fachbereich schlicht nicht differenziert mitreden kann.„
Mal abgesehen davon, dass sich die kritische Öffentlichkeit gar nicht äussern soll (das ist ja das Problem!), sondern sich ungefragt äußert, weil sie sich äußern will; ich verstehe da: Seid still, wenn Ihr keinen Doktortitel in Biologie habt! Hoffe, ich habe da was falsch verstanden, denn daraus spricht nicht gerade eine demokratische Grundüberzeugung. (Im IPCC, WBGU und sicher auch im BMU gibt’s übrigens Unmengen von PhDs in relevanten Fachbereichen.)
Ich sage trotzdem als Bürgerin ohne Doktorhut in Biologie und als commoner – denn auch mich geht die Integrität der Ökosysteme was an, auch ich ebe auf dieser Erde – dass ich die Zweifel des BMU angemessen finde. Und ich begrüße, dass ein Ministerium das andere öffentlich kritisiert.
Die Polarstern fährt aber trotzdem weiter!
Nachtrag vom 29. Januar: Hier der Link zur Mitteilung der ETC Group. Sie machen heute Nachmittag eine Veranstaltung auf dem WSF. Da wird das Thema sicher intensive diskutiert. Vielleicht schaffe ich es, davon zu berichten.
foto on flickr by Bertelsmann Stiftung
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