Der Deutsche KulturRAT hatte 7 Mindestanforderungen an die Kulturpolitik der neuen Koalitionäre formuliert. In dieser Pressemitteilung wurden die Forderungen mit dem existierenden Vertrag abgeglichen. Ins Auge sticht eine merkwürdige Diskrepanz in Sachen „Geistiges Eigentum“. Zunächst die Forderung:
„Geistiges Eigentum: Die Debatte zur Weiterentwicklung des Urheberrechts und Stärkung des Bewusstseins für das geistige Eigentum muss konsequent und offen fortgeführt werden.“ (alle Herv. S.H.)
Und was sagt der Vertrag?
… Gesetzlichen Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen wird eine klare Absage erteilt“
(Man ist sich nicht ganz sicher, ob da ein Unterton des Bedauerns seitens des Kulturrates mitschwingt.)
„Es sollen aber andere Instrumente zur besseren und konsequenten Durchsetzung des Urheberrechts entwickelt werden. Maßnahmen zur Stärkung des Bewusstseins für das geistige Eigentum sollen gefördert werden. Es wird unmissverständlich formuliert, dass der Schutz durch das Urheberrecht eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung und Verwertung kreativer Leistungen ist.“
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates unterstreiht die Erwartungen an die Politik wiefolgt:
„Besonders in der Urheberrechtspolitik sind von der neuen Bundesregierung deutliche Aktivitäten zu erwarten. Es ist sehr positiv, dass Fragen der Digitalisierung, der Medienkompetenz und der Stärkung des Rechts des geistigen Eigentums an verschiedenen Stellen der Koalitionsvereinbarung verankert sind. Hier wird in den nächsten vier Jahren die Musik spielen….“
Unter einer „offenen Debatte“ verstehe ich, dass die Richtung nicht vorweg genommen wird. Also eine offene Frage formulieren, etwa: „Was tun mit dem Urheberrecht?“ statt richtungserzwingender Antworten wie „Stärkung des geistigen Eigentums“ in den Raum stellen.
Das Konstrukt des „Geistigen Eigentums“ ist historisch gesehen sehr jung. Die Regelung von Nutzungsrechten, so wie sie teilweise bereits im Mittelalter bestanden, ist nicht mit den absoluten Verfügungsansprüchen zu verwechseln, die heute auf Inhalte erhoben werden.
Verwundert fragt man sich: Wo kommt eigentlich die ungeheure kulturelle Vielfalt her, wenn das „Geistigen Eigentums“ erst ein Kind des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist, die ersten wichtigen Gesetzgebungen noch 100 Jahre jünger sind und die WIPO erst 1967 entstand? Wie konnte sich soviel Kreativität entfalten ohne Kultur-Wächter und „Geistige Eigentumsregime“?
Auf netethics gibt es dazu einen offenen Brief von Prof. Rainer Kuhlen, an den Geschäftsführer des Kulturrates.
„Wäre nicht die Forderung nach einer neuen Kultur des Teilens und der gemeinsamen Beförderung von Wissen und Kultur … auch dem Deutschen Kulturrat angemessener als auf den individuellen Interessen und auf Schutz von Verwertung und damit auf Verknappung zu beharren? Versuchen sie es doch einmal damit!“
„Es kann doch wohl kaum, wie Sie fordern, um eine konsequentere Durchsetzung des Urheberrechts an sich gehen. Urheberrecht ist ja keine Naturkonstante, …auch “geistiges Eigentum” ist keine Naturkonstante. Ihnen ist sicher bewusst, dass der Gesetzgeber … an sich einen breiteren Spielraum zwischen der Eigentumsgarantie (Art 14, Abs. 1 GG) und der sozialen Bindung (”Eigentum verpflichtet” Art 14, Abs. 2 GG) hätte, als er ihn in den letzten Jahren durch die klare Präferenz für den Schutz der kommerziellen Verwertung von Kultur, insbesondere auch von Wissen und Information, wahrgenommen hat. Gerade Ihnen dürfte doch klar sein, dass die stereotype Berufung auf das geistige Eigentum weniger im Interesse der Kreativen, schon gar nicht im Interesse ihrer materiellen Sicherung ist, sondern allzu gerne von der Verwertungswirtschaft aufgegriffen wird. …
Schutz muss vor allem garantiert sein für das, was das Urheberrecht die Persönlichkeitsrechte nennt (Recht auf Nennung des Urhebers; Recht, entscheiden zu können, wann und wie veröffentlicht werden soll; und der Schutz vor Entstellung des Werks). …
Dass der Schutz der kommerziellen Verwertungsinteressen in der Wissenschaft Kreativität befördern soll, ist eine Mär, die nicht durch ständige Wiederholung richtiger wird. …“
Es wäre in der Tat,…
„an der Zeit, dass sich der Kulturrat an der weltweiten Debatte um die Commons, konstruktiv“
beteiligte, wie Kuhlen das vorschlägt, denn
„Res communes, commons – wie z.B. Luft und Wasser, aber auch Wissen und Kultur – gehören uns allen. Wir, nicht einzelne Urheber und schon gar nicht einzelne Verwerter, sollten durch das Recht geschützt werden, damit wir von diesen Commons/Allgütern freien Nutzen ziehen können…. sollte eine Institution wie der Kulturrat, der sonst in seinen Texten reflektiert differenziert, vielleicht doch nicht mit Begriffen wie geistiges Eigentum, Urheberrecht, kreative Leistung oder Verwertung so einfach, stereotyp und abstrakt umgehen?“
Siehe dazu auch meinen PiratK-UrhG http://www.contumax.de
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