Kernpunkte einer Vision der Commons

Schützenhilfe gefragt. Oder neudeutsch: Peer-Review. Ich sollte gerade „ganz schnell“ einen Artikel schreiben. Der ist sogar schon fertig, und ich bin zufrieden. Darüber hat sich allerdings eine Diskussion ergeben, wie man eigentlich eine „Vision der Commons“ formuliert. In welche Worte man das Zukunftsweisende bringt? Eigentlich bin ich mehr mit übersetzen, rezipieren, kommentieren, beschreiben, moderieren und vernetzen beschäftigt, als mit dem Formulieren von Visionen. Aber hier mal ein paar Ideen. Ergänzungen, Kommentare und weitere Visionen hocherwünscht.

Kernpunkte einer Vision der Commons

* Statt uns in unzähligen Konkurrenzen zu verbrauchen ist es notwendig, alle unsere Energien und Talente, alle Ressourcen und Institutionen direkt auf die Gemeingüter und deren Kern zu richten: auf die Wertschätzung und Förderung von kreativer Entfaltung und sozialer Reproduktion.

* Statt ein Handeln zu tolerieren, das die Existenzbasis anderer Menschen einschränkt oder gar vernichtet, sollte Anerkennung und materielle Förderung primär jenen Aktivitäten gelten, die gemeinschaftlich verfügbare Ressourcen generieren, pflegen und vermehren.

* Statt Privilegierung von Eigentumsansprüchen, sollte multiple und faire Teilhabe an den Gaben dieser Erde und den kollektiven Leistungen der Vergangenheit und Gegenwart zum institutionalisierten Normalfall werden.

* Statt Gemeingüter zu plündern und für einen Lebenstil zu verbrauchen, der weder der Erde noch den Menschen gut tut, sollte jedes Projekt, jede Idee und jede wirtschaftliche Aktivität darauf befragt werden, ob sie mehr für die Gemeinschaften, die Gesellschaft und die Umwelt tut, als sie ihnen (ent-)nimmt.

* Statt hierarchischer Entscheidungsstrukturen und einseitig verfügter Exklusion, brauchen wir transparente, partizipative und freie Entscheidungsverfahren, Kommunikationsformen und Technologien, die die Beziehungen zwischen den Menschen stärken.

* Statt Produktion für den Profit, brauchen wir eine Reproduktion des Lebens…

4 Gedanken zu „Kernpunkte einer Vision der Commons

  1. Ich denke, das ist sehr gut und sehr prägnant formuliert, auch für EinsteigerInnen verständlich. Mein Kompliment!
    Inhaltlich ergänzen würde ich vielleicht noch einen Hinweis auf Pluralität, Vielfalt, Unterschiedlichkeit statt „Einheitsbrei“.

  2. Hallo Andrea, danke!
    Es wird ganz am Ende des Textes einen Hinweis auf die Vielfalt geben. Etwa so.
    „Die einzig wirkliche Einzigartigkeit besteht in der Vielfalt. Nur aus ihr kann sich Einzigartiges entfalten. Es ist eine dreifache Vielfalt: die der Dinge, die Leben und Kultur möglich machen, die der Menschen, die einen grundsätzlich gleichen Anspruch auf diese Dinge haben und die der Möglichkeiten und Formen, diesen Anspruch zu leben.
    Der Begriff der Vielfalt ist Essenz der Gemeingutdebatte.“

  3. Ich würde gerne noch einen etwas anderen Blickwinkel ins Gespräch bringen. Für mich gibt es mindestens zwei unterschiedliche Triebfedern gesellschaftlicher Interaktionen: Persönliche Profilierung und gemeinschaftliches Interesse. Das Spannungsfeld zwischen beiden Aspekten ist herrlich in dem Film „Lohn der Angst“ von Clouzot illustriert: Alleine kommen wir nicht weiter, aber wenn der (berechtigte!) egoistische Erfolg auf dem Spiel steht, fahren wir doch dem Freund mit dem Lastwagen übers Bein.
    Mir gefällt auch das Beispiel der Mammutjäger. Um das Riesenuntier zu erlegen bedarf es einer disziplinierten Kooperation und die besten Jäger genossen sicher hohen gesellschaftlichen Respekt. Beim Versuch den Mammut zu erlegen ist kein Platz für persönliche Profilierungsmätzchen. Beim rauschenden Fest danach allerdings, wenn wir zufällig um den selben Paarungspartner buhlen, da hört der Spass gemeinsamer Interessen auf und ein jeder prahlt mit den eigenen Vorzügen.
    Was ich sagen will ist, dass für mich beide Aspekte ihren Sinn und Platz haben sollten. Solange wir wie die Made im Speck lebten, ist uns der Sinn für die Commons allerdings schell in Vergessenheit geraten, manche davon sind aus unserem Bewusstsein völlig verschwunden. Erst jetzt, wo die Limitierung vieler Resourcen uns schmerzlich bewusst wird (Luft, Wasser, Ruhe, kulturelle Vielfalt usw.), wird auch das Bewusstsein für den Wert der Commons wieder wach. Wir müssen sie revitalisieren, wiederentdecken, ihren Wert für unsere Lebensqualität neu begreifen. Für mich sind Commons eine Basis für ein menschenwürdiges Dasein, jenseits von persönlicher Profilierung, Kommerzialisierung und Konkurrenz. Es ist aber durchaus weder wünschenswert noch erforderlich die letzteren durch Commons zu ersetzen. Alles eben zu seiner Zeit.
    Es gab früher mal einen Witz: Warum haben Golf GTI-Fahrer aussen unter ihrer Seitenscheibe ein ausklappbares Brett angebracht? Damit sie an der Ampel mit den Manta-Fahrern Armdrücken machen können! Warum nicht? Solange sie dabei nicht unsere Atemluft verpesten …
    Wenn die Commons allerdings kommerzialisiert werden, ergibt sich daraus ein unlösbarer Widerspruch. So wie es gesellschaftlich keinen Sinn gemacht hätte, den besten Speer zur Mammutjagd zu patentieren, so macht es keinen Sinn heute die Waffen gegen Krebs, AIDS und Malaria zu patentieren, nur um so deren Kommerzialisierung zum Zwecke persönlicher Profilierung zu ermöglichen. Dies bedeutet allerdings noch lange nicht, dass die Gesellschaft erfolgreiche Forschung nicht honorieren sollte – auch finanziell. Nur sind dazu andere Werkzeuge erforderlich; solche, die den Gebrauch dieser Waffen fördern und ermöglichen, statt ihn zu unterbinden. Auch Genies und Meister haben ein Recht sich persönlich zu bereichern und mit ihrem Reichtum zu prahlen (sofern sie das wollen). Egal was wir davon halten, ökonomischer Wohlstand darf letztlich auch nicht zum Privileg derer werden, die nichts gesellschaftlich relevanteres als einen Kartoffelchip-Entfetter produzieren. Aber wie gesagt – noch geht’s ja um Visionen und nicht um die Strategien, diese Visionen reibungslos zu implementieren.

  4. Dies ist vielleicht ein Punkt der selbst ein Punkt der Vielfalt werden kann. Mir gefällt auch das apodiktische nicht, also das „du musst“, „es ist notwendig“ und „alles“. Ich denke, dass eine Vision den Vorzug hat viel weicher und eleganter formuliert werden zu können.

    Ich schlage für den letzten Satz noch vor: „Statt Produktion für den Profit, brauchen wir eine Reproduktion des Lebens im weitesten Sinn, das bei richtiger Pflege ein Springquell des Reichtums für alle ist. Natur und Mensch können zu einer produktiven Gemeinschaft verwoben werden.“

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