Thüga-Strom in Bürgerhand

Der Thüga Verkauf (im Prinzip eher ein Rückkauf) durch E.ON macht Schlagzeilen. Die ehemalige Thüringer Gas AG

„besteht überwiegend aus Minderheitsbeteiligungen an regional tätigen Versorgern, die sich mehrheitlich in kommunaler Hand befinden …. Thüga selbst gehört zum E.ON-Konzern, der 100 Prozent der Unternehmensanteile besitzt. Im Jahr 2008 erwirtschaftete das Unternehmen  … einen Umsatz von 381 Mio. Euro, + 295 Mio. Euro aus den gehaltenen Beteiligungen. Die gesamten mit Thüga assoziierten Unternehmen erwirtschafteten im selben Zeitraum einen Umsatz von 16,4 Mrd. Euro, beschäftigten 19.200 Mitarbeiter und versorgten rund 3,5 Mio. Gaskunden sowie rund 2,9 Mio. Stromkunden…. (vía)

Ausgehend von einer Freiburger Initiative wird nun die Thüga nicht nur von den Kommunen, sondern von möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern erworben. Angesichts des Verkaufspreises von 2,9 Milliarden Euro scheint das eine verwegene Idee. Doch die Genossenschaftler von Energie in Bürgerhand (EiB) sind optimistisch. Es ist nämlich ganz einfach (jede gute Idee zur Reproduktion der Commons muß einfach sein):

Mit schon 500 Euro bist Du Miteigentümer von 90 Stadtwerken mit 7,5 Millionen Kunden. Du kannst mitbestimmen, ob… diese mit Atomstrom oder grünem Strom versorgt werden. Du kannst dafür sorgen, dass Millionenbeträge nicht länger in Konzernkassen versickern, sondern zurück in die Taschen der Bürger vor Ort fließen. DAS GEHT JETZT!

Ein olympischer Gedanke findet der Sonnenflüsterer. Die Macht werden die BürgerInnen damit freilich nicht übernehmen, denn de facto geht es um ca 3 % der Eigentumsanteile an der Thüga. Und dennoch hat Mitinitiator Burkard Flieger recht, wenn er meint:

Wir stellen alles auf den Kopf! Verlinkt ist ein Vortrag mit vielen interessanten Fakten (ärgerlich nur the big C, das auf dem pdf prangt). Unter anderem erfährt man, dass der Zusagenstand am 9.Juli 2009 (kurz vor Kampagnenstart) bei 9.813.450,00 € von 1673 Einzahlern lag. Die EiB will ca 35 Millionen Euro einsammeln. Das ist kein Pappenstil und beweist einmal mehr, dass die Summe der Einzelnen Teile Mächtiges zu bewegen im Stande ist. Das Geld würde treuhänderisch von der Genossenschaft (i.G.) verwaltet. So soll es funktionieren.

„Die einzige (? S.H.) wirkliche Alternative zur staatlichen Organisation der Daseinsfürsorge ist eine privatrechtliche Unternehmung: die Genossenschaft. Die Genossenschaft ist gesetzlich auf die Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet, sie muss nutzer- statt investororientiert handeln.“

Nun ist, darauf weist Flieger auch hin, eine Genossenschaft nicht wirklich Selbstorganisation und Basisdemokratie, aber immerhin ermöglicht sie die Organisation von großen Gruppen. Und das ist bekanntlich eine besondere Herausforderung für commons-orientierte Institutionen und Organisationsformen. Und

„eine Genossenschaft kann im Unterschied zu Kapitalgesell-schaften nicht aufgekauft werden. Grundlegenden Veränderungen wie Fusion oder Auflösung muss die Generalversammlung mit drei Viertel der TeilnehmerInnen zustimmen.“

Wenn die EiB das schafft, müssten sie einen Commonsaward bekommen, denn:

  • sie engagieren sich in einem der strategisch wichtigsten ökonomischen Sektoren, der Energieversorgung: Wo die Optionen Markt oder Staat bislang weitgehend alternativlos erschienen
  • sie entwickeln treuhänderische Organisationsformen zur Verwaltung komplexer Systeme von unten, direkt von den Interessenen der Betroffenen ausgehend und aufbauend auf deren Ressourcen
  • Fällt Euch noch was ein?

Ich jedenfalls finde, das Projekt passt besser auf das World Commons Forum in Salzburg als DESERTEC. Um Missverständnisse zu vermeiden. Ich finde DESERTEC durchaus wichtig (wenn auch voraussetzungsvoll). DESERTEC hat allerdings wenig mit den Commons zu tun. Es ist eher ein Klassiker einer Green New Deal Politik. Und die unterscheidet sich von den Commons vor allem dadurch, dass sie für die Problemlösung vor allem  technologische Wege anvisiert, flankiert und unterstützt von Regulierungsmaßnahmen des Staates.

Konzernbeteiligung möglichst vieler Bürger reicht nicht aus, um  Energieversorgung zurückholen in die communities, aber sie ist – angesichts der hochgradig zentralisierten Produktions- und Distributionsstrukturen in der Energiewirtschaft einer von vielen notwendigen Schritten in die richtige Richtung.

Auch Vattenfall verkauft zurück an die Kommunen (EiB 2 im Anmarsch?) Mehr dazu im Blog der energischen Bürger.

Ähnliche Artikel auf dem Commonsblog:

Energie als Gemeingut

Weitere links:
Für und wider DERTEC

Zum Modell der Energieautonomen Stadt Güssing/Österreich

Zu den Klimarettern

Die 2000 Watt Gesellschaft

2 Gedanken zu „Thüga-Strom in Bürgerhand

  1. Das ist ein sehr interessanter Vorgang und eine echte Leistung.

    Was ich nicht ganz verstehe ist, warum eine Genossenschaft nicht basisdemokratisch und selbstorganisiert sein soll/kann.

    In Island wird übrigens gerade das Gegenteil gemacht. Dort werden die Anrechte zur Förderung ihrer Geothermalenergie für die nächsten 130 Jahre gerade an windige Unternehmen verhökert:

    http://icelandweatherreport.com/2009/09/of-corruption-stupidity-and-the-value-of-green-energy.html

  2. Pingback: Die 4. Revolution – Energie in die eigenen Hände nehmen: Auch in Jena « CommonsBlog

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