„Fundsachen der Allmendewiese“: Manchmal macht das Blog seinem ursprünglichen Untertitel alle Ehre. Heute gefunden: „Die Entwicklung des Schnees von ‚res communis‘ zum Staatsgut“ von Professor Fernández de Buján. Der spanische Rechtshistoriker hielt diesen Vortrag zum 1. Skirechtsforum im italienischen Bormio (Dez. 05). Es ist ein Ausflug ins römische Recht, um dort Ansatzpunkte für ein einheitliches Skirecht zu suchen. Wem also gehört der Schnee? Und wie dachten die alten Römer über Gemeingüter im Unterschied zu öffentlichen Gütern?
Güter waren ursprünglich zweigeteilt, …Gaius beginnt im II. Buch über Güter mit solchen,
„die sich in oder außerhalb unseres Vermögens befinden.“ (res intra patrimonium und res extra patrimonium)
Später nehmen die justinianischen Schriftgelehrten diese Zweiteilung auf, und führen weitere Unterscheidungen ein. Einige Güter gelten ihnen als „divini iuris„, andere als „humani iuris„. Letztere sind, zunächst in klassischer Zweiteilung, private und öffentliche Güter (res privatae und res publicae). Unterschieden werden zudem (den divini iuris zugehörend) die res extra commercium, verkehrsunfähige Sachen mit denen kein Handel getrieben werden darf, von den res intra commercium, mit denen gehandelt werden darf. Das ist ein Punkt, der auch in der aktuellen Commonsdebatte sehr präsent ist und sich im Unterschied zwischen Eigentum und Besitz reflektiert. Eigentum ist veräußerbar. Besitz nicht.
„Es geht also um die Frage, wie Güter im Rahmen rechtlicher und vermögensrechtlicher Beziehungen zu behandeln sind“, schreibt Fernández.
Später unterscheiden die Justianischen Schriftgelehrten drei Güterklassen.
„Der Text in den Instituta drückt … eine Dreiteilung aus, die der Jurist Martianus vornimmt,…. Das Wesentliche und Neue an diesem Fragment ist die Formulierung einer Kategorie, nämlich die der res communes omnium,…“ (bibliogr. Bezug: Martianus 3, inst., habe dazu im Netz leider nichts gefunden, S.H.)
Nun also: res privatae (private Güter), res publicae (öffentliche Güter) und res communes (Gemeingüter). Mancherorts gibt es noch eine vierte Kategorie. Die res sacrae. Diese hilfreiche Dreiteilung ist uns in jüngster Vergangenheit wieder „weggerutscht“.
Erhellend finde ich die Ausführungen von Fernández zu öffentlichen Gütern:
„Ein anerkannter juristischer Text im berühmten Kapitel XVI des Buchs L, mit dem Titel „De Verborum significationem” begründet ohne Zweifel das Konzept der res publicae.“
Ulpianus schreibt:
„Publica sunt quae populi romani sunt. – Öffentlich ist nur das, was dem Römischen Volk gehört.“ (Kommentare, Buch X zum Edikt des Prätors, D.50,16,15)
Die Rechtslehre geht nun davon aus, so erklärt Fernández, dass der Ausdruck „Populus Romanus“ mit der modernen Auffassung vom Staat oder der Zentralverwaltung übereinstimme. Die römischen Juristen wollten sich demnach auf den politischen Machtbereich Roms beziehen oder auf Machtorgane wie Gebietsverwaltungen und Provinzregierungen.
„Res publicae„, so folgert der Autor, sind demnach das, was wir heute unter Staatsgut oder „Öffentlichem Gut“ im Sinne von ‚dem Staat gehörend, vom Staat verwaltet, für den öffentlichen Nutzen‚ (utilitas publica) verstehen.
Und da gibt es einen Unterschied zu den Gemeingütern, denn
„Wasser oder Luft erfordern keine feierliche, förmliche Zuordnung und werden im römischen Recht als publicatio bezeichnet.“
Anders gesagt: Sie sind ihrer Natur nach und wegen ihrer Funktion öffentlich.
Daneben gab es die Bezeichnung vetustas. Das Wort bedeutet: „alt, von langer Dauer“. Der Begriff drückt aus,
„dass einem Gut öffentlicher Nutzen zugesprochen wurde, was durch das gesellschaftliche Bewußtsein der Tatsache bedingt war, dass das betreffende Gut seit Menschengedenken von allen und allgemein genutzt wurde.“ (Herv. S.H.)
Ein schönes Zitat zum Unterschied zwischen Öffentlichen Gütern und Gemeingütern bringt Neratius Priscus:
„Der Strand und die Küste sind nicht im selben Sinne öffentlich, wie das Volkseigentum…“ (Buch V der Membranae in D.41,1,14)
Sic! Ab Ende des II Jahrhunderts n.Ch. werden die öffentlichen Gütern eindeutiger und stets als „nicht handelbar“ beschrieben, als res extra commercium. Das belegt Fernández mit interessanten Textstellen. Wobei Vermietung möglich war, um öffentliche Dienstleistungen zu finanzieren. So geschehen mit dem ager publicus, jenem Land, welches sich in der Römischen Republik im Besitz des Staates befand. Es war die ursprünglich übliche Form des Eigentums an Grund und Boden.
„Die private Nutzung dieses Lands war in der römischen Geschichte eine zentrale innenpolitische Frage …, die ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen führte, so zum Beispiel bei den Gracchischen Reformen„, weiß die Wikipedia.
„Der durch Abgabe an Privatpersonen schrumpfende ager publicus wurde durch Landgewinne aus Kriegen immer wieder aufgestockt.“, heisst es dort. Ager captivus nannten das die Römer.
Die Verteidigung der Gemeingüter der Einen kann der Untergang der Gemeingüter der Anderen sein.
„Bis zur frühen Kaiserzeit jedoch war der gesamte ager publicus innerhalb Italiens aufgeteilt und Privateigentum geworden.“ (Quelle: Wikipedia)
Zusammenfassend bestimmen die römischen Gelehrten die öffentlichen Güter nach drei Kriterien (dem rechmäßigen Besitzer, den Nutzungsrechten, den Veräußerungsrechten)
- dem Populus Romanus gehörend, also der Öffentlichkeit (dem Staat)
- prinzipiell und ohne Einschränkungen zur Nutzung aller bestimmt
- angesichts ihrer speziellen Bestimmung und Nutzung nicht veräußerbar
Komplette Auflistungen, welche Güter den res publicae zuzurechnen sind, gibt es nicht. Die Gesetzestexte seien pragmatisch und problembezogen. Sie bringen die Kategorien stets in Betrachtung einer Sache oder eines zu lösenden Falls. Da tauchen dann die Flüsse und die Häfen auf, das Forum oder
„etwas vergleichbares, das dauernd von der Öffentlichkeit genutzt wird.“ (Venuleius, De Stipulationes, I.Buch, D.45,1, 137,6)
Im Unterschied dazu findet sich ein klassisches Zitat zu den Gemeingütern in den bereits erwähnten Justinianischen Instituten, 2,1,1:
„Et quidem naturali iure communia sunt omnium haec: aer, aqua profluens, et mare et per hoc litora maris.
„Und durch naturgegebenes Recht sind in Wahrheit die
folgenden Güter allen gemein: die Luft, das fließende Wasser und das Meer und aus demselben Grund, die Küsten des Meers.“
Der Text folgt dem bereits zitierten Martianus. Interessant ist folgende Einschätzung von Fernández:
„Die vorherrschende Rechtslehre geht davon aus, dass sowohl die Schaffung der Kategorie der res communes omnium, als auch ihre Konkretisierung durch vier materielle Realitäten eine einzigartige Kreation des Juristen selbst ist, der stark durch metajuristische Konzepte und Kategorien beeinflusst wurde.
Martianus hat das also nirgends abgeschrieben und keine anderen juristischen Texte verarbeitet, sondern er ist vom Charakter und den physischen Realitäten der Dinge ausgegangen, von ihrer Funktion für die Menschen und hat sie originär klassifiziert. Humanist sei er gewesen, Kenner von Philosophie und Literatur.
Diese justinianische Schrift wurde für Jahrhunderte zum Lehrtext. In den heutigen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen scheint sie in Vergessenheit geraten, denn dort werden die Gemeingüter seit Jahrzehnten eher stiefmütterlich behandelt.
Der Schnee ist nun solch ein Gemeingut, folgert Fernández. Im martianischen Sinne. Jedenfalls habe die unterschiedliche Begriffsbestimmung
„zu keiner Zeit die Rechtsordnung beeinflusst, da Schnee, als gefrorenes Wasser, zu keinem Zeitpunkt Gegenstand von exklusivem Privateigentum sein konnte, dessen Recht auf
allgemeine Nutzung verhindert werden konnte.“
Um Schnee zu privatisieren, musste man zunächst auf die Idee kommen, ihn künstlich herzustellen. Oder wem gehört der Kunstschnee?
Kurioses zum Thema: Schnee als Werbeträger
Foto 1: CC BY SA Foto 2: CC BY, SA, Stefan Bauer, http://www.ferras.at
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