Kooperieren macht stark: Neu scheint mir die Erkenntnis nicht, auch wenn das von Martin Vieweg in Bild der Wissenschaft so dargestellt wird. Aber es kann nicht schaden, wenn sich Wissenschaftler immer und immer wieder mit Fragen auseinandersetzen, die uns mehr darüber lehren, wie Kooperation funktioniert. Und wenn sie belegen, dass Kooperation sich lohnt. Für alle.
Hier einige Auszüge aus dem Beitrag von Vieweg zu aktuellen Forschungsergebnissen eines deutsch-schweizerischen Teams (Eidgenössische Technische Hochschule + Frankfurter Labor für Experimentelle Wirtschaftsforschung) am Beispiel einer groß angelegten Feldstudie zur Waldbewirtschaftung in Äthiopien:
„Viele Gemeinschaften auf der Welt sind tatsächlich in der Lage, ihre gemeinsamen Güter erfolgreich zu bewirtschaften. Warum das in diesen Fällen gelingt, wollten die Forscher mit ihrer Studie untersuchen. Die Ökonomen führten dazu mit insgesamt 679 Mitgliedern aus 49 verschiedenen Waldnutzergruppen Kooperationsexperimente durch, in denen sie die individuelle Kooperationsbereitschaft der Gruppenmitglieder ermittelten. … der Anteil der Kooperationsbereiten in den Gruppen … lag zwischen 0 und 88 Prozent.
…. Sie zeigten, dass Gruppen mit einem größeren Anteil an Kooperierenden ihren Wald viel erfolgreicher und nachhaltiger bewirtschafteten. Einen weiteren Faktor konnten die Forscher ebenfalls aufzeigen: Kooperative Gruppenmitglieder investieren mehr Zeit in die Überwachung ihres Waldes, […]. Eine Gruppe mit 60 Prozent Kooperationsbereiten verbrachte demnach monatlich im Durchschnitt 14 Stunden mehr Zeit mit Patrouillen durch den Wald als eine Gruppe ohne Kooperierende. …
Verhaltensökonomische Laborexperimente mit Studenten hatten bereits gezeigt, dass der Grad an Kooperationswillen stark vom Glauben daran abhängig ist, wie sich andere Gruppenmitglieder verhalten werden.“
Das verweist auf die zentrale Aufgabe der Diskussion um Gemeingüter: deutlich machen, dass Kooperation nicht nur geht, sondern dass sie besser geht, wenn man darum weiß und wenn der uns prägende Impuls zur Kooperation gestärkt wird, indem wir daran glauben lernen, dass der gleiche Impuls grundsätzlich auch ‚die Anderen‘ bewegen kann, wenngleich nicht muss. Interessenskonflikte schieben sich dazwiscchen. Dennoch ist es zentral, über die Gelingensbedingungen von Kooperation immer wieder zu reden und damit das kulturelle Klima im Land Richtung Vertrauen in die Kooperation zu verschieben.
Auch Deutschlandradio Kultur hat sich dem Thema gewidmet und bringt ein Interview mit einem der Koautoren der Studie, dem Frankfurter Neurökonomen Michael Kosfeld. Auch hier heißt es, der „Beweis im Feldversuch wurde zum ersten Mal angetreten“. Doch ich bin sicher, dass dem nicht so ist. Hier wird man zweifellos fündig, wenn man andere Feldstudien sucht.
Kosfeld erzählt zunächst, um welche Nutzergruppen es sich in der Studie handelte:
„Das sind Familien […] 49 verschiedene Gruppen, die jeweils einen eigenen Wald haben. Das ist das Schöne an dieser Studie, dass wir erstmals Zugang haben zu einer so großen Gruppe von verschiedenen Gruppen eigentlich, die jeweils ihren eigenen Gemeinschaftswald bewirtschaften. Und dann schauen wir uns halt an, wie sich die jeweiligen Gruppen unterscheiden. Und in den Gruppen sind es Familien, das sind Bauern, die haben Kleinvieh, die leben von dem jeweiligen Wald, den sie gemeinsam verwalten. Zum Beispiel indem sie für ihr Vieh Holz brauchen oder Nahrung aus dem Wald oder auch Brennholz brauchen oder andere Sachen auf dem Markt verkaufen.“
„Der Knackpunkt ist ja der: Wenn man sagt, Kooperation ist gut, dann ist nach wie vor das Eigeninteresse da. […] Unsere Frage war jetzt die: Unterscheiden sich nicht die einzelnen Gruppen, also die Mitglieder in den verschiedenen Gruppen hinsichtlich ihrer freiwilligen Kooperationsbereitschaft? Denn […] wir sehen (ja), dass sich eben dieser Homo oeconomicus nicht in allen Menschen eindeutig gleich manifestiert, sondern dass es Menschen gibt, die sind bereit, freiwillig zu kooperieren, wenn andere das auch tun.“
„Und dann schauen wir uns an: Naja gut, wie viele von so kooperativen Menschen hat denn eine Gruppe […] und dann stellen wir fest, dass wirklich die Gruppen, die mehr freiwillig kooperative Mitglieder haben, tatsächlich in der Lage sind, ihr Kooperationsproblem zu lösen. Was sich niederschlägt in der Qualität des Waldes […].
Im Kopf behalten muss man dabei:
„Gruppen sind nun mal heterogen und es gibt kaum Welten, in denen alle wunderbar zusammen kooperieren, sondern sie haben immer ein paar Trittbrettfahrer dabei.“
Diese schlichte Erkenntnis wurde in den vergangenen Jahrzehnten sozusagen zurechtgestümmelt und bis zur Unkenntlichkeit verkürzt. Etwa so:
„Wer von Kooperation redet, redet von Gutmenschen. Und die gibt es nicht.“
Die Forschung zeigt: Das ist falsch. Kooperation ist ein Erfolgsrezept. Kosfeld weiter:
„Deswegen ist die Frage auch: Wie schaffen es denn die, die freiwillig kooperieren, dann auch die anderen dazu zu bringen? […] Menschen sind eigentlich eher geneigt zu kooperieren und zu helfen, sich altruistisch zu verhalten, wenn das Gegenüber das auch tut. Wir nennen das den reziproken Altruismus.“
Den Begriff muss man nicht mögen, aber die Frage, die sich hier stellt, ist spannend: Wie kriegt man das hin?
Auch ein uralter Hut. Vorleben. Beispiel sein. Deswegen finde ich die Idee charmant, die unseligen 3-minütigen Börsenmeldungen vor den Radionachrichten abzusetzen und endlich an dieser (von unseren Gebühren bezahlten) Funkstelle etwas zu bringen, was alle angeht: Gute Beispiele für Kooperation, Konfliktlösung und Commons! Jeden Tag im Radio. 3-Minuten Beispiele – zur Nachahmung empfohlen.
Dazu Kosfelds Beschreibung am äthiopischen Beispiel:
„Wir können an unserem Datensatz zeigen, dass zum Beispiel der Chef einen großen Einfluss auf die Kultur dieser Gruppen hat. Also wenn der Chef selbst kooperativ ist – der hat auch unsere Experimente alle mitgemacht -, […] dann erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass die Gruppe selbst viele kooperative Mitglieder hat, signifikant. Das heißt, wir sehen so ein „leading by example“, also ein Rollenmodell, was vorgelebt wird, was hier tatsächlich die Kultur prägt.“
Der Tip des Wissenschaftlers an die Politik lautet daher:
„Bisher beruhen die meisten Analysen dieser Probleme auf der Annahme, dass sich alle Menschen allein eigennützig verhalten. Wenn ich also versuchen will, das Problem in den Griff zu kriegen, dann muss ich die Institution und die Regeln entsprechend gestalten. Die Ergebnisse […] dass es da freiwillige Kooperationsbereitschaft gibt, die zeigen jetzt, dass, wenn ich meine Institution bauen will, ich das berücksichtigen muss. Weil wir sehen nämlich zum Beispiel, dass vielfach so eine freiwillige Motivation auch verdrängt werden kann.“
In anderen Worten: Ich muss einerseits alles tun, um freiwillige Motivationen zur Koooperation zu fördern und andererseits das „Vertrauen in die Kooperationsbereitschaft anderer […] stärken. “
Diese Fragen stehen längst auf der Tagesordnung der internationalen Commonsbewegung, deren Jahr 0 wir schreiben. Deswegen trug die Internationale Commonskonferenz, die Anfang November in Berlin stattfand, den Titel: Constructing a Commons Based Policy Plattform.
(Alle Hervorhebungen von mir.)
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Es ist schon sehr wichtig, das Thema Gemeingüter stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und in diesem Zusammenhang auch die Fragen nach Verantwortlichkeit und Kooperationsbereitschaft. Die Idee finde ich gut, regelmäßige, motivierende Kurznachrichten im öffentlich-rechtlichen TV und Radio abzusetzen. Doch dazu müsste wohl zunächst ein Konzept erarbeitet werden. Es bleibt also noch viel zu tun.
Ich hätte besser ein anderes Wort für „absetzen“ wählen sollen. Die doppelte Bedeutung dieses Wortes irritiert. Gemeint habe ich natürlich, dass die Kurznachrichten veröffentlicht werden sollten und nicht abgesetzt im Sinne von entfernen.