Am 19.02. hat in Berlin das Fünfte Interdisziplinäre Salongespräch „Zeit für Allmende“ stattgefunden. Das Thema: Commons und Eigentum. Die Thesen, mit denen wir in das Gespräch eingestiegen sind, habe ich hier schon veröffentlicht. Die Audios vom Salonstart finden sich auf Netzpolitik und hier folgt die Dokumentation.
Im Nachdenken über das Salongespräch habe ich einen Zweiseiter produziert, mit Schwerpunkt auf der Eigentumsfrage. Vermutlich werden wir daran im Salon und an anderen Orten weiter arbeiten. Ich freue mich auf Kommentare.
Gedanken zum Fünften Salongespräch: „Zeit für Allmende“ , Berlin, den 19.02.2009
Commons (Gemeingüter) sind unser gemeinsamer Reichtum. Sie sind Voraussetzung für ein Leben in Freiheit.
Commons gründen auf materiellen und geistigen Dingen, die das Menschsein ermöglichen und das Leben lebenswert machen. Wir sind von ihnen umgeben, leben mit und in ihnen – oft ohne uns dessen bewusst zu sein…. Commons entstehen und vergehen in unserer täglichen Praxis. Sie verbinden Dich und mich. Sie sind Kitt der Gesellschaft und Unermessliches wert. Commons sind Räume, die uns prägen und die wir gestalten. Lebensbereiche, die Sinn stiften. Sie sind nicht einfach die uns umgebenden Dinge. Nicht Wasser und Wald, Saatgut und Software, Kulturtechniken und Kommunikationsinfrastrukturen als solche. Denn Commons gedeihen nur indem wir uns um sie sorgen. Dadurch tragen sie uns
Commons sind vielgesichtige, faire und visionäre Formen des gemeinsamen Umgangs mit den uns umgebenden Dingen.
Deswegen müssen alle Eigentumsformen – unabhängig vom Eigentümer – den Commons verpflichtet sein. Eine solche Commonspflichtigkeit des Eigentums ist Respekt vor den Menschen (den commoners in ihren Gemeinschaften) und Respekt vor den Dingen. Was ererbt oder gemeinsam geschaffen wurde, ist an lebendige soziale Räume gebunden. Nicht stören und nicht zerstören, so die wertvolle Formel des Jedermannsrechts.
Der Begriff des Eigentums wird nicht aufgelöst, aber grundlegend neu ausgerichtet. Eigentumsbegriffe sind immer sozial konstruiert. Daher können wir sie umbauen. Jegliche Form von Eigentum ist daran zu messen, ob sie dem gut tut, was uns heute und morgen (ver-)bindet. Gleich ob Landschaft oder Kultur, ob die Luft die wir atmen oder die Energie die wir tanken, ob die Ergebnisse der Forschung oder die der Zucht von Pflanzen und Tieren. Doch wir müssen nicht nur die Begriffe ändern, sondern auch den praktischen Umgang mit den Gemeingütern. Dem stehen machtvolle Interessen für die ausschließliche (private) Nutzung der Dinge entgegen.
Eigentumsrechte können nie exklusiv sein, denn jede individuelle Nutzung beinhaltet stets einen Rückgriff auf Dinge, die „uns gehören“. Mit meinem handy funke ich durchs gemeinsame elektromagnetische Spektrum. Mein Auto verbraucht die gemeinsame Luft. Das Haus steht rechtlich auf „meinem“ Grund und Boden, doch die Erde ist nur eine, unsere. Ein markanter Einfall kennzeichnet „mein“ Werk. Doch ich schöpfe nicht aus dem Nichts, sondern aus dem Schatz der Wissensallmende. Die Rechte der Allgemeinheit an der Nutzung des Spektrums, der Luft, der Erde und der Wissensschätze sowie gemeinsam entwickelter und bezahlter Leistungen sind die Stoppschilder der individuellen Nutzungsrechte. Diese Stoppschilder werden seit langem -systematisch- überfahren. Insbesondere von jenen, die Natur und Kultur zu Geld machen.
In Gedanken und Gesetzen hat sich ein Kurzschluß breit gemacht: Individuum, Freiheit und Eigentum (missverstanden als absolutes Verfügungsrecht über die Dinge) erscheinen aneinander gekettet. Und in dieser Form verbinden sie sich zu einem Glücksversprechen. Dieser Kurzschluß ist einer der Neuzeit. Er hat sich als Fehlschluß erwiesen. Er hat zum Überfahren der Stoppschilder und zur Erosion der Commons beigetragen. Wo aber Commons erodieren, wo die Nutzbarkeit von Wasser und Saatgut schwindet, oder der Genuss städtischer Plätze als Ort der Begegnung und Inspiration, wo es verlässliche dezentrale Verwaltungs-, Finanzierungs- und Kreditsysteme nicht gibt, dort entstehen Abhängigkeit und Ohnmacht. Das soziale Gewebe reißt. Und das wiederum reißt die uns umgebenden Dinge in den Abgrund.
Doch es gibt etwas Neues. Überall in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wächst die Idee der Commons zum umfassenden Organisations- und Gestaltungsprinzip. Die commoners werden die Verfügung über die Schätze der Natur und der Kultur nicht ausschließlich der Willkür Einzelner überlassen. Denn wer die Macht über die Dinge hat, bemächtigt sich der Produktion, der Forschung und Entwicklung, der Märkte und schließlich der Menschen selbst. Diese Konzentration von Macht ist der Idee der Commons entgegengesetzt. Commons sind Räume der Gegenseitigkeit und der Vielfalt. Daraus entsteht – wenngleich nicht konfliktfrei- gemeinsame Verantwortung für und teilhabende Kontrolle über das, was uns gehört.
Menschen in aller Welt wehren sich gegen die Risse durch das Netz, das sie trägt. Sie richten sich gegen die Entwendung ihres gemeinsamen Reichtums über absolute Verfügungs (Eigentums-)rechte Einzelner. Sie wehren sich gegen Staudämme und Projekte der Bergbauindustrie, gegen die Verwandlung von Bildungseinrichtungen in Betriebe, gegen die Übernahme der Kosten von Krisen, die sie nicht zu verantworten haben. Sie organisieren sich, schaffen gemeinsame Orte zum Leben und Arbeiten, initiieren unzählige lokale Umweltinitiativen, produzieren freie Software und freies Wissen. Kurz: Sie schaffen neue Commons – statt den Monsantos und Microsofts dieser Welt als KonsumentInnen zu dienen. Die neuen Allmendbewegungen stehen für ein selbstbestimmtes und kreatives Leben.
Dort aber, wo Konzerne sich der Natur, der Kreativität und der sozialen Gemeingüter bemächtigen -was immer eine unrechtmäßige Aneignung ist- sind sie zur Entschädigung und Wiedergutmachung verpflichtet. Bedingungslos. Es gilt das Prinzip: Niemand darf der Allmende mehr entnehmen, als er an sie -und damit an die Gesellschaft- zurück gibt. Deswegen ist es so wichtig, Commons als solche zu benennen.
Die Konzerne -die Fürstenhöfe der Neuzeit (M.Welding)– brauchen Commons, um in Zukunft noch Geld zu verdienen. Die Menschen brauchen Commons, um zu (Über-)Leben. Das ist der wesentliche Unterschied. Er begründet, warum die Nutzungsrechte der commoners -gleich ob einzeln oder gemeinsam- immer höher zu bewerten sind als die Nutzungsrechte der Unternehmen.
Das Recht in seiner gegenwärtigen Form bietet viele Anknüpfungspunkte zur kreativen Wende des zerstörerischen liberalen Eigentumsbegriffs. Richard Stallmann hat das Urheberrecht genutzt und für die Freiheit der SoftwarenutzerInnen fruchtbar gemacht (GPL). In gleicher Weise sind zahlreiche Rechtsformen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nutzbar, um den Umgang mit den gemeinverfügbaren Dingen so zu gestalten, dass sie dem Verwertungsdruck entzogen werden. Die Neuausrichtung der Idee des Eigentums wird sich verbinden mit einer neuen Art der Gesetzgebung, Rechtssprechung und Ressourcennutzung, denn den Commons ist dringend der Wert zuzuerkennen, den sie für unser Leben haben.
Das Eigentumsrecht kann durchaus dienen, um die Commons der Vernutzung und Privatisierung zu entziehen. Das Grundgesetz bietet mit Artikel 14.2 (Eigentum verpflichtet), Artikel 15 (Vergesellschaftung) und Artikel 20a (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) wichtige Instrumente.
Es ist an uns, die gesellschaftliche Kontrolle über unseren gemeinsamen Reichtum zu erstreiten.