Michael Grolm, der Thüringer Imker der für seine Überzeugungen ins Gefängnis geht, sagt Sätze die jeder versteht. Etwa:
„Der ehemalige Monsanto-Chef spricht davon, dass die Gentechnik ein Werkzeug sei. Nicht gut und nicht schlecht. Eben ein Werkzeug. Aber ein Werkzeug ist so etwas wie ein Hammer oder eine Schere. Die kann ich benutzen, um etwas zu tun. Doch diese Technologie benutzt uns! Sie macht etwas mit uns, nicht wir mit ihr.„
Gestern Abend habe ich für INKOTA an einer Diskussionsveranstaltung zum überMacht-Film-Festival teilgenommen. Ich komme spät. Öffne die Tür. Der Saal des KuBus ist voll. Man muss wissen: Der KuBus hat gerade eröffnet – inmitten des Jenaer Neubaugebietes Lobeda-West. Und das Thema bietet eher das Gegenteil von „Guter Unterhaltung“.
Es ging um Grüne Gentechnik. Also die Manipulation des Lebens im Labor und deren Freisetzung in natürliche Ökosysteme. Genauer noch: Es ging um die Strategien des größten Pestizid- und Saatgutkonzerns der Welt (Monsanto), mit der Kontrolle über das Saatgut auch die Kontrolle über die Menschen zu gewinnen.
„Saatgut und Lebensmittel zu kontrollieren ist wirksamer als eine Bombe„,
sagt die indische Physikerin Vandana Shiva, die immer bildmächtig spricht.
Vom ehemaligen Monsanto-Chef Robert Shapiro, der den Konzern ins Biotechzeitalter geführt hat, gibt es ein Video. Und dort sagt er den Werkzeug-Satz. Ich würde Grolm korrigieren. Die Gentechnik in der Landwirtschaft ist schon ein Werkzeug – allerdings nicht für uns, sondern für Menschen wie Shapiro. Das Problem ist, dass diese Menschen sehr viel Macht haben. Und sie wissen, dass der Zugriff auf Gemeinressourcen (wie Land, Saatgut, Wasser…) immer mehr Macht verleiht. In diesem Fall: Marktmacht über den Saatgut-, Pestizid- und schließlich den weltweiten Lebensmittelmarkt. Und wer den Lebensmittelmarkt kontrolliert, kontrolliert uns.
Wie das Werkzeug zum Einsatz kommt, das zeigt in einem 100 Minuten Epos der Film „Monsanto – Mit Gift und Genen“ von Marie Monique Robin. Vier Jahre lang ist Robin durch die halbe Welt gereist. Nun weist sich nach, wie der Hammer um sich schlägt und seit Jahrzehnten die Menschen in Anniston krank macht und umbringt, wie er den Bauern in Mexiko, Indien und Paraguay die Existenzgrundlage nimmt, die Kinder dort vergiftet, wie er Bauern in den USA den Schlaf raubt und unzählige Wissenschaftler weltweit mundtot macht. Die Behörden machen sich zum Helfershelfer. Die Politik duldet, schaut weg oder reagiert – aber sie agiert nicht.
Die Dokumentation von Robin, kritisiert Imker Grolm, habe etwas „Erschlagendes“. Als seien alle Messen schon gelesen, als könne man nichts mehr tun gegen „die grünen Wüsten“ und monokulturalisierte Landschaften, in denen „keiner mehr spazieren gehen will„. Oder gegen den Skandal, dass Unternehmen die Gesetze schreiben. Das ist zwar nichts Neues, war aber noch nie eine gute Idee. Beim Gesetzeschreiben sind die berühmten „Drehtüren“ behilflich, die revolving doors. Konzernmitarbeiter wechselt ins Ministerium, Ministeriumsmitarbeiter in den Konzern, Aufsichtsratsmitglied in die Regierung, Regierungsmitglied in den Aufsichtsrat. Es gibt Fälle, wie jenen von Michal R. Taylor, da gelingt dieser Wechsel mehrfach hin und her.
„Michael R. Taylor was an assistant to the Food and Drug Administration (FDA) commissioner before he left to work for a law firm on gaining FDA approval of Monsanto’s artificial growth hormone in the 1980s. Taylor then became deputy commissioner of the FDA from 1991 to 1994.„
Das erfahre ich im Film. Die Journalistin Robin telefoniert mit Taylor. „Ob er keinen Interessenskonflikt sehe?“ „Neeeein“!
Ein Blick in die Wikipedia ergänzt die Geschichte: Taylor wurde vor drei Monaten von Obama zurück in die FDA geholt. Die FDA ist u.a. für die Zulassung und Kontrolle von Verfahren und Produkten im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich zuständig. Sie prüft die Werkzeuge von Monsanto auf Unschädlichkeit für Mensch und Natur. Sollte sie zumindest.
„Drehtüren“ gibt’s nicht nur in Amerika. Und diktierte Gesetzbücher nicht nur in der Grünen Gentechnik. Beim Blick auf die aktuelle Pressemitteilung des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft frag‘ ich mich, wie die BASF-Gen-Kartoffel „Amflora“ es in dieser Konkretheit ins Koalitionspapier geschafft hat.
Grolm hat etwas gegen das Entwaffnende des Films. Ich hingegen finde den Film eher entwaffnend überzeugend. Zudem erscheint mir der energische Imker alles andere als entwaffnet. Er tut etwas. Und wirkt dabei kohärent bis zur Hutspitze. Mit seinen Freiwilligen Feldbefreiungsaktionen zum Beispiel, der Begriff ist angelehnt an die Freiwillige Feuerwehr: „Die kommt auch wenn’s brennt.„.
Der Imker will den Saal nicht verlassen, bevor sich nicht jemand bereit erklärt, auch etwas Konkretes zu tun. Zum Beispiel eine Gruppe zu gründen, die darauf aufmerksam macht, dass in Jenas Laboren und Gewächshäusern die Saat aufgeht, die das Potential hat, der Biodiversität den Garaus zu machen.
Hier eine lesenswerte Rezension des Buchs zum Film sowie der Bericht von A.Lorch und Ch.Then: Agrogentechnik und die Rolle der Behörden.
„Während PolitikerInnen in Parlamenten und Regierungen kamen und gingen, herrschte in den Behörden, die für die Überwachung der Agro-Gentechnik zuständig waren und sind, über Jahrzehnte hinweg eine weitgehende personelle Kontinuität. … Die so über die Jahre gewachsenen Seilschaften und Netzwerke sind der Politik oft nicht nur einen Schritt voraus, sondern die betreffenden Experten versuchen in einigen Fällen sogar, politische Entscheidungen aktiv zu unterlaufen bzw. vorwegzunehmen. Es entsteht der Eindruck, dass hier eine Art Parallel-Struktur entstanden ist, die der politischen Kontrolle zunehmend zu entgleiten droht.“
Und hier zum Reinschauen:
Nicht verpassen! Das Filmfestival läuft noch.
foto by Lizenz: CC: by, nc, sa
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Marie-Monique Robinerhielt den DUH-Umwelt-Medienpreis in der Kategorie Fernsehen für ihren gleichnamigen Film: Mit Gift und Genen. Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert.
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