Erstaunlich! Da haben wir in Deutschland ein Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter, da gibt es in Legal Review ein Interview mit einem Wissenschaftler des Instituts (Dr. Towfigh) und dann redet der Interviewte von der „Tragik der Allmende“ als gäbe es wenig daran zu kritisieren und als gelte es lediglich, diese Tragik zu verhindern. Allerdings scheint es ein bisschen so, als wollte der Interviewer eben dies hören. Seine Einstiegsfrage:
„Herr Dr. Towfigh, in den Politikwissenschaften hat bekanntlich die Public Choice Theory die „Romantik“ beseitigt, beispielsweise aus dem idealistisch motivierten Politiker den rational-egoistischen Nutzenmaximierer herausgekitzelt. Im Vergleich zum politikwissenschaftlichen Realismus: Stecken die deutschen Rechtswissenschaften vielleicht immer noch in ihrer romantischen Phase?“
Das Wort „beseitigt“ trifft’s irgendwie. Wohin uns derart politikwissenschaftlicher Realismus führt, der anderes „beseitigt“, sehen wir allenthalben.
Einige Interviewauszüge:
„Towfigh: Einmal gibt es die Hardliner auf ökonomischer Seite nicht mehr, die die ökonomische Analyse des Rechts normativ betreiben wollten und beispielsweise den homo oeconomicus zum normativen Leitbild erklärten. Zum Beispiel hat sich Richard A. Posner, der bekannteste Kopf der Chicago School, von seinen schärfsten Postulaten distanziert. …
LTO: Was darf man sich unter dem Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter vorstellen?
Towfigh: Es ist ein verhältnismäßig junges Institut, das seit 2002 besteht. Hier arbeiten Ökonomen, Juristen und Psychologen interdisziplinär zusammen. … Unsere übergreifende Forschungsthematik sind die Gemeinschaftsgüter wie Luft oder Wasser. Aber auch der gleiche Zugang zu Märkten kann als Gemeinschaftsgut interpretiert werden, was zum Beispiel zu Fragen nach der Regulierung von Finanz- oder Energiemärkten führt.
Die Forschungsfragen gehen dann dahin: Wie kann man diese Gemeinschaftsgüter, wie kann man den rechtlichen Rahmen gestalten, damit die Gemeinschaftsgüter nachhaltig bewirtschaftet werden und es gleichen Zugang zu ihnen gibt?
(Wir hatten übrigens das Max Planck Institut zur International Commons Conference, Constructing a Commons Based Policy Platform Anfang November in Berlin eingeladen, aber leider keine Antwort erhalten. Klappt sicher beim nächsten Mal.)
LTO: Damit diese Gemeinschaftsgüter nicht „tragisch“ enden – im „Drama der Allmende“?
Towfigh (lacht): Ja, genau. Gemeinschaftsgüter sind durch individuelle Nutzenmaximierung bedroht, beispielsweise die Almen durch Überweidung. Die Frage, wie man diesem Dilemma – der „tragedy of commons“ – entgeht, ist für uns ein wichtiger Forschungsanstoß.
Eigentlich sind wir damit ein wenig Träumer: Wir glauben, diese Tragödie überwinden zu können – aber eben nicht mit romantischen Mitteln, sondern mit den Mitteln ökonomischer, juristischer und psychologischer Forschung.“
Interdiszpiplinäre Forschung ist gut – auch Historiker, SoziologInnen, Politologen und viele Andere werden hier gebraucht. Was jahrzehntelange interdisziplinäre Forschung zu Gemeingütern m.E. nachgewiesen hat ist, dass nicht die Forscher diese „Tragik der Allmende“ überwinden, die ja eine Tragik des Niemandslands bzw. von open access Situationen ist, sondern dass die Menschen es selbst tun! Und wir brauchen einen Rechtsrahmen und eine Politik, die genau dieses tun unterstützen! Die Kooperation einfach macht.
Forschung kann dafür viele Impulse liefern. Der erste und wichtigste ist, um Ruth Meinzen Dick, Präsidentin der International Association for the Study of the Commons mit ihrer keynote auf der International Commons Conference zu zitieren, an unseren Universitäten und Forschungseinrichtungen endlich die Sache mit der so genannten „Tragik der Allmende“ klarzustellen. Also die Lehrbücher zu korrigieren. Hier geht’s zur Rede von Meinzen-Dick.
- Eine 3-minütige youtube-reife Auseinandersetzung mit den Gemeingütern und der so genannten „Tragik der Allmende“ gibt’s hier.
- Wissenschaftlicher ist das Ganze im Artikel von Prof. Achim Lerch (Die Tragödie der ‚Tragik der Allmende‘) in diesem Buch beschrieben.
- Und jüngste Forschungsergebnisse zum kooperativen Verhalten von Menschen gibt’s hier.