Fehlsteuerung: Welche Mwst gilt für Freie Lizenzen?

Oder: Ist das Recht auf Teilen im deutschen Steuerrecht vorgesehen?

Steuerrecht nervt. Zum Beispiel frischgebackene Selbständige wie mich, die sich erst durch einen Paragraphendschungel wurschteln  müssen, um überhaupt arbeiten zu können. Immerhin ergab sich aus diesem Dschungel nun eine ziemlich interessante Frage.

Die Sache ist so: Selbständige müssen ihren Auftraggebern i.d.R.  Mehrwertsteuer berechnen. Nun mache ich viele verschiedene Dinge. Beraten, moderieren, konzipieren, Veranstaltungen gestalten … und manchmal auch schreiben. Meine Frage an den Steuerberater war:

Wann gelten 19% und wann 7 % Mehrwertsteuer?

Die Auskunft war verblüffend:

„Die Anwendung des geminderten Steuersatzes ist Ausnahme zur Regel der Steuersatzhöhe von 19%. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen der Ausnahme gegeben sein….Für den journalistischen Tätigkeitsbereichn wird dies von der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen regelmäßig angenommen.“

„Als anerkanntes Beispiel gelten Kommentare zu politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen und religiösen Ereignissen und Entwicklungen, Kunstkritiken einschließlich Buch etc. – Kritiken sowie Reportagen, die über den bloßen Bericht hinaus eine kritische Würdigung vornehmen; nicht jedoch: selbst gehaltene Reden und Vorträge. Leider Gottes, aber so ist nun einmal das Steuerrecht, wiederum mit einer Gegen- Ausnahme, wenn das Manuskript nachfolgend gedruckt veröffentlicht wird.“

So weit, so gut. Wenn ich für’s Schreiben bezahlt werden, kann ich also – in der Regel – den verminderten Steuersatz, 7% in Rechnung stellen und ans Finanzamt weiterleiten.

Aber jetzt wird’s interessant:

Schriftstellerische publizistische Leistungen hingegen sind nur unter der Voraussetzung der Übertragung eines Nutzungsrechts am geschaffenen geistigen Eigentum, dh. einer vertraglich gewährten Lizenz, mit dem niedrigen Steuersatz ansetzbar.

Daher rät mir der Berater folgendes:

„Ihre Rechnungen müssten Sie deshalb, ..,  im Einzelfall anhand der Verträge an dem Kriterium der Übertragung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz prüfen (lassen), resp. die Verträge bereits so gestalten (lassen), ob/dass Sie jeweils im einzelnen Fall das Nutzungsrecht am geschaffenen Werk übertragen.“

Anders ausgedrückt: Nur wenn ich meinen Auftraggebern (Verlagen, Stiftungen o.a. Institutionen) die Nutzungsrechte überlasse, kann ich 7% berechnen, ansonsten 19%.

Ich habe mir überlegt, was das aus Sicht des Gesetzgebers für einen Sinn macht? Ich komm‘ nicht drauf! Kann jemand helfen?

Zahlen muss ja der Auftraggeber. Das heißt, für ihn wird es billiger, wenn ich ihm die Nutzungsrechte überlasse. Ist das nicht ein bisschen viel des Guten? Selbstredend ist auch für mich der geringere Mehrwertsteuersatz von Vorteil. Nicht weil das auf dem Konto einen Unterschied macht (die Summe wird ja sofort an das Finanzamt weitergereicht), sondern weil es die Gesamtkosten für den Auftraggeber nicht so in die Höhe treibt.

Nur: Warum ist das überhaupt so? Warum wird die Abtretung der Nutzungsrechte an den Steuersatz gekoppelt?

Und: Was passiert, wenn ich die Nutzungsrechte an meinen Werken mit entsprechender Lizenz an die Allgemeinheit abtrete? Wenn ich also sage: Jede/r darf  meine Texte nutzen, verändern und auch verwerten – was ich normalerweise per CC BY SA Lizenz tue.

Ist das Recht auf Teilen im deutschen Steuerrecht vorgesehen? Ich bin gespannt, was die Juristen von Creative Commons dazu sagen.

Foto: Bundesrepublik Deutschland Paragraphen, Lizenz: CC BY

Ihre Rechnungen müssten Sie daher, wenn Sie den Bereich
journalistischer Betätigung verlassen,  im Einzelfall anhand der
Verträge an dem Kriterium der Übertragung von Rechten nach dem
Urheberrechtsgesetz prüfen (lassen), resp. die Verträge bereits so
gestalten (lassen), ob/dass Sie jeweils im einzelnen Fall das
Nutzungsrecht am geschaffenen Werk (Text o.ä.) übertragen.

10 Gedanken zu „Fehlsteuerung: Welche Mwst gilt für Freie Lizenzen?

  1. Liebe Frau Helfrich,

    wenn Sie Ihre Texte im Auftrag verfassen und anschließend mit CCPL versehen, ist die vom Steuerberater genannte Bedingung immer erfüllt:

    Der Auftraggeber hat anschließend ein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht. Dass jeder andere auf diesem Planeten ebenfalls das identische Nutzungsrech eingeräumt bekommt, ändert daran nichts. Von einem – mit CC-Lizenzen unkompatiblen – ausschließlichen Nutzungsrecht schreibt der Steuerberater nichts.

    Die Ratio des o.g. Nutzungsrechtserfordernisses ist doch auch ganz klar die, dass nur derjenige die MwSt zahlen müssen soll, der auch tatsächlich einen Mehrwert erhält. Wenn ich mit einem Text nichts tun darf, hat er für mich auch keinen sonderlich gesteigerten Wert. Da nutzt der Gesetzgeber m.E. genau den richtigen Aufhänger für die Steuerpflicht. Mit OA-Lizenzen erscheint mir das ohne Probleme vereinbar.

    • … sehe gerade, dass die _Reduzierung_ von der Nutzungsrechtseinräumung abhängt und nicht die Steuerpflicht insgesamt (tja, genaues Lesen schadet selten). Dann kann es wohl nur daran liegen, dass die Nutzungsrechseinräumung steuerrechtlich gesehen der Abgrenzung von journalistischer Tätigkeit und Dienstleistung im Allgemeinen dient.

      Ein 0%-Steuersatz für OA-Texterstellung erscheint mir nicht ganz folgerichtig, weil der „Mehrwert“ dabei ja allenfalls anders (= auf jedermann) verteilt ist. Andererseits soll ja aber letztlich derjenige die hauptsächliche Umsatzsteuerlast tragen, bei dem der Wert am Ende landet, was auch wiederum alle sind. Liest ein Steuerrechtler mit?

  2. Hallo Herr Weitzmann,
    Unvereinbarkeit mit Freien Lizenzen sehe ich auch nicht, ich will nur verstehen, warum die Dinge so sind wie sie sind und keinen Fehler bei der Rechnungsstellung machen. Insofern gehe ich jetzt davon aus, dass ich mit 7 % immer richtig liege (weil ja das Nutzungsrecht aller anderen Erdenmenschen das der Auftraggeber nicht mindert).

    Jetzt noch die Frage: Wäre es nicht sinnvoll, 0% anzusetzen, wenn das Produkt gar nicht „verwertet“ und frei lizenziert wird? Das ist zum Beispiel bei unserem neuen Commonsreport der Fall.
    http://www.boell.de/wirtschaftsoziales/wirtschaft/wirtschaft-gemeingueter-report-commons-8626.html

    Ich wollte das eben schon mal ganz forsch vorschlagen, aber jetzt höre ich lieber erstmal die Meinung des Experten 🙂

    Beste Grüße
    SIlke Helfrich

    • wie gemailt: Bei der Mehrwertsteuer besteht eine Steuerpflicht des Unternehmers oder Selbstständigen, der die Leistung erbringt. Wenn man also für einen Text von sich aus keine bzw eine 0%-Steuer berechnet, führt das nur dazu, dass man die Steuer ohne Abwälzung auf den Auftraggeber dem Finanzamt abführen muss. Man bleibt dann also drauf sitzen.

      Die Besonderheit des niedrigeren Satzes für die (Ab)Lieferung urheberrechtlich geschützter Inhalte ergibt sich übrigens aus § 12 Abs. 2 UStG, siehe http://bundesrecht.juris.de/ustg_1980/__12.html

  3. Hallo nochmal

    „Dann kann es wohl nur daran liegen, dass die Nutzungsrechseinräumung steuerrechtlich gesehen der Abgrenzung von journalistischer Tätigkeit und Dienstleistung im Allgemeinen dient.“

    Ja richtig. Das ist klar. Meine Frage nach der Kopplung habe ich eher vor dem Hintergrund gestellt: „Wenn aber gar niemand verwerten will?“ Weder Urheber noch Auftraggeber? Wenn man direkt die Wissensallmende bereichern will. Kann man da nicht auf Erhebung Mehrwertsteuer verzichten?

    Und das führt mich letztlich auch zu dem Vorschlag 0 % auf alle frei lizenzierten Werke. (Müsste man durchdenken.)
    Werde einen Steuerrechtler zum Lesen einladen, doch die Frage ist nicht so sehr WAS IST?, sondern vielmehr WAS SEIN SOLLTE?

  4. Ist das nicht eigentlich unerheblich?

    Zum Handling: Wenn der Auftraggeber ein Unternehmen ist, zahlt er die MwSt sowieso nicht, bzw. sie ist abzugsfähig. Ist er zum Vorabzug berechtigt ist die Sache vermutlich sehr einfach.

    Ist der Auftraggeber eine Privatperson zahlt sie – und zwar 19%, wie immer bei Werkverträgen.

    Wenn man das anschließend als Print-on-Demand o.ä. wieder drucken lässt, handelt man gewerbsmäßig (die Frage der MwSt wäre somit wieder wie im 1. Fall zu betrachten) und der Endkunde zahlt die ermäßigten 7% MwSt für Druckerzeugnisse.

    Die Frage ob man 7% MwSt annehmen kann, falls man im Auftrag eines gewerblich handelnden Auftraggebers den Inhalt für ein Druckerzeugnis, welches dieser dann verkauft, annehmen kann dürfte grundsätzlich bejaht werden. Denn es ist IMHO unerheblich ob der Inhalt nach Vertragserfüllung unter einer CC-Lizenz steht. Die Rechte werden trotzdem übertragen, der Auftraggeber gibt sie lediglich anschließend vertragsgemäß frei. Wenn er diesen Vertrag so akzeptiert, ist das seine Sache.

    Auch wenn der Auftraggeber nur Rechte innerhalb der CC-Lizenz übertragen bekommt, die er anschließend vollständig aufgibt sollte dies meiner bescheidenen Meinung nach kein Hindernis sein.

    Allerdings: bin ich kein Jurist und dies ist lediglich meine Interpretation. Am besten fragt man bei nicht ganz eindeutigen Problemen seinen Sachbearbeiter im Finanzamt. In der Regel bekommt man eine sehr pragmatische Antwort.

  5. @ Tom: Inzwischen haben wir zweifelsfrei geklärt, dass 7 % gelten und dass Freie Lizenzen kompatibel sind mit dem geltenden Recht (die entsprechenden Juristen waren ja nicht untätig in den letzten Jahren).

    Aber die Frage ist gar nicht so sehr WAS IST, sondern wie eine gesetzliche Regelung aussehen müsste, die honoriert, dass Inhalte – wie John Weitzmann das so schön gesagt hat – „auch jeder andere auf diesem Planeten bekommt“.
    Und warum überhaupt besteuert wird, wenn jemand gar nicht verwerten will (auch der Auftraggeber nicht), sondern direkt die Wissensallmende bereichert wird?
    Wie müsste so ein Gesetz aussehen? Ich denke 0 %. Wo kein „Wert“ auf den Markt getragn wird, da kann nix besteuert werden.

  6. Ob das verwertet wird oder nicht spielt doch keine Rolle – solange Geld fließt ist offensichtlich jemand der Meinung, es hätte einen Wert. In diesem Fall ist eben zu zahlen.

    Aus der gleichen Überlegung heraus könnte man fragen, ob jemandem Lohnsteuer berechnet werden sollte, wenn er gemeinnützige Arbeit leistet und dafür bezahlt wird.

    Zumindest in diesem Fall könnte man eventuell neidisch auf die Kirchen schielen. Dort könnte man traditionell am ehesten noch großzügige Sonderregelungen vermuten. (ob dem so ist habe ich nicht geprüft)
    Vor diesem Hintergrund wäre es natürlich gerechtfertigt zu fordern: entweder alle oder keiner!

    Am Ende bleibt aber ein Werksvertrag ein Werksvertrag und somit steuerpflichtig. Wer das nicht will, darf eben keine Rechnung stellen 😉

    Viel interessanter finde ich das Thema Nachbarschaftshilfe. Dazu gibt es zum Teil noch viel absurdere Regelungen – vom steuerlichen Aspekt einmal abgesehen auch zum Thema Versicherungsschutz.

    • @ Tom: ups, jetzt geht hier ein bisschen was durcheinander. Selbstredend zahlen wir Einkommenssteuer. Geld fließt im hier besprochenen Falle ja nur, weil Arbeit geleistet und entlohnt wird und darauf wird Einkommenssteuer gezahlt. Das ist auch in Ordnung. Der Punkt um den es hier geht ist, dass das Produkt nicht auf dem Markt verwertet sondern direkt der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird. Und da habe ich die Frage gestellt? Warum da Mehrwertsteuer erhoben wird (wird auf Nachbarschaftshilfe MwSt erhoben?)
      Und wegen der vermeintlich schelmischen Anmerkung zur Rechnung. Die Mwst (um die es hier geht) zahlen doch die Autoren sowieso nicht, sondern die Auftraggeber. 🙂

      Jedenfalls bringt mich die ganze Diskussion auf die Idee, doch mal genauer zu schauen, wo das Steuerrecht wenige allmendesensitiv ist. Das könnten wir alles mal zusammen tragen. Da würde einiges zusammen kommen. Bei der Kerosinsteuer angefangen.
      Viele Grüße
      Silke

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