Ein Entwurf von Miguel d’Escoto Brockmann und Leonardo Boff. Zum Kontext.
Die Erklärung ist bereits auf unzähligen spanischen Seiten verlinkt und wird Ende April in Bolivien anlässlich des Gipfels der Völker zum Klimawandel und den Rechten der Mutter Erde (eine Reaktion auf das Scheitern von Kopenhagen) diskutiert.
Es kursieren verschiedene Versionen, ich verwende diese. Im Folgenden einige wenige ins Deutsche übersetzte Auszüge, so gut als möglich die Redeweise der beiden spirituellen Instanzen übertragend. (Die ist mir manchmal ziemlich fremd.) Verbesserungsvorschläge für die Übersetzung sind wie immer erwünscht.
Ab hier ist alles zitiert, Kommentare von mir stehen in Klammern.
„Artikel 1
Das höchste, universelle Gemeinschaftsgut, die Existenzbedingung für alle sonstigen Güter, ist die Erde selbst. Denn sie ist unsere Grosse Mutter, die geliebt, geachtet, gepflegt und verehrt werden muss, so wie unsere eigenen Mütter.
I. Das Gemeinwohl der Erde und der Menschheit verlangt es, das wir die Erde als etwas Lebendes, als Subjekt von Würde verstehen. Sie kann nicht von einem Einzelnen angeeignet und nicht… zur Ware gemacht werden, und sie darf nicht systematischer Aggression durch irgend eine Produktionsform ausgesetzt sein. Sie gehört all jenen, die sie bewohnen und der Gesamtheit der Ökosysteme.
…
III. Dem Gemeinwohl der Erde und der Menschheit ist dann gedient, wenn wir sehen, dass alle Lebewesen miteinander in Verbindung stehen, wenn die Lebewesen einen intrinsischen Wert haben, der unabhängig von ihrem Gebrauchswert für die Menschen ist.
Artikel 3
Über Produktions- und Konsummuster, die Lebendigkeit und Ganzheit der Mutter Erde garantieren, sowie soziale Gerechtigkeit, verantwortungsvollen und solidarischen Konsum und ein gutes gemeinschaftliches Leben.
…
Artikel 4
Die Biosphäre ist Gemeingut der Erde und der Menschheit und sie ist das geteilte Erbe aller Lebensformen, deren Hüter wir Menschen sind.
Artikel 5
Zum Gemeingut der Mutter Erde und der Menschheit gehören die natürlichen Ressourcen wie Luft, Böden, Fruchtbarkeit, Flora und Fauna, Gene, Mikroorganismen, repräsentative Bereiche natürlicher Ökosysteme sowie der Weltraum.
(Im Folgenden argumentieren Boff und D’Escoto die Zugehörigkeit von Wasser, Ozeanen, Wäldern oder den Klimazonen zu den Gemeingütern vor allem mit der lebensspendenden Funktion derselben. S.H.)
Artikel 6
Zum Gemeingut der Menschheit und der Erde gehört auch die Vielfalt der Lebensmittel sowie die phytogenetischen Ressourcen, um sie herzustellen, Druck auf diese Ressourcen durch Spekulationen am und für den Markt verbietet sich.
Artikel 7
Öffentliche Güter der Menschheit (Man registriere den begrifflichen Wechsel! S.H.) sind die für das Leben notwendige Energie, Gesundheit und Bildung, die Medien, das Internet, Post und Öffentlicher Verkehr. Medikamente, die in privaten Labors entwickelt wird, sollte nach fünf Jahren zum Gemeingut der Menschheit werden, in Notfällen können sie sofort öffentlich werden. (Herv. von mir. Sehr konkreter, wenngleich radikaler Vorschlag – macht den sonst noch jemand? Wie wird er z.B. von med4all bewertet? S.H.)
Das große Gemeingut der Erde und der Menschheit sind die Menschen, Männer und Frauen, die Würde, Bewußtsein, Intelligenz, Liebe, Solidarität und Respekt besitzen.
I. Wir müssen die Würde betonen, die allen Menschen inne wohnt sowie ihr intellektuelles, künstlerisches, ethisches und spirituelles Potential.
III. Die Gemeinschaften jedweder Art haben die Verpflichtung, die fundamentalen Rechte und Freiheiten der Einzelnen zu garantieren, um die Bedingungen dafür zu schaffen, dass jede_r sein volles Potential ausschöpft und seinen Beitrag zu den Gemeingütern der Mutter Erde und der Menschheit leistet.
Artikel 10
Zum Gemeingut der Erde und der Menschheit gehören auch Wissensbestände, Künste und Techniken, die im Laufe der Geschichte entstanden sind und zusammengetragen wurden.
I. Das Gemeinwohl der Erde und der Menscheit verlangt in allen Kulturen eine Anerkennung jener traditionellen Wissensbestände und Formen von Spiritualität, die zum Erhalt der Erde beitragen und das Potential der Menschheit für das Gemeingut entfalten helfen.
IV. Soziale und Ökologische Gerechtigkeit können nicht voneinander getrennt werden, …
Artikel 11
Zum Gemeingut der Erde und der Menschheit gehören alle Regierungsformen, die die Rechte jedes Menschen und die Rechte der Mutter Erde akzeptieren, und die aktiv einen alle einschließenden Prozess voran bringt, der die Bürger_innen an Enscheidungen, an freiem Zugang zur Rechtsprechung und am Schutz der natürlichen Umwelt beteiligt.
Artikel 12
II. Garantieren, dass das vitale Wissen für die Gemeingüter der Erde und der Menschheit in den unterschiedlichen Bereichen gemeinfrei ist.
III. Es ist verboten, genetische Ressourcen, die für unsere Ernährung und für die Landwirtschaft wichtig sind, zu patentieren. Technische Erfindungen müssen immer eine soziale Funktion erfüllen.
Artikel 13
Zum Gemeingut der Menschheit und der Mutter Erde gehören die Vielfalt der Kulturen und Sprachen, die Verschiedenheit der Völker, die Denkmäler, die Künste, Musik, Wissenschaft, Technik und Philosophie, die Weisheit des Volkes, die ethischen Traditionen, die verschiedenen spirituellen und religiösen Wege.
Artikel 14
Die Gastfreundschaft, die wir uns als Bewohner eines gemeinsamen Ortes, der Erde, gegenseitig zuteil werden lassen, gehört zu den Gemeingütern.
Artikel 21
(hmm, der klingt wie ein Psalm der zartrosa First Lady von Nicaragua, mit dem sie permanent das ganze Land überzieht. Es mag ja sein, dass eine „liebevolle Energie“ die Erde trägt, aber für eine Reform der UNO wird das nicht hinreichen. S.H.)
Artikel 22
All diese Ideale und Kriterien des Gemeinwohls der Mutter Erde und der Menschheit erweitern und verstärken die Rechte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthalten sind….“
Soweit die Erklärung. Für Spanischleser_innen hier noch ein Interview auf rebelión. Und hier ein bisschen Geschichte.
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Silke, der erste Satz von Art. 1 ist (un)gemein wichtig. Wie anders, als mit diesem Denken, können wir die utilitaristische Fixierung hinter uns lassen.
„Das höchste, universelle Gemeinschaftsgut, die Existenzbedingung für alle sonstigen Güter, ist die Erde selbst. Denn sie ist unsere Grosse Mutter, die geliebt, geachtet, gepflegt und verehrt werden muss, so wie unsere eigenen Mütter.“ (Übers. V.B-Th)
Original: „El Bien Común supremo y universal, condición para todos los demás bienes, es la misma Tierra que, por ser nuestra Gran Madre, debe ser amada, cuidada, regenerada y venerada como a nuestras madres.“
In der Tat, Veronika, der ist sehr wichtig. Ich war schlicht aus einem einfachen Grund an der Übersetzung gescheitert und habe es dann gelöscht. Verzwickte fand ich speziell das Wort „regenarada“, das jetzt in Deiner Übersetzung (die ich sehr gut finde) mit „gepflegt“ übersetzt wird. Ich dachte an den Erneuerungsaspekt und brachte „regenerada“ mit „unseren Müttern“ nicht zusammen.
enfin, 1000 Dank, ich denke, so ist es sehr gut!
Hallo, eine Frage:
Haben die Autoren in dem text die Formuleirung des „buen vivir“
gebraucht? Ich bin auf der Suche danach, wie der ausdruck
in den allgemeinen Diskurs gekommen ist.
Für eine Antwort wäre ich serh dankbar,
Ulrich
@ Ulrich Demmer,
sie schreiben „bien vivir“, 3 mal, in den „considerandos“ und in Artikel 2 und 3. Der Begriff stammt m.E. aus den indigenen Kulturen der Andenländer und ist über die Debatten der sozialen Bewegungen in den allg. Diskurs gekommen. Aber vermutlich finden Sie bei Ihren Recherchen viel Präziseres. Dann lassen Sie es mich bitte wissen.
Gruß
S.H.
Unter „Art. 21“ lese ich zwar die Anmerkung, aber keinerlei Text.
@ Frank-Patrick Steckel: Stimmt. Aber ich habe ja viele Artikel nicht übersetzt. Sie können auf das oben verlinkte Original gehen und Artikel, die Sie interessieren in den google-Übersetzer kopieren. Das führt zwar manchmal zu Heiterkeit erregenden Ergebnissen, ermöglicht aber zumindest einen kleinen Eindruck.
Liebe Silke Helfrich – gibt es denn nun irgendwo einen vollständigen deutsche Text der Erklärung?
Nein, soweit ich weiss gibt es das nicht. Ich habe nur die Passagen übersetzt, die mir am relevantesten erschienen, einfach aus Kapazitätsgründen. Beste Grüße
Silke
Entschuldigung – „deutschen Text“!
Liebe CommonsBlogger,
unter dem Nick „wheelswithinwheels“ habe ich auf einer Website, wo die Musik der Band RUSH diskutiert wird (kostenloses-rush-forum.be), ein paar Vorschläge gemacht, wie jeder von uns, nach Gandhis Vorbild, das SEine tun kann, um die Verschwendung von Gütern zu bekämpfen, durch die wir unsere Mutter Erde rücksichtslos und bis zum Ausbluten überfordern. (Warum dort? Weil sich da lauter vernünftige Leute äußern und der Öl-Super_GAU zum Thema eines Threads gemachtwurde. Aber kaum hatte ich meine Vorschlagsliste in diesen Thrread gestellt, hängte keiner mehr einen weiteren Kommentar dran… warum nur?)
Nur indem man konkrete Schadensbegrenzung betreibt – selbst wenn man damit allein und verlacht dasteht – , verehrt man in unserer Zeit wirklich die Erdmutter. Rituale der Zuneigung und Ehrfurcht mögen für unsere Psyche gut sein, aber dem Planeten helfen sie nicht. In Indien bringen sie der Amba, so heißt die Seele des Planeten dort, aufwendige Feueropfer dar. Sie meinen, das heile die Erde. Es würde die Erde eher heilen, wenn man mit den Massen von Früchten, die jetzt immer noch ins Opferfeuer wandern – bei den „Heiden“ in den Tempeln und bei uns auf den Müllhalden, weil wir die Nahrung nicht mehr achten und sie massenhaft wegwerfen – , die Kinder der Armen fütterte.