Landgrabbing oder „braune Akkumulation“: der Wettlauf um die letzte beackerbare Erde

Braun ist die Farbe der Erde. Das gerät mitunter in Vergessenheit, denn wir haben nur noch selten unsere Hände im Dreck. 2006 waren in Deutschland noch 2% der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft tätig, viele davon nebenberuflich. Jeder von ihnen versorgte 127 Menschen mit Nahrungsmitteln. (M. Miegel, Exit, S. 188)

Schwarz ist die Farbe des Erdöls. Es treibt die Wirtschaft an. Der Einfluß unserer erdölbasierten und güterfixierten Wirtschaftsweise auf das Klima verspricht erhebliche Verwerfungen für immer mehr Menschen. Doch diese leben meist anderswo. Das  globale Ölfördermaximum naht (peak oil). Zunehmend sollen daher Autotanks mit Energie befüllt werden, die im Wortsinn aus der Erde wächst. Ebenso wird immer mehr Strom und verarbeitbares Material für die Güterproduktion aus biotischen Ressourcen gewonnen. Doch jede gute Idee kann kontraproduktiv werden, wenn sie verabsolutiert wird.

Denn da gibt es noch die Nahrungsmittelkrise, gerade in den Regionen, die ohnehin schon unter extremen klimatischen Verhältnissen leiden. Sie geraten regelrecht in eine  Klemme: einerseits der durch unsere Wirtschaftsweise befeuerte Klimawandel, andererseits der neu entbrannte Kampf um das ursprünglichste aller Gemeingüter: Grund und Boden.

Wenn ich eine Veranstaltung besuche, die die Wachstumsfrage thematisieren will, habe ich diese Dinge im Kopf. Auf solch‘ einer Veranstaltung des neuen interdisziplinären Forschungszentrums Jenzig erlebte ich dann einen bemerkenswert irritierenden Schlagabtausch. In Kurzfassung:

  • A: „Nachhaltiges Wachstum kann es nicht geben.“
  • B: „Nein, wir brauchen Wachstum und eine 3. industrielle Revolution.“
  • A: „Wie soll sie aussehen?“
  • B: „Wir verbrennen Biomasse statt Öl und bauen die Infrastruktur, um die so gewonnene Energie zu importieren.“
  • A: „Habe ich Sie richtig verstanden? Läuft der Green New Deal, den sie vorschlagen, auf eine braune Akkumulation hinaus?

Zwischenrufe aus dem Publikum. Empörung auf dem Podium. Vorwürfe intellektueller Unredlichkeit, das seien Unterstellungen – es ginge doch schlicht um Substitution!

Das ist genau das Problem.

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob die Empörung daraus resultierte, dass einige Zuhörer und der Angesprochene selbst, beim Stichwort „braun“ nicht die Farbe der Erde assoziierten. Zwei Dinge sprechen dagegen.

1. der Kontext war völlig klar. Güterproduktion verbraucht natürliche Ressourcen, Energieträger, Wasser und Land. Die gegenwärtige Wachstumsspirale nährt sich u.a. aus dem Verbrauch dieser Ressourcen.

2. Wolfgang Sachs (A) hatte bereits im Eingangsstatement deutlich gemacht, dass die erste Säule einer wachstumbefriedenden Strategie sicherlich Ressourcen- und Energieeffizienz sein müsse, die zweite Säule zweifellos das Umschwenken auf Erneuerbare Energien. Aber, und das ist das Problem, auch diese gäbe es nicht zum Nulltarif.

Sie haben Grenzen, und die liegen in der Biodiversität im weitesten Sinne.“

In anderen Worten: Die Erde ist endlich. Dazu gesellt sich der Befund, dass sich der Klimawandel negativ auf die Produktivität enormer landwirtschaftlich nutzbarer Flächen  auswirkt. Gerade in Ländern des Südens heißt das, dass die Nahrungsmittelproduktion Vorrang haben muss.

Quelle:UNEP, the environmental food crisis 2009

Den Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig (B) focht das nicht an. Die Frage ob und wieviel Wachstum wir uns angesichts der dramatischen Übernutzung natürlicher Ressourcen noch erlauben könnten, degradierte er zur „merkwürdig anmutenden Luxusdebatte„. Und wie immer mussten Verweise auf „objektive Notwendigkeiten“ herhalten, die Wachstum erforderlich machten. Das Bevölkerungswachstum etwa, obwohl Machnig kurz darauf beklagte, dass „die Leute keine Kinder mehr kriegen„.

Warum solche Widersprüche in der Argumentation möglich und für Minister gar politisch notwendig sind, ist klar. Thüringen ist Opelstandort. Die Autoindustrie, auf dem Panel prominent vertreten, hat hier wie überall ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Und auch das ist nachvollziehbar, denn die in der Autoindustrie und darum herum Beschäftigten haben Sorge, wie es weitergehen soll. Diese Sorge ist nicht nur berechtigt, sondern auch ernst zu nehmen, denn sie sind von einem System abhängig, das das Wachstum braucht wie wir die Luft zum Atmen. Und dieses System ist dabei zu kollabieren.

Wenn es dieses Wachstum also nicht mehr gibt (und wenn es sich verbietet, es auf Kosten Anderer und künftiger Generationen künstlich aufrecht zu erhalten), wenn die letzten funktionstüchtigen Autos abgewrackt und der Staat mit seinem Latein am Ende ist, wenn der Erde nichts mehr zu entnehmen ist, dann werden sie sich diesen Fragen stellen müssen.

Eine wachstumskritische Debatte richtet sich nicht gegen die Interessen der Industriearbeiter, sie richtet sich gegen niemandes langfristige Interessen. Sie weißt einfach darauf hin, dass wir – gerade als Exportweltmeister- ein paar Dinge nicht ignorieren können:

1. die Notwendigkeit der absoluten Entkopplung von Produktion und Emissionen. Relative Entkopplung reicht nicht. Ein 1-Liter Auto für 2 Mrd. Menschen würde das Problem nicht lösen, denn das Modell Automobil ist nicht verallgemeinerbar.

2. dass der Staat – egal wer gerade regiert – an einem Scheidepunkt steht, weil sowohl Umverteilung (Sozialpolitik) als auch Wirtschaftsspritzen („Wachstumsbeschleunigungsgesetz“) am Tropf des Wachstums hängen, welches aber ausbleibt oder nur zum Preis einer lebensfeindlichen Ressourcenausbeutung zu haben ist. Wir müssen raus aus dem Dilemma statt im Dilemma runden zu drehen!

3. Wachstum und Wohlstand seit etwa 1970 entkoppelt sind. Jedenfalls hier bei uns. Das gilt letztlich auch für die Arbeiter in der Autoindustrie (Vgl. die Ergebnisse der ökonomischen Glücksforschung oder M. Miegel, Exit Wohlstand ohne Wachstum, S. 30f)

Deswegen ist es zukunftsweisend, nicht den bekannten Wachstumsmotor zu reparieren (wie der Veranstaltungstitel suggerierte), sondern Wege zu finden, wie uns von einer Logik des Wachstums als Selbstzweck entfernen. Die Frage ist, wie können gute Dinge wachsen und schlechte marginalisiert werden? Oder in den Worten von Wolfgang Sachs:

„Wie kann es wachstumsbefriedet und gerecht zugehen?“

Weil niemand eine Antwort auf die drängenden Fragen unserer Zeit hat, wäre viel gewonnen, wenn die Erkenntnis, dass es „nachhaltiges Wachstum nicht geben kann“ (Sachs im Eingangsstatement) als Ausgangspunkt der Suche nach Lösungen jenseits der ins Wachstum zwingenden Glaubenssätze vorangetrieben würde. Doch wer dies versucht, dem wird „mangelnder ökonomischer Verstand“ attestiert.  Da tröstet es, dass Wirtschaftminister Machnig auch gegen die Zunft der Ökonomen heftig austeilte.

Eine Wissenschaft, die so versagt hat, muss über ihre eigenen Grundlagen nachdenken.

Warum die mit Verve und Eloquenz vorgetragene Position des Wirtschaftsministers, der Ruf nach

einer dritten industriellen Revolution, einer Neujustierung unserer Strukturen als riesiges Wachstumsprogramm basierend auf Biomasse.“

erhebliche Besorgnis auslöst, ist klar. Der Minister hat ins Schwarze getroffen hat. Er hat die großen Konflikt von Morgen benannt, aber Überlegungen missen lassen, wie sie zu vermeiden wären.

Dass mehr und mehr biotische Ressourcen der Erde verwertbar gemacht werden sollen und der damit verbundene Wandel unserer produktiven Infrastrukturen „wird Fortschrittskonflikte produzieren„, meint Machnig. Und er zitiert den für ihn etwas skurril anmutenden Widerstand einiger Thüringer Bürger gegen den Netzausbau im Thüringer Wald. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob die Dimension dieser Aussage tatsächlich in den Raum drang. Noch ist Deutschland wenig an dem beteiligt, was derzeit unter dem Stichwort Landgrabbing (Landhortung, „Land-Grabschen“, offshore-farming) die entwicklungspolitischen Debatten bestimmt.

Ein „Green New Deal“ jedenfalls, der auf eine Mischung von Biomasseverwertung im großen Stil und in Drittländern, auf den Ausbau von Netzinfrastrukturen, Import und Technologietransfer setzt, um das Wachstumsmodell nicht zu gefährden (bzw. vielleicht die relative, nicht aber die absolute Entkopplung vom Ressourcenverbrauch voran zu bringen) wird gewaltigen Widerstand auslösen.

Das wird schon jetzt in den weltweiten Konflikten um die neue Dimension der Landnahme, die „braune Akkumulation“ deutlich. Boden ist Objekt neuer Begierden geworden. Dazu ein paar Fakten.

Landgrabbing meint den Kauf oder die langfristige Pacht großflächiger Ländereien in Drittländern (insbesondere aber nicht nur im Süden). Dabei wird häufig Land, welches  bislang für das Leben produktiv war (z.B. Subsistenz oder Wasserspeicher)in Wert gesetzt. Zu den Investoren gehören Privatunternehmen und Staaten, beispielsweise Saudi Arabien. Der Ölstaat will wegen Wasserknappheit die eigene Getreideproduktion um 12% senken und stattdessen das Getreide im Sudan, Äthiopien, Kenia oder Pakistan produzieren lassen. Sic! Auch Investmentfonds sowie Spekulanten und Banken beteiligen sich. Darunter etwa die Deutsche Bank, die über DWS Investment den „Global Agricultural Land & Opportunities Fund“ aufgelegt hat und u.a. in Sambia investiert.

Der Hintergrund: Angesichts der Folgen des Klimawandels sowie stark schwankender Weltmarktpreise, wollen viele Länder ihre Nahrungs- und Futtermittelversorgung sowie Energiepflanzen durch großflächige Monokulturen in Drittländern sichern. Dies ergänzt die Verfügbarkeit einheimischer natürlicher Ressourcen oder erspart die Nutzung derselben. Ackerland wurde so im globalen Maßstab erneut in den Rang attraktiver Geldanlagen katapultiert.

Zwischen 2006 und 2009 kauften ausländische Investoren 14 – 20 Mio Hektar Land in Ländern des Südens (vgl. IFPRI, ‚Land Grabbing‘ by foreign investors in Developing Countries, Policy Brief 13, April 2009). 40 Mio ha wechselten nach Schätzung von GRAIN den Besitzer, anderen Schätzungen gehen bereits von 50 Mio ha aus. Die Ausländischen Direktinvestitionen in der Landwirtschaft betrugen im Jahr 2000 etwa 1 Mrd USD, 2007 war es nach Angaben der FAO bereits das Dreifache. Dabei ist die Datenlage über umgesetzte Verträge undurchsichtig.

Peter Clausing, beschreibt in seinem Beitrag für Peak Soil vier Mythen zum Thema Landgrabbing, die ich hier gekürzt und stark bearbeitet wiedergebe:

Argument 1
Bislang ungenutzte Flächen werden produktiv gemacht.
Gegenargument 1
Ein beachtlicher Teil, der auf diesen Flächen bislang erzeugten Dinge wird nicht für den Markt bewirtschaftet, sondern ist Gemeingut. (Wanderfeldbau, traditionelle Weiderechte, Wasserzugangsrechte, direkter, lokaler Austausch von Produkten. All das bewegt sich  jenseits des Marktes. Ist produktiv für das Leben.

Argument 2
Die Flächennutzung durch (ausländische) Investoren ermöglicht Technologietransfer und damit Produktivitätssteigerung
Gegenfragen 2
Gibt es Beispiele? Auf gekauften und geleasten Flächen wird vorwiegend energieintensive Landwirtschaft betrieben, die stark von externen Inputs abhängig ist.
Welches Technologiekonzept wird hier transferiert? Wem nützt es?

Argument 3
„Miternährung“ eines Bevölkerungsanteils im Gastgeberland (siehe auch trickle-down Theorie)
Gegenargument 3
Beim Anbau von Energiepflanzen entfällt diese Argument per definition. Zudem wird explizit für einen externen Markt produziert. Daher werden vermutlich besonders bei hohen Weltmarktpreisen auch 100% der Ernte in die Herkunftsländer der Investoren transferiert.

Argument 4
Schaffung von Arbeitsplätzen
Gegenargument 3
In hochtechnisierter Landwirtschaft sind viel weniger Arbeitskräfte beschäftigt als in kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Lohnabhängige Tagelöhnerei für einige statt Subsistenz durch Gemeinschaftliche Bewirtschaftung für viele scheint keine sinnvolle Alternative.

Die Landfrage muss prinzipiell neu beantwortet werden, durch ein gemeingüterbasiertes Bodenrecht etwa, in dem a priori die Anerkennung gewohnheitsmäßiger Nutzungsrechte an Grund und Boden steht. Bisher war die Vergabe von private Eigentumstiteln (Landtitel) zentrale entwicklungspolitische Strategie. Das schützt aber nicht vor Veräußerung – v.a. nicht dort, wie die vier Mythen hartnäckig verbreitet werden.

Der Grundsatz muss sein: Boden ist Gemeinbesitz!

„kein Gemeineigentum im alten Sinne, sondern eine Eigentumsform, bei der die Gesellschaft sozusagen der Treuhänder ist, während der jeweilige Nutzer so gestellt ist wie bisher ein Eigentümer. Mit dem einen Unterschied: Er kann nicht mehr verkaufen. Er kann nur noch das Nutzungsrecht kaufpreislos übergeben.“ (Christoph Strawe)

Über eine wachstumsbefriedete Lebens- und Wirtschaftsweise nachzudenken, die von solchen Grundsätzen ausgeht und nicht einfach „substituiert“ (Biomasse statt Öl) ist nicht nur eine große Herausforderung an moderne Wirtschaftspolitik, sondern fordert uns alle.

Literatur:

Clausing, Peter: Afrika und Asien im Ausverkauf, in Peak Soil Die unterschätzte Krise der Böden, Politische Ökologie 119, oekom Verlag, S. 25 ff.
INKOTA-Brief: Die neue Landnahme: Der Globale Süden im Ausverkauf, Juni 2010

Fritz, Thomas: Peak Soil – Die globale Jagd nach Land. FDCL-Verlag, Berlin, 2009

Strawe, Christoph: in „Grundzüge eines modernen Bodenrechts“ (Theorie und Praxis für einen anderen Umgang mit Grund und Boden, Hrsg: Stiftung Trias und Stiftung E. Maryon, 2006)

Karikatur aus: http://www.theeastafrican.co.ke/

12 Gedanken zu „Landgrabbing oder „braune Akkumulation“: der Wettlauf um die letzte beackerbare Erde

  1. Liebe Silke,
    ich teile die Sorge um landgrabbing und die ausgesprochen engen Grenzen von Biomasse als Energieträger.

    Ich teile auch die Ansicht, dass Produktion und Emissionen absolut entkoppelt werden müssen. Anders gesagt: Wir brauchen ein rasches Minuswachstum bei Emissionen (Nullwachstum reicht nicht), bis hinunter auf Null Emissionen.
    Doch wer sich die Herausforderung quantitativ anschaut wird rasch auch an die Grenzen dessen stossen, was eine Suffizienstrategie, eine Strategie der Einschränkung der Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen bringen kann. Es gibt genug Beispiele, dass damit 10, 20, vielleicht 30% Emissionen eingespart werden können – danach wird es sehr schwierig.

    Für mehr als 70% der Emissionen kommt man über einen technologischen Wandel zu Energieeffizienz und erneuerbare Energien nicht herum.

    Dieser Wandel hat jedoch eine Achillesferse: Er ist kapitalintensiv. Ein Passivhaus oder ein effizienter Kühlschrank spart auf die Dauer zwar Geld, ist aber erst mal etwas teurer.
    Auch erneuerbare Energien nutzen mit Wind, Wasser und Sonne eine kostenlose Energiequelle – sie erfordern jedoch erst mal eine hohen Investition zu ihrer Nutzung.

    Derart hohe Investitionien wären in einer monetär schrumpfenden Wirtschaft nur durch massivste Einschnitte in das verfügbare Einkommen zu stemmen, die politisch wahrscheinlich jenseits jeder Durchsetzbarkeit stehen.

    Daher fürchte ich, dass eine Schrumpfung der Emissionen auf Null nur mit einer monetär wachsenden Wirtschaft einigermassen politisch durchsetzbar sein wird.
    Insofern fürchte ich, dass ein Teil der Wachstumskritik auch unseres sehr geschätzten Freundes Wolfgang in ihrer Allgemeinheit an bestimmten ökonomischen Zusammenhängen vorbeigeht.

  2. Lieber Jörg,
    danke dass Du mich darauf hinweist, dass ich die zwei Ausstiegspunkte aus der Wachstumslogik, die Wolfgang Sachs in der Veranstaltung erwähnt hat, hier gar nicht notiert habe. Er wendet sich ja nicht gegen Suffizienz und auch nicht gegen Erneuerbare Energien. Er weist lediglich auf die Grenzen hin und „auf die ökonomischen Zusammenhänge“ in denen andere Leute leben.
    Und er benennt – genau wie Du- die „Achillesferse“.
    Wenn ich es recht verstehe, begreift er den Green New Deal als Brücke und notwendigen Einstiegspunkt zu diesem Ausstiegsszenarium. Und da kann ich mitgehen.

    Also, die zwei Ausstiegspunkte:
    1. die Grundlegung der Wirtschaftsordnung angreifen, etwa das Primat des Sharholder Value in den Unternehmensverfassungen (was gegen Art 14.2a Grundgesetz verstößt).
    2. Andere Quellen des Wohlstands identifizieren. Etwa die Gemeingüter. Wo für das Leben geteilt und produziert wird und nicht für den Markt, also jenseits der Wachstumsspirale. Man könne auch in all das investieren, was Wohlstand voran bringt obwohl weniger Geld zur Verfügung steht. Die These dahinter: Gemeingüter sind geldeffizient.

    Aber das ist auf der Veranstaltung leider gar nicht diskutiert worden.
    Beste Grüße
    Silke

    • Stimme den zwei Ausstiegspunkten zu. Gut getroffen. Wobei ich „Shareholder value“ nicht als Grundlegung unserer Wirtschaftsordnung ansehe. Ich sehe Art. 14.2 GG als Grundlegung, und Shareholder Value muss im Rahmen von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums verfolgt werden.

      • Die „Grundlegung unserer Wirtschaftsordnung“ ist auch aus meiner Sicht eine andere als „Sharholder value“. Das ergibt sich aus dem vorhandenen Wachstumszwang (http://bit.ly/9j7Sao). Wird der nicht beseitigt, wird wohl zwangsläufig immer wieder der Ruf nach Wachstum laut werden müssen – und die Verteilungskämpfe, zu denen das Landgrabbing gehört, würden dramatisch an Härte zunehmen.

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  5. Hallo, Silke,

    vielen Dank für diesen anregenden Beitrag. Drei kurze (verkürzte) Anmerkungen dazu, die mir für die weitere Diskussion wichtig scheinen:

    Erstens, es kann nicht um „kein Wachstum“ per se gehen. Sondern um stoffliches Wachstum. Es gibt viele Bereiche, in denen Wachstum notwendig ist, besonders ganz viele soziale Bereiche (ich glaube, ich brauche das nicht auszuführen).
    Zweitens, Es scheint mir notwendig, bei den Eigentumsverhältnissen an Boden weiter zu differenzieren. Boden als Gemeinbesitz ist in vielen Ländern die Regel, wenn auch in der pervertierten Form, dass der Staat als Eigentümer fungierte. „Verkauf“ (siehe das Zitat von Strawe) ist also nicht das Problem, sondern die Übertragung der Nutzungsrechte, die durchaus ohne formellen Verkauf (also als Pacht) problematisch sein können. Auch die „kaufpreislose“ Übertragung von Nutzungsrechten verhindert nicht die Folgen einer de facto Privatisierung. Hier müssen Lösungen gefunden werden.
    Drittens zur „braunen Akkumulation“: Ich weiss nicht, was Wolfgang Sachs bei der Veranstaltung gemeint hat. Aber in seinem Gespräch mit Elmar Altvater in der taz-Beilage von weed am 19.06.2010 bezieht er den Begriff „braun“ auf den fossilen Kapitalismus (eigentlich: schwarz, wie Erdöl) – in Abgrenzung gegen einen „grünen“ Kapitalismus. Das unterscheidet sich von von einer begrifflichen Anwendung auf den „Wettlauf um die Erde“ als eine neue „braune“ Akkumulation – oder verstehe ich da etwas falsch?

    Beste Grüße,

    Uwe

  6. Lieber Uwe, danke für den Kommentar.
    Zu Deinen 3 Punkten.
    1. ja, es ist offenbar schwieriger, Begriffe wieder umzudeuten als sie neu zu erfinden. Der Begriff Wachstum hat einen derartigen Bedeutungswandel erfahren, dass man ihn fast komplett entkernen muss.
    2. auch da grundsätzlich Zustimmung. Es reicht nicht, auf ein Veräußerungsverbot zu fokussieren – in Mozambik bespielsweise soll es das geben, aber da wird so lange verpachtet, dass das Ergebnis am Ende das Gleiche ist. Nicht-Veräußerbarkeit bleibt wichtig, um der Situation vorzubeugen, die wir jetzt haben. Dass nämlich Boden zum Spekulationsobjekt werden kann. Die zentrale Frage ist aber in der Tat, wie sind die Zugangs- und Nutzungsrechte ausgestaltet und woran messen sie sich?
    3. nun, in der Veranstaltung ging es um „die neue industrielle Revolution durch Biomasse statt Erdöl“ und das hat er kritisiert. Es ging m.E. mit Sicherheit um „Erde“, nicht „Erdöl“. Kannst Du mir das Gespräch aus der taz-Beilage irgendwie zukommen lassen?

  7. Hallo Silke, liebe Mitlesende,
    in dieser PDF (2,3 MB) ist auf Seite 2 das Gespräch zwischen Elmar Altvater und Wolfgang Sachs über die Frage, ob die Fahrt in den Abgrund oder das Ende des Neoliberalismus bevorsteht:
    http://www2.weed-online.org/uploads/taz_20_jahre_weed.pdf#page=2
    Sachs spricht tatsächlich vom Erdölzeitalter als „braunem Kapitalismus“ – was mir angesichts von „schwarzem Gold“ etc. unmotiviert erscheint.
    Liebe Grüße
    Mika

  8. Hallo Mika,
    ja, das hatte ich nach dem Hinweis von Uwe geprüft (danke für den Link!), und die Formulierung erscheint tatsächlich im Kontext des weed-Interviews unmotiviert. (Zwischen dem, was in so einem Gespräch gesagt wird und dem, was dann gedruckt steht, liegen ja auch oft Welten :-). Zudem entspricht sie nicht dem hier wiedergegebenen Kontext. Die Darstellung im Blogbeitrag ist richtig. Hatte den link auch an die Veranstalter geschickt, die sie nicht dementiert haben.
    Beste Grüße
    Silke

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  10. Liebe Commons,

    lese den Artikel und die Kommentare dazu recht spät, finde aber, dass er gerade bei der Grundeigentumfrage einen der global wichtigen wenn nicht den wichtigsten Punkt trifft. Entscheidend ist doch, wer mit welchem Recht über Grund und Boden samt der Bodenschätze verfügen kann und darf. Sind es Private – gleich ob Konzerne oder Bauern – so können sie im Wesentlichen aus privaten Motiven entscheiden, was mit dem Land geschieht, ob, was und unter welchen Bedingungen angebaut, bzw. abgebaut wird. Wenn hier kein „Grundkonsens“ besteht, dass Grund und Boden Allgemeingut sind und der Umgang damit der Allgemeinheit zu verantworten, dann fällt es schwer einzelne am Raubbau, an der Erzeugung nachhaltiger Schäden, an einer „nach-uns-die Sintflut“-Lebensweise zu hindern.
    Soweit angemerkt wurde, dass unser Grundgesetz ja durchaus die Sozialpflichtigkeit beinhaltet, so muss aber doch bemerkt werden, dass der Grundansatz leider immer noch derjenige des Individualeigentums auch für Grund und Boden ist, so dass es also erst einer Enteignung (Art. 14 (3), bzw. 15 GG) bedarf, um die soziale Verfügungsmacht herzustellen. Da dies immense Kosten erzeugen würde, bei klammen öffentlichen Haushalten, wird vielfach von dieser Möglichkeit, dem Allgemeinwohl Geltung zu verschaffen, kein Gebrauch gemacht.
    Unser Grundgesetz ist in diesem Punkt also faktisch unzureichend. Streng genommen setzt es schon die falsche Weiche, was die Abgrenzung des Allgemeinwohls zum Schutz des Individualbereiches (Eigentum) angeht, denn erst enteignen zu müssen, was der Allgemeinheit zum Nutzen aller Menschen eigentlich gehört, belegt etwas negativ (entschädigungspflichtig), was eigentlich eine positive Selbstverständlichkeit sein sollte.
    Da wir aber von einem weltweiten Phänomen sprechen, wäre es mit einer Änderung des GG allein nicht getan. Hier muss eine auf die Menschheit bezogene Selbstverständlichkeit, nämlich das sie von der nachhaltigen und dem Allgemeinwohl (aller Menschen) verantworteten Nutzung der Erde angewiesen ist, in einem zu schaffenden globalen Recht Geltung verschafft werden. Ohne dem wird es nicht gehen. Darauf müssen wir hinarbeiten. Ich sehe die Commons-Aktivität als guten Beitrag dazu. Ich selbst habe in GLOCALIS (www.glocalis.de) einiges dazu ausgeführt. Letztlich geht es um weltweite Solidarität, um das Verständnis als solidarische Menschheit. Dies muss gewollt sein, artikuliert sein und eine geregelte Form finden. Auf diesen Weg müssen wir uns bewegen, gemeinsam, bevor es zu spät ist.
    herzlichst
    Carolus

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