„Sie sagen, unsere Mutter die Erde gehöre ihnen; sie zäunen uns, ihre Nachbarn, von unserer Mutter ab. Sie beschmutzen unsere Mutter mit ihren Gebäuden und ihrem Abfall. Sie zwingen unsere Mutter, zur Unzeit zu gebären. Und wenn sie keine Frucht mehr trägt, geben sie ihr Medizin, auf das sie auf’s neue gebären soll. Was sie tun ist nicht heilig. Sie sind wie ein Fluss zur Zeit des Hochwassers. Im Frühling tritt er über die Ufer und zerstört alles auf seinem Wege.“
Mit diesem Zitat des berühmten Hunkpapa-Häuptlings Tatanka Iyotanka („Sitting Bull“) leitet die FAZ heute eine sehr lesenswerte Seite 2 über Entschädigungszahlungen an die US-Amerikanischen Ureinwohner ein. Der Sachverhalt ist bedeutsam genug, denn wer je die Pine Ridge Reservation in South Dakota besucht hat, ahnt, in welcher schwierigen Situation die Bewohner dieser Region bis heute leben.
Nach dem FAZ-Artikel bestelle ich ein Weihnachtsgeschenk bei Rosie, einer Deutschen, die seit Jahren in einem Ort namens Stachelschwein (Porcupine) in South Dakota die kleine Handelsstation Singing Horse Trading Post betreibt.
Das Zitat und meine Erinnerungen an die Pine Ridge Reservation wirken – seit ich mich auf die Commons eingelassen habe – plötzlich ganz anders als vor Jahren. Ich erinnere mich an die staubige Piste zur Gedenkstätte von Wounded Knee, an den Eindruck von Armut in den Siedlungen. Überall stehen Autowracks herum, niemand scheint bereit, den Schrott abzuholen. Dann plötzlich sehe ich am Horizont eine Gruppe von Kindern auf Pferden über die Prärie galoppieren – wie in einem Jugendtraum meiner Generation.
Die ökonomische Situation der Pine Ridge Reservation ist katastrophal. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 85% und 97% der Bewohner leben unter der Armutsgrenze, mit Jahresdurchschnittseinkommen von $3800 in 1999. Die Selbstmordrate liegt um ein Vielfaches über dem Bundesdurchschnitt. Gleiches gilt für die Kindersterblichkeit. Gäbe in Afrika kein AIDS, hätte Pine Ridge die niedrigste Lebenserwartung der Welt – mit 47 Jahren für Männer und 50 für Frauen. Quellen: The Confluence
Die Bewohner von Pine Ridge, das schon als Dritteweltland mitten in den Vereinigten Staaten bezeichnet wurde, wandern offenbar auf schmalem Grat. Im eisigen Winter von South Dakota, wo es kaum Holz gibt und die Menschen auf Öl angewiesen sind, kann man ohne Geld kaum überleben. Ob sich jeder selbst einen Zugang dazu erkämpft, oder ob es eine ausgeprägte Gemeingüterstruktur gibt, muss ich jetzt mal nachforschen: Netzwerke von Menschen, die kooperativ nach Wegen suchen, die knappen Ressourcen gemeinsam und nachhaltig zu nutzen, sind sicher ein Schlüssel zu mehr Lebensqualität in Pine Ridge.
War Elinor Ostrom je hier? Ich wette fast.