„Revolution ist nicht für Gemeingüter kämpfen, sondern durch sie“

Andreas Exner schreibt auf Social Innovation über die Potenziale der Commons-Debatte (das mach‘ ich auch gern :-)) …

Nicht nur das markt- und staatskritische Moment der Commons-Debatte hat das Potenzial emanzipative Veränderungen zu bestärken und neu zu orientieren. Darüberhinaus bezieht sie sich organisch auf ein breites Spektrum widerständiger Bewegungen. In ihr liegt deshalb auch die Möglichkeit eines neuen Paradigmas für eine „Bewegung der Bewegungen“.(Herv. S.H.)

Anders als jeder markt- und staatsförmige Zugang mit seiner Botschaft des ‚one size fits for all‘, was in der abstrakten Qualität von ökonomischem Wert und staatlichem Recht wurzelt, wird bei den Commons die konkrete qualitative Vielfalt der stofflichen Realität ins Zentrum gerückt – und mit ihr die vielfältigen qualitativen Anforderungen an deren Verwaltung.“

Nicht nur der stofflichen Realität, auch der kulturellen und sozialen, würde ich hinzufügen.

… und er schreibt über die Problematik der Commonsdebatte:

Die benennt Exner als „Tendenz zur Naturalisierung und  unzureichendes Verständnis des Verhältnisses von Commons, Kapital, Markt und Staat….“

Die Tendenz zur Naturalisierung – als seien Commons eine objektive Realität und keine Vision oder Perspektive – stelle ich auch fest, weniger in der Fachdebatte, sehr ausgeprägt aber in der öffentlichen Wahrnehmung: ‚Die Commons sind der „statisch-abstrakte“ Wald draußen‘.

Irritierenderweise schreibt Andreas Exner das an dieser Stelle so, als seien Commons „von Haus aus“ Gemeineigentum. Dem ist bekanntlich nicht so, wie er am Ende des Textes selbst am Beispiel der Aktiengesellschaft sehr gelungen ausführt.

Der Punkt hier aber ist: Gemeingüter sind nicht das Wasser und der Wald an sich. Stattdessen ist der Begriff der Commons (Gemeingüter) relational. Diese Perspektive wird von Andreas Exner ausführlich zitiert. Und er merkt treffend an, dass man diese Beziehung (Ressourcen – gemeinschaftende Subjekte) nicht nur hinsichtlich natürlicher Ressourcen (Wasser und Wald) oder kultureller Ressourcen (Wissen und Code) verstehen kann:

Dem Commons-Verständnis von Helfrich/Haas folgend ergibt sich freilich keine Einschränkung auf natürliche oder digitale Ressourcen. Vielmehr wäre jedwede Ressource, die menschliche Praxis nutzt, einzubeziehen, allen voran die Maschinerie der industriellen Produktion und dafür nötige Infrastrukturen. Diese sind Resultat der jahrhundertelangen Anstrengungen früherer Generationen, in diesem Sinn also ererbt und an uns weitergegeben.

Das würde ich unterschreiben. Die generelle Frage ist ja: Wie gehen wir so mit den Dingen um (gleich ob natürliche Ressourcen, kulturelle Ressourcen, öffentliche Infrastrukturen – Andreas, dazu gibt es durchaus Material -, oder auch Produktionsmittel), dass

  • endliche und rivalisierende Ressourcen erhalten bleiben? (Nachhaltigkeit)
  • in Fülle vorhandene, nicht rivalisierende Ressourcen nicht verknappt werden? (Offenheit)
  • das Prinzip des Teilens (dieser Gemeinressourcen) lautet: „eine Person = ein Anteil“? (soziale Gerechtigkeit)

Und: wie gehen wir so miteinander um, dass die freiwillige, regelbasierte Kooperation, die bestenfalls vom Staat unterstützt und gefördert wird, die Entfaltung des Einzelnen fördert, ohne dass sie auf Kosten der Anderen oder der Natur geht?

Gemeingüter/ Commons sind jedenfalls zugleich (vielfältige) Lebens- und Wirtschaftsfelder und  analytische Perspektive.

Apropos Unterstützung vom Staat: ja, verschiedene Ebenen staatlicher Institutionen haben sich im Gemeingutmanagement als sinnvoll erwiesen. Unter anderem deswegen sollten wir den Staat auch nicht gleich abschaffen, sondern aus dem Herrschaftsinstrument des Kapitals in ein Dienstleistungsinstrument für die commoners verwandeln. Von „Anrufung des Staates als Schutzmacht“ – Exner – kann ich jedenfalls in der Commonsdiskussion, vor allem im Süden, nicht viel entdecken. Die Commons sind ja  nicht in erster Linie Biotope, die man mit Markt, Macht und Moral schützen muss. Das wäre wieder die Naturalisierungsperspektive, sondern sie sind ein dynamischer Bereich weitgehend selbstbestimmter Lebenswelten – in denen Markt, Macht und Moral soweit als möglich durch Kooperation, Selbstbestimmung und intelligente Steuerungsmechanismen, die die Erfüllung oben genannter Kritieren quasi automatisch herstellen, ersetzt werden. Das gelingt nicht immer, klar (Stichwort Global Commons), aber das ist die Richtung.

Exner meint nun, die Frage der Herrschaft über Produktionsmittel würde in der Gemeingüterdiskussion unterschlagen. Hmm, die Commonsdebatte erlebt seit gut 30 Jahren ein akademisches Revival, seit nicht mal einem Jahrzehnt eine politische Wiederentdeckung. Vorher gab es ständig und überall Debatten zu Gemeingütern (und vor allem gab und gibt es überall die Praxis des commoning). Man denke nur an den Zirkel um Ivan Illich, aber daraus entstand kein machtvoller politischer Diskurs, der dem marktfundamentalistischen Drang der letzten Jahrzehnte etwas entgegensetzen konnte. Diese Chance eröffnet sich erst jetzt wieder. Erst seit ganz wenigen Jahren gibt es ein diskursive, theoretisch, politisch-programmatische Neuauflage, die den gegenwärtigen Bedingungen gerecht werden muss. Doch zugleich werden die Produktionsmittel längst übernommen – Energie in Bürgerhand, Bürgerjournalismus, Freie Soft- und Hardwarebewegung, zahllose Initiativen zum Open Design,  bottom-up Prozesse der Städteplanung, u.v.m.. Hier ist nachzulesen was geschieht, wenn peers produzieren (Christian Siefkes über die Potentiale community basierter oder freier-produktionsmittel-basierter Infrastrukturen).

Der Punkt ist: die meisten dieser Initiativen verstehen sich nicht unbedingt als Teil einer „Bewegung der Bewegungen“. Die Möglichkeit des neuen Paradigmas liegt aus meiner Sicht zwar auf der Hand, aber sie hat sich (noch) nicht entfaltet. Vermutlich wird die Revolution zunächst durchkämpft. Und erst hinterher benannt. (War das eigentlich immer so in der Geschichte?)

Während mir in der öffentlichen Debatte wiederholt entgegen gehalten wird, wir „wollten wohl den Staat abschaffen – wie die Liberalen (sic)“, konstatiert Andreas Exner:

„in der Commons-Debatte eine liberale Tendenz, die sich auf den Erhalt von Markt, Kapital und Staat ausrichtet.“

Tatsächlich stehen Commons in einem widersprüchlichen Verhältnis zum Kapital, da ist  Exner zuzustimmen, die meisten Sphären der Gemeinschaftlichkeit ermöglichen überhaupt erst eine – oder eine bessere – kapitalistische Verwertung. Sie sind ihre Grundlage. Da muss man gegenhalten, dem Kapital diese Grundlage entziehen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Etwa „einfach“ der Vermarktung den Stoff zur Verwertung entziehen, wie die  Freie Software Bewegung das gemacht hat und das eigene als Gemeingut herstellen. Das kommt dann gar nicht unbedingt als „widerständige Commons“ à la „Nieder mit Microsoft“ daher. Ist aber höchst effizient.

Andreas Exner vermutet, nur diesen explizit widerständigen Commons, die

sich auf Praxen des Widerstands gegen Markt und Kapital beziehen.“

wohne ein emanzipatorische Potential inne.

Ein daraus abgeleiteter Begriff des Gemeinguts wäre also kein abstrakt-allgemeines analytisches Konstrukt, das von der Sprache bis zu den Genen überall ‚Commons‘ erblickt und dabei stehen bleibt, sondern Begriff für eine wirkliche Bewegung mit emanzipatorischer Potenz.“

Hmm, wir haben ja schon festgestellt, dass Sprache und Gene (und Wasser und Wissen udn Wald) nicht Gemeingüter sind, sondern Gemeinressourcen. Diese Ressourcen sind ein elementarer Baustein des Commonsbegriffs. Aber sie werden erst durch unsere soziale Praxis zu Gemeingütern (Commons) werden. Um das deutlicher zu machen: Wenn ein Gen patentiert und damit privat angeeignet wird, ist es – zumindest für die Laufzeit des Patents – kein Gemeingut mehr. Trotzdem ist es noch als Gemeinressource zu betrachten, was eine wichtige (die zentrale?) Begründung dafür liefert, dass die private Aneignung von Genen undenkbar ist und politisch verhindert gehört. Nicht „die Commons“ sind widerständig, sondern einfach die Menschen, die erstmal sagen: „Hände weg! Das ist unser!“

Den Commons (nicht den Gemeinressourcen, den common pool resources, die „man überall erblickt“), ist also selbstredend ein emanzipatorisches Potential immanent. Die Frage ist nur, wofür dieses Potential von den einzelnen communites genutzt wird. Das alles heißt nämlich: Man muss sich darauf verlassen, dass es einen sozialen Prozess gibt, damit Dinge, die auf Grund ihrer Genese und Funktion geteilt werden müssen, wirklich zu Commons im oben genannten Sinne werden. Dass also soziale Formen entstehen und gedeihen, in denen diese Ressourcen nicht Einzelnen zufallen und in dem sie auch nicht einfach vom Staat vereinnahmt werden können (etwa um Haushaltslöcher zu stopfen, um Loyalitäten zu sichern oder dem Kapital einen Dienst zu erweisen).

Und genau dieses Setzen auf das Commoning, darauf, dass die Nutzungsberechtigten stabile soziale Formen finden, kann auch schiefgehen. Deswegen ist die Commonsdebatte mitunter so anstrengend. Gemeinschaftliche Prozesse sind ja ebensowenig verlässlich, wie Markt und Staat, aber sie sind vielversprechender, weil die Menschen in der Regel sehr wohl wissen, was für sie gut ist, wenn man sie lässt. Sie sind lebensorientierter, demokratischer, vielfältiger und damit krisenfester. Und das ist es, was wir brauchen.

Ich sag’s mal so. Tatsächlich könnte man der Commonsdebatte vorwerfen, dass es ihr zu wenig um den Kapitalismus geht. Denn es geht in der Debatte vorwiegend um das  (gute) Leben. Deshalb ist der springende Punkt einer solchen Bewegung nicht, wie Exner formuliert:

das Kapital praktisch anzugreifen„, sondern

wie er auch formuliert:

alternative Organisationsform menschlicher Tätigkeit und gesellschaftlichen Lebens auf den Weg zu bringen.

Wenn das geschieht, gewinnen die Menschen Souveränität und Wahlmöglichkeiten und  dem Kapital werden automatisch die Zugriffsmöglichkeiten auf Gemeingüter entzogen, so dass es sie nicht mehr be- und vernutzen kann. Dann stellt

Das Commoning […] das Kapital selbst zur Disposition.“

Das ist die Perspektive der Commons (finde ich).

Warum das nicht so sein soll, versucht Andreas Exner am Beispiel der mit Hilfe staatlicher Institutionen durchgesetzten Errungenschaften der Arbeiterbewegung zu erklären, die dem Kapital überhaupt erst zu Stabilität verhilft. Dabei vermengt er ‚kollektives Interesse einer bestimmten Gemeinschaft – der Lohnarbeitenden‘, mit ‚öffentlichen Gütern‘ und der ‚Commonsidee‘. Das Beispiel verweist aber auch auf ein Agieren im System, nicht an dessen Schnittstellen oder außerhalb des Systems, also „jenseits von Markt und Staat“, wie gern formuliert wird.  Doch genau darum geht es in einer Praxis der Gemeingüter. Und das ist subversiv, weil es

„das Verhältnis zwischen der kapitalistischen und den nicht-kapitalistischen Produktionsweisen verschieben können.“

„Entkoppeln“ ist ein guter Begriff dafür. Nicht nur Ressourceneffizienz innerhalb des Systems (wie der Green New Deal das propagiert oder der „Vater der Ökosteuer, Hans Christoph Binswanger, der 1,8% Wachstum als Minimum ausrechnete, damit das System nicht kollabiert, dabei frißt auch dieses Wachstum die Gemeingüter.), sondern so viele Lebensbereiche wie möglich so organisieren, dass die 3 oben genannten Bedingungen erfüllt sind und zwar im wesentlichen beruhend auf der Nutzung lokal verfügbarer (!) natürlicher Ressourcen (genau da muß die community der digitalen commoners, der freien Designer und 3 D-Drucker-Fans noch nachlegen), radikal dezentral, aber vernetzt.

Hence ‘revolution’ is not struggling for commons, but through commons, not for dignity, but through dignity“ (Massimo de Angelis).

(Update: 11.04.2010)

20 Gedanken zu „„Revolution ist nicht für Gemeingüter kämpfen, sondern durch sie“

  1. Danke, Silke!

    Ich weiß nicht ob die Unterscheidung „common pool resources“ und „commons“ soviel Sinn macht. Im ersten Fall – so verstehe ich das – meint man normativ, etwas solle eigentlich ein Gemeingut sein, im zweiten Falle stellt man fest: es ist de facto eines (weil eine entsprechende community durch commoning eine common pool resource dazu macht).

    Mein Ansatz wäre zu sagen, dass alles, was Menschen nutzen, zu den common pool resources in Deinem Sinn zu zählen ist (siehe meine Argumente im Weblog-Eintrag; Eure Definition macht es unmöglich, irgendeine „Resource“, ein Produktionsmittel, eine gesellschaftliche Infrastruktur aus den common pool resources und den wünschenswerten commons auszuschließen; was ich sehr gut finde). Damit verliert der Begriff aber seine Bedeutung.

    Eher schon scheint mir folglich ein (anders verstandener) Begriff von common pool resources nützlich, wenn man den Besitz von Land, Produktionsmitteln etc. unterscheiden will von der Art, wie der „benefit flow“ verteilt wird.

    In der Verteilung des „benefit flow“ von jenen „common pool resources“, die „commons sind“ (im Sinn von Gemeingut + Gemeinschaft) schließt ja die Debatte um die Rolle von Märkten an. Märkte halte ich, wie in unser beider Debatte bekannt, entweder für relativ unwichtig oder aber (sollten sie eine größere Rolle spielen) für commons-gefährdend.

    Als Beispiele wären zu nennen: Kooperativen, die ihre Produkte verkaufen. Konkret kann man an die meisten Projekte der Solidarischen Ökonomie denken (die deshalb ja auch immanent widersprüchlich und äußerst prekär sind), aber auch an eine Wassergenossenschaft, die „ihr“ Wasser verkauft, oder aber an (manche? viele? die meisten?) Agrargemeinschaften, wie man sie in Österreich kennt, die de facto nicht viel mehr als eine Besitzoligarchie darstellen.

    Wohlgemerkt: das ist gar kein Argument, diese Ansätze und Projekte bzw. Organisationsweisen zu verwerfen, aber ein Grund, sie sich genau anzusehen und Märkte kritisch zu betrachten.

    Was die „Staatsfrage“ angeht: ja, im Süden gibt es offenbar ein kritischeres Verständnis des Staates als im Norden, denke ich auch.

    Ich weiß nicht ob man zwischen „öffentlichen Gütern“ und „commons“ unterscheiden sollte bzw. sinnvoll unterscheiden kann. In Eurem Beitrag Helfrich/Haas 2009 meint ihr, öffentliche Güter seien „hergestellt“. Das scheint mir kein Unterschied zu „commons“ darzustellen.

    Ich denke, es macht Sinn, das, was Du „öffentliche Güter“ nennst, als „commons“ zu begreifen, die in den Staat eingeschrieben wurden. Das macht deutlich, erstens wo diese „commons“ entstanden sind (nämlich im „commoning“ der Arbeiter_innenbewegung etc.), zweitens dass sie nicht notwendig staatlicher Form sind/sein müssen.

    Da hab ich vielleicht auch missverständlich formuliert, worum es mir geht. Aus der Tatsache, dass commons für das Kapital notwendig sind folgt (natürlich) nicht, dass man gegen commons ist. Aus der Tatsache, dass die Sozialversicherung auf dem Kapitalverhältnis beruht (es braucht Einkommen, die verteilt werden können), folgt klarerweise nicht, dass man gegen die Sozialversicherung auftritt (im Gegenteil). Es ist das eben ein widersprüchliches Verhältnis und daran gilt es anzusetzen, in Richtung auf eine Auflösung des Widerspruchs. Dazu muss man das aber auch erkennen (was ja nicht alle tun, finde ich).

    Was die Frage des „Angriffs auf das Kapital“ etc. angeht, nun, das sind wohl eher rhetorische Fragen oder taktische Überlegung, ob und wann man diesen Aspekt benennen will oder gar ins Zentrum stellt. Natürlich wird man sich angesichts der eigenen Schwäche und der Komplexität von Herrschaftsstrukturen nicht auf die Straße stellen und zum „Angriff auf das Kapital“ blasen. Wie sollte das auch gehen…

    Man kann aber denke ich nicht leugnen, dass etwa eine Wasserressource, die einem Konzern weggenommen wird, einen Angriff auf das Kapital darstellt. Es gäbe viele andere Beispiele. Jede Betriebsbesetzung gehört dazu… etc. Analytisch ist es also wohl wichtig, zu erkennen, wo „lediglich“ Kämpfe gegen das Kapital geführt werden (dazu gehört ein Streik, der Elemente von commoning enthält) und wo effektiv eine alternative Organisationsweise oder Elemente davon aufgebaut werden. Oder umgekehrt: wo zwar eine alternative Organisationsweise aufgebaut wird, das Kapital aber nicht angegriffen wird. Das ist jetzt mal analytisch gemeint, das hat ja Auswirkungen auf die Art, wie commoning abläuft, welche Strategien entwickelt werden etc. … so ist es eine (gute) Sache einen „Alternativbetrieb“ zu gründen und eine andere (gute), eine Fabrik zu besetzen … (und wieder eine andere, gute, eine Fabrik zu besetzen, die Profite produziert…)

  2. @andreas: Die Unterscheidung zwischen CPR und Commons ist nicht die zwischen deskriptiv und normativ (Das hat Silke ein bisschen missverständlich formuliert fand ich). Commons sind mehr als eine Ressource, darum geht es. Commons sind auch eine Gemeinschaft und die Regeln dieser Gemeinschaft in Bezug auf CPR. Alles drei zusammen sind die Commons. CPR sind sozusagen der materielle Gehalt der Commons, nimmst Du die CPR aus der Commonstheorie raus, landest Du beim Kommunitarismus.

  3. Die Unterscheidung von CPR und Commons halte ich für sehr wichtig. An der Klimakatastrophe kann man das sehr gut sehen: Die Atmosphäre ist zwar eine CPR, aber es ist nicht gelungen, daraus ein Commons zu machen, da es keinen sozialen Prozess des Commoning gibt (und sei durch die staatlichen Treuhänder).

    Und dass potenziell alles CPR ist, birgt eine enorme begriffliche Kraft, die darin liegt, dass dann automatisch die Frage des Commoning oder anders: der sozialen Aneignung ansteht. Commoning ist nämlich ein Prozess der sozialen Aneignung einer Ressource. Damit ist dann auch die linke Aneignungsdebatte endlich weg von der bloß formalen, juridischen Eigentumsfrage hin zur wesentlich wichtigeren Frage der Form der sozialen Produktion, des Commoning, transferiert. Dafür ist die begriffliche Differenz von CPR und Commons aber wichtig.

    Hier fand ich es erhellend, dass du, Andreas, die Rolle der (historischen) Arbeiterbewegung hervorgehoben hast. Vereinfachend könnte man sagen, dass die Arbeiterbewegung auf den Staat als Commons-Treuhänder gesetzt hat — und damit auf die Nase gefallen ist. An dieser Stelle könnte man, Silke, gegen den Vorwurf Commoners = liberale Entstaatlicher mit qualifizierten Kriterien reagieren, unter denen es dem Staat erlaubt ist, die vorübergehende Treuhänderschaft über bestimmte Commons zu übernehmen. Dass der Staat (in der Mehrzahl) das keinesfalls immer hin bekommt, zeigt das Versagen in der Klimadebatte.

    Im übrigen verstehe ich immer weniger, warum die SolÖk noch eine extra Dimension darstellen soll. Entweder sie ist Teil der Marktwirtschaft, also Ökonomie, oder sie sind Teil der Commons, dann aber jenseits von Markt und Staat. Andreas, wer Anti-Markt ist oder ihn bestenfalls randständig haben will, muss genauso mit der Ökonomie als Ganzes verfahren. Dann ist »Solidarische Ökonomie« aber eine contradictio in adjecto (Widerspruch in sich). Die neue Ausgabe der »Contraste« zeigt das deutlich. Es gibt ja auch keine »Commons-Unternehmen«, sondern bestenfalls Unternehmen, die sich commons-förderlich verhalten.

  4. @benni und alle, eine Frage auf die Merkliste: Vielleicht können wir irgendwann mal klären, was denn nun genau die drei Elemente der Commons sind:
    Ressourcen + Community + Regeln
    ODER
    Ressourcen + Praxis (Community + Commoning) + Gemeingüter.

    Bei dem ersten fehlen mir stets die Produkte, das Resultat des Commoning, das, was als Gemeingut entsteht. Die erste Formulierung leistet der von Andreas konstatierten Naturalisierung Vorschub, IMHO.

  5. Hallo miteinander,
    zunächst: Enschuldigt bitte mein Interpunktion. Ich hoffe, ich habe jetzt die schlimmsten Kommafehler rausgefischt. Bin nicht wirklich gut zu so etwas in der Lage.
    Danke Stefan/Benni, dass Ihr die wichtigste Frage (Unterscheidung CPR – commons) schon beantwortet habt. Benni, wo lag da bei mir die missverständliche Formulierung?

    CPR sehe ich nicht normativ, sondern sie sind sozusagen die Objekte der Debatte (Stimmt, nimmt man die weg, landet man beim Kommunitarismus. Interessanter Gedanke!). Es ist nicht alles Common Pool Resource, es gibt auch noch was anderes. Die Tatsache aber, dass etwas CPR und kein „privater Schuh“ ist, führt dazu, dass man diese prinzipiellen Anforderungen stellen muß. Aber es gibt kein Produkt auf dem Markt (oder sonstwo), das ohne Zugriff auf CPRs hergestellt werden könnte. Deswegen zahlen wir ja Steuern und so…

    Ein fundamentaler Unterschied zu anderen politischen Konzeptionen ist das basic statement der Commonsdebatte: „eine Person/ein Nutzungsberechtigter – ein Anteil“. Das klingt banal, ist es aber nicht. Auf dem Markt heißt es: „Ein Dollar – Ein Anteil“ und in den staatlich organisierten Umverteilungssystemen heißt es „ein Beitragender/ ein Steuerzahler – ein Anteil“. Entsprechend werden die ‚Steuerungsinstrumente‘ gestrickt.

    Zu öffentlichen Gütern und Commons: Wir haben hier nochmal ein bisschen ausgeführt.
    http://www.boell.de/downloads/Gemeingueter_Report_Commons.pdf Seite 9.
    Eigentlich denke ich in der Tat, dass Du die meisten öffentlichen Güter als Common Pool Resources verstehen kannst (wenn wir jetzt nur auf Resourcenebene bleiben), also im Ergebnis die Öffentlichen Güter als Sonderform der Commons gefasst werden können, und da wird der Staat als Treuhänder wichtig. (Siehe dazu weiter unten.) Wenn Du das so wendest, bekommst Du eine ellenlange Debatte mit den klassischen Ökonomen, die einen sehr engen Begriff von Öffenltichen Gütern haben und sogar mit den ExpertInnen der Debatte um Öffentliche Güter, die Gemeinressourcen als Sonderfall der Öffentlichen Güter betrachten (und nicht umgekehrt). Großes Chaos.

    In Sachen „Angriff auf das Kapital“ (Andreas) sind wir uns einig. Da kann man ja viel von der Freien Software Bewegung lernen. Auch dem Schluss Deiner Antwort kann ich gut folgen.

    Stefan:
    „Und dass potenziell alles CPR ist,…“

    ich denke, es ist begründungspflichtig, dass wir etwas als CPR benennen. In „Wem gehört die Welt“ begründen wir das u.a. mit der Genese und mit der (lebenswichtigen) Funktion. Es mag noch andere Begründungen geben. Ich würde sagen also „dass potenziell so vieles CPR ist…“
    „… birgt eine enorme begriffliche Kraft, die darin liegt, dass dann automatisch die Frage des Commoning oder anders: der sozialen Aneignung ansteht. Commoning ist nämlich ein Prozess der sozialen Aneignung einer Ressource. Damit ist dann auch die linke Aneignungsdebatte endlich weg von der bloß formalen, juridischen Eigentumsfrage hin zur wesentlich wichtigeren Frage der Form der sozialen Produktion, des Commoning, transferiert.“

    EXAKT!

    „Vereinfachend könnte man sagen, dass die Arbeiterbewegung auf den Staat als Commons-Treuhänder gesetzt hat — und damit auf die Nase gefallen ist.“
    So isses, und die ganze Welt fällt gerade damit auf die Nase, dass sie die Nationalstaaten zum Eigentümer der biologischen Ressourcen und der Saatgutvielfalt gemacht hat, aber es gibt eben auch Fälle, wo man damit nicht auf die Nase fällt. Beispiel: Flüsse und Wälder in Deutschland.
    Deswegen stimme ich auch Stefan zu wie man auf die Kritik, wir seien liberal-ähnliche Staatsabschaffer, reagieren könne. Versuche ich auch immer so anzugehen. Vielleicht sollten wir mal in einem spezifischen Beitrag zu den „qualifizierten Kriterien“ arbeiten, wann der Staat für gelingendes Commoning wichtig ist. Das wäre lohnend und es gibt Unmengen Material dazu, das ich nicht gesichtet habe.

    Zur anstehenden Einigung:
    Stefan, Du hast mich von der zweiten Variante
    ‚Ressourcen + Praxis (Community + Commoning) + Gemeingüter‘
    die ich so nur von Dir kenne, noch nicht überzeugt.

    Daher bleibe ich vorerst – etwas erweitert – bei
    ‚Ressourcen + Community + Regeln/Normen des Commoning‘

    Auch, weil nicht aus jeder dieser Additionen „Produkte“ enstehen. Aus dieser Formel ensteht mitunter einfach die Möglichkeit, bestimmte Dinge im Leben geregelt zu kriegen. Dies dann als Produkt = Gemeingut zu fassen hinkt ebensosehr, wie das, was mich an meiner Sprachregelung gerade stört. Ich übersetze ja die die Commons etwas hinkend mit dem Wort ‚Gemeingut‘ . Bin unzufrieden, aber ob es nun „das Gemeinsame“ ist, wie bei Hardt/Negri, weiss ich auch noch nicht.

    Warum ‚Ressourcen + Community + Regeln/Normen des Commoning‘ der Naturalisierung Vorschub leisten soll, kann ich nicht erkennen.

    Und ansonsten, GUTE NACHT!

  6. @Silke:

    Zur Frage der Produkte kann ich eigentlich nur zurück fragen, wo denn keine Produkte entstehen. Es geht doch mindestens darum, die verwendete Ressource zu bewahren und nutzbar zu halten. Das ist dann das Produkt des Commoning: Die Ressource wird erhalten und besser weitergereicht. Nimm bspw. die Sprache als CPR. Da sehe ich das auch so: Die Pflege der Sprache erhält die Sprache und gibt sie an spätere Generationen weiter.

    Was du mit »bestimmte Dinge im Leben geregelt zu kriegen« als Commons meinst, was keine Produkte hervorbringen soll, ist mir hingegen nicht klar.

    Zur Naturalisierung: Ressourcen + Community + Regeln befördert die Naturalisierung, weil hierin die Ressourcen — insbesondere wenn man sie auch noch common _pool_ ressources nennt — die Bedeutung »natürliche Ressource« nahe legen. Ressource ist aber kein Seinsbegriff (etwas ist eine Ressource oder nicht), sondern ein Funktionsbegriff (etwas kann die Funktion einer Ressource haben oder eine andere Funktion). Eine Ressource kann also auch ein Ausgangsprodukt eines Commoning sein, eine »hergestellte Ressource«. Das Produkt des Commoning unter Nutzung der Ressourcen kann wiederum zur Ressource eines neuen Commoning werden. Das ist also eine dynamische (zyklische) Sicht auf die Commons.

    Deswegen sind mir die Produkte so wichtig. Anderenfalls fallen die Resultate einfach aus der Betrachtung raus. Commoning hat Voraussetzungen, einen selbstbestimmten Prozess und Resultate. Diese drei Elemente müssen drin sein — IMHO.

  7. Stefan hat Recht, die Resultate gehören dazu (würde die aber nicht Gemeingüter nennen, weil das eben nicht immer so ist, sie können ja zB. auch privatisiert werden). Mir war bisher noch gar nicht bewusst, das wir da unterschiedliche Darstellungen verwenden. Wieder was gelernt. Vielleicht muss man aber trotzdem vier Punkte machen. Community und Commoning sind doch ziemlich unterschiedliche paar Schuhe.

    Also so:

    Commons = CPR + Community + Commoning + Resultate.

  8. Pingback: “Vor Verändern kommt Verstehen” « CommonsBlog

  9. @ Stefan:
    „bestimmte Dinge im Leben geregelt kriegen“ = also so handeln/ umgehen/ haushalten (andere nennen es „wirtschaften“) dass es in kommerzfreien Räumen möglich ist, die Dinge zu kriegen, die Du zum Leben brauchst, etwa in dem zu Zeit investierst, was teilst. Entsteht aus dem Teilen (als ein Kernelement von Commoning) ein Produkt?

    Wieso legen CPR die Bedeutung „natürliche Ressourcen“ nahe? Vielleicht weil das jahrelang in der Forschung so verwendet worden ist? Oder weil der ‚pool‘ immer als etwas begrenztes/ endliches gesehen wird?
    Für mich sind auch Töne, die Sprache, der Code, die öffentlichen Infrastrukturen ein „pool“, aus dem ich und andere schöpfen. Also eine CPR.

    „Das Produkt des Commoning unter Nutzung der Ressourcen kann wiederum zur Ressource eines neuen Commoning werden. Das ist also eine dynamische (zyklische) Sicht auf die Commons.“

    Ja, aber wenn Du das im Kreis siehst (nicht so linear, wie Benni es hier so schön notiert hat), warum müssen wir das dann unterscheiden? Die Produkte sind eben genau das: CPR, in veränderter Form („alles fließt“).
    Vielleicht muss man sich das wie eine Spirale vorstellen, aber eine, in der nicht der Ressourcenverbrauch wächst, sondern im Gegenteil die verfügbaren CPR.
    Gibt’s dazu eigentlich Literatur?

  10. @ Benni, ja: Community und Commoning sind was anderes. Finde ich auch. Und, ja, die Resultate können auch verkauft werden, etwa um Räume des Commoning zu ermöglichen oder zu pflegen.
    Dh. an der Stelle verlassen „Dinge/Produkte/Güter“ den Commonszyklus. Das ist die Schnittstelle zu den (nicht unbedingt kapitalistischen) Märkten, die wir gerade auf der Liste diskutieren, oder? Wo also der Dissenz im Raum steht, ob auch Tausch von Produkten, der die Existenz der CPR und die Möglichkeiten des Commoning nicht gefährdet, des Teufels ist oder nicht.
    Und da sagen Leute wie Michel oder ich: Lass sie doch tauschen, mit Regionalwährungen, unter Zugriff auf die eigenen, nicht auf fremde Ressourcen und ohne den Zugriff aller auf nicht-endliche CPR einzuschränken (free flow of ideas), unter Berücksichtigung nachhaltiger Bewirtschaftungsregeln, usw. Hier hätte also der GND seine politische Arena – , aber die Commons müssen wieder ins Zentrum der Gesellschaft rücken! Und Staat hat das zu flankieren und nicht das Kapital zu schützen. Und nicht etwa, weil das Kapital so böse ist, sondern weil das nicht die Aufgabe des Staates ist. Und andere sagen: Markt ist nicht anders denkbar als in dieser kapitalistischen Form mit ihrem inhärenten Wachstumszwang, der zwängsläufig die Commons (also die CPR und die Sozialbeziehungen) zerstört.
    Würdest Du, Stefan, dann sagen… sobald ein „Produkt“ aus dieser Commonsspirale rausgeht, haben wir es nicht mehr mit Commons zu tun?
    Wir müssten das mal aufzeichnen.

  11. Ja, darum geht’s: Die »Dinge zu kriegen, die Du zum Leben brauchst« — das sind die Resultate des Commoning. Das ist ihr Sinn. Die müssen deswegen mit in der Betrachtung sein.

    Wir sind uns ja einig, das CPR nicht nur Naturgüter sind. Ich habe nur sagen wollen, dass ich nachvollziehen kann, warum andere doch eher CPR=Naturpool assozieren.

    Warum müssen wir Ressourcen und Produkte unterscheiden, wenn man eine zyklische Sicht hat? Weil es ein Unterschied ist, ob etwas als Ressourcen in einen Prozess eingeht oder als Produkt heraus kommt. Dieser Unterschied ist zentral für die notwendige Anschlussüberlegung, dass die Commons sich deswegen auch vernetzen können, weil die Produkte des einen potenziell die Ressourcen des anderen sein können. Diese potenzielle _gesellschaftliche_ Dimension ist es, die wir in den Blick nehmen müssen. Sonst kann man uns zurecht vorhalten, nur auf der Ebene der bloßen Gemeinschaften zu verbleiben. Die Commons sind aber ein gesellschaftlich verallgemeinerbares Strukturmodell. Dafür muss das Denkinstrumentarium auch geeignet sein.

    Ja, ein Produkt, das aus einem Commons rausgeht, um verkauft zu werden, ist selbst kein Commons mehr. Ich finde, das liegt auf der Hand (per Definition). Wird es gar eigens dafür hergestellt, um verkauft zu werden (also nicht nur zufällig mal gegen Geld abgegeben), dann handelt es sich um eine Ware. Dann ist auch das Projekt nicht mehr »jenseits vom Markt«, sondern mitten drin. Dann wird es zum Unternehmen. Das kann passieren.

    Die Frage, ob das »commonsschädlich« oder »commonsverträglich« geschieht ist eine davon getrennt zu beantwortende. Unternehmerisches Handeln kann kein Commons-Handeln sein, sondern es ist Markt-Handeln nach der Logik des Marktes. Aber unternehmerisches Handeln kann commons-freundlich geschehen, kann — ökonomisch gesprochen — externe Effekte produzieren, die die Commons befördern. Und das ist selbstverständlich zu begrüßen (und von Unternehmen zu fordern). Es sind aber selbst keine Commons.

  12. Eine weitere Diskussion ist die nach der Art der Vernetzung und Kopplung der Commons miteinander (also Unternehmen, die dem Markt entsprechend handeln, außen vor gelassen). Die potenzielle Koppelbarkeit habe ich im vorstehenden Kommentar dargestellt. Allerdings geht’s ja nicht nur um eine Ressourcen-Produkte-Kopplung, sondern die Produkte sind ja vor allem auch dazu da, genutzt zu werden — eben um sie nicht mehr auf dem Markt gegen Geld erwerben zu müssen.

    Wie koppeln sich die Commons-Projekte nun? Das ist die Knackfrage der »Solidarischen Ökonomie«. Wenn sie sich über Geld nach den üblichen Marktregeln koppeln, dann verlieren sie ihre Commons-Eigenschaft und werden zu Unternehmen. Das kann immer noch commons-freundlch geschehen, siehe oben. Aber dann ist es Ende mit den Commons.

    Wenn sie sich nun z.B. über eine Regionalwährung koppeln, dann ist das zunächst tatsächlich was anderes, weil sie weiterhin eigene Regeln festlegen können. Lokale Ressourcen werden lokal ausgetauscht — fern ab vom »großen Markt«. Das klingt nach einer guten Idee.

    Dagegen sind zwei Dinge einzuwenden: (1) Die »lokale Logik« tendiert dazu, die Logik des »großen Marktes« zu reproduzieren. (2) Die lokale Währung tendiert dazu, mit der allgemeinen Währung austauschbar zu werden, um einen Anschluss an den »großen Markt« zu bekommen (und sei es nur, um dort mal eben das benötigte Handy zu kaufen etc.).

    Die Kritik ist also: Der lokale Start mit eigenen Regeln endet beim globalen Markt mit fremden Regeln. Das hängt nicht vom Wollen der einzelnen Beteiligten ab, sondern setzt sich als Tendenz der großen Anzahl im Mittel einfach faktisch durch.

    Ok, nichts desto trotz wird es die Experimente geben. Auch wenn ich sie kritisiere, sind es Experimente, aus denen man was lernen kann. Und sei es, wie es nicht geht. Und wer weiss, vielleicht geht ja was an Stellen, die gar nicht im Fokus sind. Aber das entscheidet die Praxis, nicht der/die Kritiker/in.

  13. Hallo Silke, Benni, Stefan

    Danke Stefan für den Hinweis, dass die Debatte weiterging. Da kommt eine Menge Material zusammen – das ist für mich wie ein strukturiertes Brainstorming; man sollte mal eine Debatte führen, die sich des Printmediums bedient (scheint mir übersichtlicher).

    4 Punkte scheinen mir besonders wichtig:

    1. Solidarische Ökonomie betrachte ich wie die Commons als einen Diskurs und ein Praxisfeld. Da die Commons-Debatte Produktionsmittel und Infrastrukturen außen vor lässt (entgegen der üblichen Commons-Definitionen), halte ich die Solidarische Ökonomie für ein mögliches Korrektiv.

    2. Ich würde den Begriff der „Ressource“ eher kritisch sehen. Ressourcen existieren in keiner Weise vor Menschen, die sich etwas aneignen, in einer bestimmten Form, zu bestimmtem Zweck. Von CPRs zu sprechen hat einen gewissen Nutzen (nicht nur normativ, das stimmt @Benni, auch deskriptiv), aber es sollte nicht dazu führen, die Welt in CPRs parzelliert zu denken ohne Bezug zu Aneignungsformen und -bewegungen.

    3. Community von Commoning zu unterscheiden… ich weiß, da bin ich auch nicht so überzeugt. Uns interessieren im Kontext der Commons ja ohnehin nur jene Beziehungen, die ein Commoning darstellen. Und man könnte sagen, dass es „communities“ ohne Commoning nicht gibt – denn was sollte sonst eine community sein?

    4. Zur Frage des Marktes im Verhältnis zu Commons plane ich mittelfristig noch einen Weblog-Eintrag. Ich trage geistig und physisch (Publikationen) ein wenig Material dazu zusammen. Besonders spannend, soviel sei verraten, finde ich in dieser Hinsicht übrigens die Neuerscheinung von Helge Buttkereit, „Utopische Realpolitik“, aber auch einige Debatte im Rahmen der „peasant studies“.

    5. Der Staat hat so viele Aufgaben, wie er sie von politischen Strömungen zugeschrieben bekommt. Und die Zuschreibung als solche ist keine Schwierigkeit, da ihr zuerst mal niemand und nichts widerspricht. Was er historisch und strukturell tatsächlich darstellt (eine Apparatur, die überhaupt erst mit Marktwirtschaft und Kapital entsteht und diese ebenso konstituiert wie diese sie konstituieren), ist aber eine andere Frage. Dies schließt nicht aus, Forderungen an die Apparaturen des Staates zu stellen, schließt aber meines Erachtens (vor dem Hintergrund einer kritischen Staatstheorie und vielfältigen empirischen Belegen) aus, Commons-als-Perspektive mit dem Staat-als-Perspektive für vereinbar zu halten. Ebenso spannend wie essenziell ist freilich die Frage der praktischen Transformation.

  14. Hallo,
    zunächst zu Andreas:
    Ich weiss nicht, wieso Du davon ausgehst, dass die Commonsdebatte Infrastrukturen und Produktionsmittel außen vor lässt.
    Mehr dazu auch in der Replik von Stefan auf Ingo Stützle. http://www.keimform.de/2010/04/13/vor-veraenderung-kommt-verstehen-allerdings/
    Bei mir fiel das kürzer aber ganz ähnlich aus.

    Zu Punkt 2 – völlig d’accord. Natürlich ist das ein antropozentrischer Begriff, aber wir reden ja von Gesellschaft und da da stehen wir nunmal mittem im Zentrum, wir Menschen. In der Commonsdebatte geht es eben nicht um die Dinge da draußen, getrennt von uns, sondern um die Dinge da draußen, zu denen wir eine Beziehung haben. Einfach weil wir sie zum Leben brauchen. Und in dieser Beziehung werden sie Ressourcen. Das ist einfach so.

    zu Punkt 3: Das eine ist das Subjekt, das andere die Handlung.

  15. @Stefan: vielleicht Commons als Strukturierungsmodell (dynamisch) nicht als Strukturmodell (statisch).

    Zur Trennung Ressourcen und Produkte: Ich bin völlig einverstanden, dass es diesen Unterschied gibt und dass man ihn machen muss. Meine Frage ist nur, ob diese Produkte (die ja im Ergebnis von commoning ZUGLEICH cpr und Ware sein können) konstitutiv sind für den Commonsbegriff? Da müssten wir theoretisch nochmal tiefer schürfen… bzw. das in die wissenschaftliche Debatte werfen … wenn wir schon eine neue Theorie aufstellen :-).
    Ich schlage die nächste IASC Konferenz in Hyderabad vor :-), fürchte nur, dass die deadline für die Einreichung der Vorschläge schon abgelaufen ist.

    „Dieser Unterschied (zwischen Ressource und Produkt) ist zentral für die notwendige Anschlussüberlegung, dass die Commons sich deswegen auch vernetzen können, weil die Produkte des einen potenziell die Ressourcen des anderen sein können. Diese potenzielle _gesellschaftliche_ Dimension ist es, die wir in den Blick nehmen müssen.“
    Das finde ich super. Wird mir klarer. Aber die Frage, wie im Commonsdiskurs die gesellschaftliche Dimension deutlich gezeichnet werden kann ist doch eine andere als die der Begriffsbestimmung, oder? Siehe oben. Ist das entscheidend für die Commons“definition“?

    Mit dem Folgenden bin ich völlig einverstanden:
    „Aber unternehmerisches Handeln kann commons-freundlich geschehen, kann — ökonomisch gesprochen — externe Effekte produzieren, die die Commons befördern. Und das ist selbstverständlich zu begrüßen (und von Unternehmen zu fordern). Es sind aber selbst keine Commons.“
    Das schönste Beispiel dafür ist der Hatzfeldtsche Wald. Und den will ich auch nicht missen. Sowas brauchen wir. Jetzt.

    Mit dem hier folgenden aber nicht, ich kann es Dir nur nicht theoretisch begründen (vielleicht kannst Du ja helfen):
    „Die Kritik ist also: Der lokale Start mit eigenen Regeln endet beim globalen Markt mit fremden Regeln“
    Hier würde ich sagen: Nicht notwendigerweise! Du sagst ja zu recht „Tendenz der großen Anzahl im Mittel“, dh. es gibt die widerständigen Projekte und die müssen wir stärken (sind wir uns ja einig).
    In diesem „nicht notwendigerweise“ liegt für mich gewissermaßen das ganze Potential der Commonsdebatte. Sie richtet den Blick auf das weithin Unsichtbare als Alternative zum Sog hin zu fremden Regeln. Und wenn dies erst wieder im Blick ist, wenn erst ein starker Begriff da ist, ändert das schon die Realität. Ich weiss nicht, ob das eine Glaubensfrage ist, aber Dinge, die ich sehe, erkenne, erfahre … die werden stärker. Davon bin ich überzeugt.

    Auch dann hängt es nicht nur „vom Wollen der einzelnen Beteiligten ab“ (dass es gar nicht davon abhängt, finde ich falsch), aber wenn mehr Handlungsoptionen gesehen werden und wenn Handlungsoptionen durch commoning gesellschaftlich geschätzt werden, dann verändert das Realität.

    Ja, ich meine, die Commons sind AUCH eine Haltungsfrage. Strukturell und institutionell kann man nur absichern, dass solche Haltungen befördert/unterstützt werden. In den Projekten muss man das als „built-in feature“ machen (wie ihr Ingenieure so schön sagt).

  16. Wenn ich dich richtig verstehe, möchtest du die Commons-Theorie vom Commons-Begriff unterscheiden. In der Tat würde ich das nicht wollen, sondern denke, dass beides eigentlich das Gleiche ist. Der Unterschied ist, dass die Theorie umfassender den Begriffsgewinnungsprozess darstellt (»wie komme ich zu einem Begriff«) und der Begriff selbst dann das Kondensat (die »Definition«) bildet. Für das dafür notwendige theoretische Schürfen bin ich sehr zu haben.

    Mit einem Begriff resp. der Theorie geht’s dann in den Diskurs, in dem andere Begriffe/Theorien ebenfalls zur Debatte stehen. Dieser Diskurs ist wichtig, weil andere Begriffe und ihre Theorien anderes sichtbar machen können. Denn das ist ja die Funktion von Begriffen: Sichtbar und denkbar machen.

    Das ist btw. der Grund, warum ich so hartnäckig den Begriff »Wirtschaft« kritisiere, weil ich finde, dass er den größeren Teil der Handlungen der Menschen, die lebensnotwendigen Dinge und Beziehungen zu produzieren, unsichtbar macht. Egal jetzt hier, nur zur Illustration der Wichtigkeit von Begriffen. Alles bekommt man über Begriffe allerdings nicht gelöst, über die Grenzen sollte man sich auch klar sein.

    Finally würde ich also ja sagen, dass die Produkte und die Unterscheidung von Produkte und Ressourcen wichtig für den Begriff sind. Du konntest Andreas‘ Frage nach den Produktionsmitteln und Infrastrukturen (=produktive Ressourcen) auch deswegen passend auf meine Replik zu Ingo Stützle verweisen, weil bei mir die Produkte und Ressourcen in der beschriebenen Weise mit drin sind. Aber ich habe extra drunter geschrieben, dass das meine Sicht ist, von der ich glaube, dass sie tatsächlich so nicht allgemein geteilt wird. Die Kritik von traditionell-links halte ich also ein Stück weit auch für berechtigt, nur denke ich, dass der Commonsbegriff die Kritik produktiv aufnehmen und integrieren kann. Das versuche ich.

    Nun noch zu der Entfremdungsfrage. Ich sehe die Gefahr und Tendenz, dass aus lokalen eigenen fremde Regeln werden bzw. das die eigenen den fremden Regeln untergeordnet werden. Zunächst geschieht das mit Notwendigkeit — unterstellt man das freie Wirken der Marktlogik. Will man das verhindern, es also »nicht notwendiger Weise« dazu kommen lassen, dann muss explizit begründet werden, wie das mit welchen Mechanismen verhindert werden kann. Eine entsprechende »Haltung« reicht nicht aus, sondern sie muss als praktisch wirksames »built-in feature« in die Projekte eingebaut werden, so dass es gar nicht mehr »vom Wollen der Einzelnen« abhängen muss, ob die Commons als Commons weiter bestehen bleiben.

    Solche Builtin-Features gibt es ja auch: Ich denke an die Copyleft-Vorschrift, dass die Lizenz bei Weitergabe nicht geändert werden darf. Oder die Konstruktionen, die das Mietshaussyndikat gefunden hat, um zu verhindern, dass die Wohnungen verkauft werden.

    Meine Einschätzung ist nur: Ohne explizites Einschreiben von Stabilitätsregeln in die Projekte geht’s »von alleine« hinterrücks schleichend in Richtung der Inklusion und Akzeptanz der fremden Regeln des Marktes. In der internationalen Debatte mit Michel und anderen scheint mir hingegen die Idee des »man muss es nur wollen (und das tun wir ja)« als Lösungsansatz vorzuherrschen. In 9 von 10 Fällen driftet das Projekt dann ab in den Markt, und das war’s dann. Das, finde ich, kann man aus der historischen Kommune- und Alternativbetriebe-Bewegung lernen (»Ohne Chef wirtschaften« ist in diesem Sinne _keine_ Stabilitätsregel).

  17. @Silke

    Communities als Subjekte zu sehen find ich problematisch. Was sollte dieses Subjekt denn anderes sein als entweder eine Zwangsgemeinschaft, unter der sich die Einzelnen unterordnen (müssen) oder aber eben nur ein anderes Wort für die konkrete soziale Praxis, das Commoning? Communities würde ich daher momentan nur nominalistisch verstehen als ein Feld des Commoning

    Warum ich ein wenig auf den Common Pool Resources herumreite liegt darin, dass für mich – wie schon in der Frage der Communities mal skizziert – das Commoning die einzig entscheidende Qualität darstellt. Dem rein definitorischen top-down-Zugang zu CPR entsprechend entkommt ihnen nichts. Damit wird der Begriff jedenfalls dahingehend unbrauchbar, als er nicht dazu dienen kann, Ressourcen die es wert sind Objekt des Commoning zu werden von denen zu unterscheiden, für die das nicht gilt. Alles steht dem Commoning offen. (Dennoch hat eine Systematisierung von CPR ihren Nutzen, aber nicht in dem Sinn festzustellen, was Objekt des Commoning sein soll und was nicht).

    @Silke & Stefan

    Was die Idee lokaler Märkte angeht, so sehe ich die Sache ähnlich Stefan. Der Punkt scheint mir, genau zu schauen, was in einem lokalen Markt Commoning ist und was nicht. Man wird, so meine These, die ich auch ansatzweise untermauern könnte, feststellen, dass Commoning den Marktbeziehungen entgegensteht. Man kann das an den Tauschkreisen demonstrieren.

    Dort wo ein lokaler Markt den Aspekt des Commonings nicht entwickelt, ist er dagegen ohnehin für eine Perspektive unbrauchbar. Wo soll der Unterschied zwischen einer bloßen Regionalwährung und einer der üblichen lokalen Gutscheinsysteme für Einkaufszentren, innerstädtische Einkaufspassagen etc. liegen?

    Der Punkt sind die Institutionen und die Praxen, die dem Commoning dienen. Die können aber per definitionem schon nicht in der Marktbeziehung liegen. Dass dies nicht gesehen und meinem Eindruck nach selten untersucht wird, ist der Ideologie des Marktes geschuldet – die auch in der Commonsdebatte wirkt. Man kann so nicht erkennen, inwieweit auch lokale Märkte (so sie überhaupt irgendeine Perspektive aufweisen können, was nicht in allen Fällen gegeben ist) sich nicht über Marktbeziehungen reproduzieren. Und da beginnt es spannend zu werden.

  18. @ Silke als PS

    Produktionsmittel & Infrastrukturen: das sehe ich wie Stefan. Meiner Kenntnis der Commonsliteratur nach ist dieser Punkt wirklich völlig unterbelichtet. Und das scheint mir eben auch alles andere als ein Zufall zu sein. Die Frage der Produktionsmittel etc. in das Commoning miteinzubeziehen stellt meines Erachtens einen tipping point in einer Commoning-Bewegung dar. Den gilt es im liberalen Verständnis der Sache unbedingt zu vermeiden.

    Die Frage der öffentlichen Güter hatte ich eigentlich ohne Bezug zur ökonomischen Begrifflichkeit, wie sie an den Universitäten gelehrt wird, verwendet, und eben in dem Sinn von staatlich bereitgestellten oder abgesicherten Gütern und Diensten mit einem Zugang, der nicht oder nicht zur Gänze dem Prinzip des Äquivalententauschs folgt.

    Ich bin mir noch nicht sicher, ob man sich in der Commons-Debatte auf derlei Klassifikationen, wie sie die ökonomischen Lehrbücher vorgeben, einlassen sollte (kritisch natürlich in jedem Fall).

  19. Pingback: Ein Beitrag zur Commons-Debatte — keimform.de

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