1, 2, 3, viele Manifeste

Manifeste haben immer mal wieder Konjunktur. Wer sich in den Dschungel alter und neuer „handgreiflich gemachter politischer Erklärungen“ wagt, geht mit Sicherheit inspiriert daraus hervor.  Besonders provokant ist, was einzelne Vordenker zu Papier bringen – also Manifeste, denen man ansieht, dass sie nicht um Zustimmung ringen. Es folgen ein paar manifeste Lesetipps, die sich rund um das Thema Gemeingüter bewegen.

Wissen, Information, Software und Kultur:

Da ist zunächst das GNU-Manifest von Richard Stallman. Hier die inoffizielle deutsche Übersetzung.

„Ich glaube, daß es das Gebot der Nächstenliebe verlangt, daß ich ein Programm, das mir gefällt, mit anderen teile, denen es ebenfalls gefällt. Software-Anbieter hingegen wollen die Anwender isolieren und beherrschen, wobei sie jeden Anwender dazu verpflichten, nicht mit anderen zu teilen. Ich weigere mich, die Solidarität mit anderen Anwendern in dieser Weise zu brechen….

GNU ist nicht in der public domain. Zwar wird jedem gestattet sein, GNU zu modifizieren und weiterzugeben, aber keinem Distributor wird es erlaubt sein, die Weiterverbreitung von GNU einzuschränken; sprich: proprietäre Modifikationen werden nicht erlaubt sein. Ich möchte sicherstellen, daß alle Versionen von GNU frei bleiben.

Geld von Benutzern zu kassieren, indem man den Gebrauch eines Programms einschränkt, ist destruktiv, weil die Einschränkungen die Häufigkeit und die verschiedenen Weisen begrenzen, in denen das Programm benutzt werden könnte. Dies begrenzt den Reichtum, der aus dem Programm für die Menschheit entsteht. Die schädlichen Auswirkungen einer bewußten Beschränkung sind eine bewußte Form von Zerstörung.“ (Herv. S.H.)

„Der Grund, weshalb ein guter Bürger derart destruktive Mittel nicht anwendet, um reich zu werden, ist, daß, wenn dies jeder täte, wir alle durch die wechselseitige Zerstörung ärmer würden. Dies ist Kantsche Ethik – oder das Gebot der Nächstenliebe. …

„Kontrolle über den Gebrauch von Ideen“ konstituiert in Wirklichkeit Kontrolle über das Leben anderer Menschen, und sie wird normalerweise eingesetzt, um den Menschen das Leben schwerer zu machen.“

Oder das Free Culture Manifesto von den Studenten für Freie Kultur:

„The mission of the Free Culture movement is to build a bottom-up, participatory structure to society and culture, rather than a top-down, closed, proprietary structure. … we can place the tools of creation and distribution, communication and collaboration, teaching and learning into the hands of the common person — and with a truly active, connected, informed citizenry, injustice and oppression will slowly but surely vanish from the earth. …

The future is in our hands; we must build a technological and cultural movement to defend the digital commons.“

Herrlich, die Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace des Internetpioniesr John Perry Barlow, 1996.

„Eure in steigendem Maße obsolet werdenden Informationsindustrien möchten sich selbst am Leben erhalten, indem sie … Gesetze vorschlagen, die noch die Rede selbst weltweit als Besitz definieren. Diese Gesetze würden Ideen als nur ein weiteres industrielles Produkt erklären, nicht ehrenhafter als Rohmetall. … Die globale Übermittlung von Gedanken ist nicht länger auf Eure Fabriken angewiesen.“

… oder das Cluetrain Manifest… Schluß mit einseitiger Kommunikation. Die Märkte der Zukunft basieren auf den Beziehungen der Menschen untereinander und darauf, dass sich in den Beziehungen der Unternehmen zu den Menschen (nicht den Kunden!) einiges ändert.

„wir sind keine zielgruppen oder endnutzer oder konsumenten. wir sind menschen – und unser einfluss entzieht sich eurem zugriff. kommt damit klar.“

Umwelt/ Mitwelt/ Stadt:

Das Klimamanifest der Architekten, Ingenieure und Stadtplaner – weniger provokant, dafür nicht minder relevant:

„Mit nachhaltiger Architektur und Ingenieurbaukunst können und wollen wir einen entscheidenden Baustein zum notwendigen Wandel in der Nutzung unserer natürlichen Ressourcen liefern.

oder das Slowfood-Manifest von 2004:

„Die Industriegesellschaft hat zuerst die Maschine erfunden und nach ihr das Leben modelliert. …

Zu Tisch! Gegen die Verflachung des „Fast-Food“ setzen wir den Reichtum der Geschmäcker aller regionalen Küchen. Wenn das „Fast Life“ im Namen der Produktivität unser Leben kastriert, Menschen und Umwelt bedroht, so muss die „Slow Food-Bewegung“ die entsprechende Antwort einer neuen Avantguarde sein.

In der Entwicklung des Geschmacks hier und jetzt und nicht in seiner Verkümmerung ruht der Keim einer neuen Kultur…“

Wunderbar auch die Verteidigung der Stille als Commons im Akustischen-Manifest:

„Das Unrecht hat sich in den Schatten gesellschaftlicher Aufmerksamkeit verkrochen…“

Wer im Lärm lebt, ist arm. Und wer arm ist, lebt im Lärm. … Der Körper ist das Schlachtfeld gesellschaftlicher Auseinandersetzung“ (mehr hier)

Und was findet sich nicht alles – da gibt es ein Manifest der Europäischen Jäger und Wildtierhalter – 7.000.000 sollen es sein.

Dort geht es um Naturschutz, Erhalt der Biodiversität und das kulturelle Erbe:

„Die Jagd ist eine reihhaltige Mischung aus Traditionen und Kultur. Ihre Bedrohung ist mehr als nur die Gefährdung einer einzigen ländlichen Aktivität, sondern setzt auch eine unschätzbare Quelle von kultureller Inspiration aufs Spiel, welche über die Jahrhunderte zu unserem gemeinsamen Erbe beigetragen und dieses bereichert hat – Kunst, Gastronomie, Musik und Literatur.“

Zu grundsätzlichen Polit-Ökonomischen Fragen:

Das Manifest gegen die Arbeit der Gruppe Krisis:

„Der Verkauf der Ware Arbeitskraft wird im 21. Jahrhundert genauso aussichtsreich sein wie im 20. Jahrhundert der Verkauf von Postkutschen….

Es ist absurd: Die Gesellschaft war niemals so sehr Arbeitsgesellschaft wie in einer Zeit, in der die Arbeit überflüssig gemacht wird. Gerade in ihrem Tod entpuppt sich die Arbeit als totalitäre Macht, die keinen anderen Gott neben sich duldet.“

„Der paranoide Schrei nach “Beschäftigung” rechtfertigt es, die längst erkannte Zerstörung der Naturgrundlagen sogar noch zu forcieren. Die letzten Hindernisse für die totale Kommerzialisierung aller sozialen Beziehungen dürfen kritiklos hinweggeräumt werden, wenn ein paar elende “Arbeitsplätze” in Aussicht stehen.“

(Arbeit = Lohnarbeit, S.H.)

Und dann gibt es „Gemeingüter stärken. Jetzt!“ Das Gemeingütermanifest!

„Alle sind von den hier aufgeworfenen Fragen unmittelbar berührt. Die Unternehmen brauchen Gemeingüter, um in Zukunft noch Geld zu verdienen. Wir alle brauchen sie zum (Über-)Leben. Das ist eine wesentliche Erkenntnis, sie begründet, warum bei Gemeingütern die Nutzungsrechte der Allgemeinheit immer höher zu bewerten sind als die Nutzungsrechte privater Unternehmen.“

Und viele mehr – Platz für weitere Tipps ist auch in den Kommentaren.

Eigentlich sind all diese ManifestlerInnen Teil einer einzigen Bewegung, der Commonsbewegung, die sich gerade selbst entdeckt. Vielleicht sollten wir sie alle irgendwo an einem Ort zusammen bringen. Ohne Agenda,  zum inspirierenden, freien, alle bereichernden Austausch … eben ein Schritt zur Selbstidentifizierung der Commonsbewegung.

foto on flickr by k_masback, Lizenz: CC: BY NC SA

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