Geopiraterie: die Allmendnutzung der Geostrategen

Die „Plünderung des traditionellen Wissens“ über ihr Territorium nennen zapotekische Organisationen wie UNJOSCO Geopiraterie.  Sie protestieren gegen das seit 2006 laufende Projekt México Indígena der American Geographical Society in den Bergen von Oaxaca. Die Auseinandersetzung hat zu einer internationalen Polemik über die Ethik der Sozialforschung in indigenen Gemeinden geführt.

UNJOSCO fürchtet, dass die Geographen aus Nordamerika, die laut Projektbeschreibung ein „digitales menschliches Territorium“ entwickeln wollen,

„die Bedeutung traditionellen Wissens der indigenen Bevölkerung sehr gut kennen und eben deshalb so daran interessiert sind, das Wissen über das Territorium zu studieren, um danach entsprechende außenpolitische Entscheidungen zu fällen.“

Es regiert das Misstrauen. …Und es wird fleißig genährt, denn der Chef des Projekts, Prof.  Peter Herlihy von der Universität Kansas, versäumte, rechtzeitig zu erwähnen, dass das Vorhaben von Foreign Military Studies Office (FMSO) der US-Armee kofinanziert wird. Zudem hat es Probleme mit dem völkerrechtlich verankerten prior informed consent (PIC = vorherige Zustimmung nach Inkenntissetzung) gegeben.

Nach der UN-Deklaration der Rechte indigener Völker von 2007 müssen indigene Gemeinden Projekten und Forschungsvorhaben in ihren Territorien explizit zustimmen. Australien, Kanada, Neuseeland und die Vereinigten Staaten hatten damals gegen die Deklaration gestimmt. PIC heißt in der Praxis oft: Eine Gemeinde stimmt zu, die andere nicht – die Erwartungen und Informationen, Versprechungen und Verwirrungen sind jeweils unterschiedlich. Nichts selten steht am Ende ein politisches Zerwürfnis zwischen den Gemeinden.

UNOSJO glaubt, dass die so genannte Bowler Studie nicht nur geographischen und antrophologischen Erkenntnisgewinn bringt, sondern zu militärischen Zwecken verwendet werden könnte. Auch die Mitarbeit des Rüstungsbetriebs Radiance Technologies sei dafür ein Indikator. Weder die Logos von FMSO noch von Radiance Technologies  erschienen in den Projektpräsentationen. Die comunidades fühlen sich getäuscht.

Sie fordern den Stopp des Projekts. Die indigene Bevölkerung solle selbst entscheiden, wer worüber mit welcher Methode in ihren Territorien und über sie forscht. Sie wollen sich nicht nur als Studienobjekte fühlen. Und sie wollen, dass ihr Wissen so eingesetzt wird, dass es den comunidades vor Ort nützt und nicht den wirtschaftlichen oder außenpolitischen Interessen Dritter.  Stattdessen treibt die Sorge, dass die Daten ihrer Gemeinden letztlich im WBIL, der World Basic Information Library des US-Militärs landen könnten, die Zapoteken um. Die WBIL nennt sich übrigens open source, aber Zugang haben letztlich nur Militärs und kooperierende Forschungsinstitutionen.

Der „Einhegung der Commons“ geht also nicht nur die Fragmentierung, sondern auch die „Kartierung der Welt und des Wissens“ voraus und eine Datensammelwut, die ihresgleichen sucht.

foto: Picking medical Plants (Sierra Norte, Oaxaca) on flickr by soupshow

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