und: Was hat der Staat beim Picknick zu suchen?
Das Beste an den Buchrezensionen und Zeitungsberichten über Gemeingüter sind die Über- schriften: Ubuntu heißt Gemeinsinn, titelte die ZEIT. Sherwood Forest ist überall, die Le Monde Diplomatique in ihrer jüngsten Ausgabe. Bernhard Pötter hat sich auf anderthalb bleischweren Zeitungsseiten mit dem Thema und dem Buch auseinandergesetzt. Großartig! Der beste Satz:
„Für Hardin ist die Allmende ein Schlaraffenland, das leergefressen wird. Für seine Kritiker -das sind wir:-)- eher ein gemeinsames Picknick, zu dem jeder was beiträgt und wo sich jeder in Maßen bedient.„
Das Bild gefällt mir! Mir gefällt auch, …wie Pötter die aktuelle politische Brisanz der Debatte beschreibt: Zwar sei der Siegeszug des Privateigentums erstmal „nüchtern zu konstatieren“, aber
„am Beginn des 21. Jahrhunderts erreicht die Auseinander-setzung darüber, welche Güter öffentlich und welche privat sind, wer von ihnen profitiert und wer ausgesperrt bleibt, einen neuen Höhepunkt. … „die Artenvielfalt steht vor ihrer sechsten großen Ausrottungswelle, die Meere sind leergefischt, und die Atmosphäre ist so mit Abfallstoffen aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe vollgepumpt, dass das Klima aus dem Gleichgewicht gerät.“ Und das ist längst nicht alles!
Schade ist, dass Pötter keinen Unterschied macht zwischen Gemeingütern und öffentlichen Gütern. Zwischen beiden gibt es Überschneidungen, aber letztere werden in der Regel von einer Entität, oft dem Staat, herstellt. Sie sind uns nicht gegeben, nicht überliefert, nicht von nichtstaatlichen Kollektiven über die Jahre geschaffen. Es geht in der Gemeingutdebatte um mehr als das, was klassische Wirtschaftswissenschaft als „nicht exklusive Güter“ definiert. Der „globale Flugverkehr“ ist kein Gemeingut, wie Pötter schreibt, sondern ein öffentliches Gut. Die Atmosphäre, also das was der globale Flugverkehr über Gebühr nutzt, ist das Gemeingut! Diese Unschärfe zieht sich durch den ganzen Text.
In der Konsequenz geht es auch bei Managementfragen nicht ausschließlich um „öffentlich versus privat“. Schluß mit diesem binären Denken! Die klassischen Kriterien „Gerechtigkeit und Effizienz“ (Pötter) als Maßstab für die Qualität der Verwaltung von Gemeingütern greifen zu kurz. Man könnte sagen: Wir spielen in einer anderen Liga.
Weil der Autor aber in der Logik dieses Denkens schreibt – entweder staatlich verfügte Regeln oder markwirtschaftliche Mechanismen (das berühmte „Preisschild“) -, räumt er den entsprechenden Instrumenten viel Raum ein.
Der Staat ist m.E. in der ganzen Debatte einerseits in die Pflicht zu nehmen, andererseits in die Schranken zu verweisen. Wenn mich jemand fragen würde, ob es vor allem die Aufgabe des Staates ist, Gemeingüter zu schützen, würde ich etwa Folgendes antworten:
Nein, es ist vor allem unsere Aufgabe. Aufgabe des Staates ist es, Menschen, Projekte und Ideen zu unterstützen die das tun – finanziell, logistisch, und gesetzgeberisch. Der Staat ist zudem wichtig als Sachwalter regionaler und globaler Gemeingüter – inbesondere komplexer, lokale Grenzen sprengender Ressourcensysteme (etwa Wassereinzugsgebiete). Ausserdem muss er die Regeln und Normen überwachen, die für nachhaltiges, transparentes und faires Ressourcenmanagement nötig sind und er kann als Streitschlichter fungieren. Dafür brauchen wir den Rechtsstaat. Der wiederrum muss auf eine an Gemeingüterschutz und -reproduktion orientierte Gesetzgebung aufbauen. Da sieht es oft mau und lausig aus… genau hier wären die Parlamente gefragt. Der Impuls dafür, dass „der Staat“ all das tut, kann aber nur aus der Gesellschaft kommen. Oder?
„Der Staat“ (hoffentlich nicht der mexikanische!) nützt jedenfalls nichts, wenn er
-
nicht demokratisch legitimiert ist (wie in vielen Teilen der Welt)
-
wenn er zentralisiert statt dezentralisiert
- wenn er sein Handeln Prinzipien und Zwecken unterwirft, die der Reproduktion von Gemeingütern zuwider laufen. Beispiel WTO – da geht es darum, Handelschranken abzubauen und den unbeschränkten Zugriff auf die Ressourcen anderer durchzusetzen.
In dem Manifest „Gemeingüter stärken. Jetzt!“ heißt es:
„Das Handeln der Wirtschaft, des Staates und des einzelnen Menschen den Gemeingütern zu verpflichten, muss zur Grundlage wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Erfolgs werden.“
Man könnte auch sagen: Der Zustand der Gemeingüter muss zum Maßstab politischen Erfolgs werden. Nicht das Bruttoinlandsprodukt und nicht das Wirtschaftswachstum.
Wir brauchen mehr Unabhängigkeit von Markt oder Staat (die meisten „commoners“ sehen sich ohnehin von beiden verlassen). Wir brauchen Beziehungsreichtum sowie Strukturen und Regeln, die verantwortliches Handeln generieren und befördern. Wir müssen es in der Praxis hinkriegen (da hat Pötter völlig recht), Managementinstrumente zu entwickeln, die die Gelingensbedingungen von Kooperation in sich tragen – damit „die Menschen sich nicht wie im Schlaraffenland benehmen.“
Berhard Pötter weißt letztlich selbst darauf, dass die Gemeingutdebatte ein anderes Register zieht und dass Commons nicht dasselbe sind wie vom Staat verwaltete öffentliche Güter. Er zitiert den Eröffnungsbeitrag unseres Buches:
„Commons sind ein soziales System der Selbsverwaltung und von auf Konsens beruhenden Rechten, die den Teilnehmenden wohlbekannt sind. Und es herrscht ausreichend Transparenz, so dass Trittbrettfahrer identifiziert und bestraft werden können.“ (D. Bollier)
und weiter…
„Die Bewirtschaftung von Gemeingütern ist ein sozialer Prozess und stellt andere Ansprüche als das Käufer-Verkäufer-Verhältnis nach dem kapitalistischen Konzept der Warenverteilung.“ (B.Pötter) Ecco!
Ich bin schon gespannt, was nächste Woche Publik Forum titelt.
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