„Es gibt Reichtümer, an denen man zugrunde geht, wenn man sie nicht teilen kann.“ so Michael Ende in Momo (Danke Brigitte!)
„Cooles Feedback“ würde mein Sohn sagen. Aber der Reihe nach.
Es war still auf dem Commonsblog, doch das wird sich demnächst ändern, denn jetzt ist das Manuskript fertig. Mehr dazu im April 2011! Heute muss ich einfach mal was loswerden. …
Ich bin in den letzten Wochen viel durch die Gegend gereist. Im Dresdner Schauspielhaus kam ich pünktlich mit dem ersten großen Wintereinbruch zu dieser Ringvorlesung an, aber dann nicht mehr weg. Die Rückmeldungen haben allerdings für die Bahnreiseabenteuer reichlich entschädigt. (Neue Erfahrung: In eisigen Winternächten werden gestrandete Reisende nicht von Bahnangestellten aufgelesen, sondern bestenfalls vom Roten Kreuz.)
Irgendwie gelang es mir, von Dresden nach Brugg zu kommen. Dort will man in der Fachhochschule der Nordwestschweiz nicht mehr „In den Himmel wachsen“ und ich sollte erzählen, was die Gemeingüter zur wachstumskritischen Debatte beizutragen haben.
Das Erstaunliche ist: nach ganzen 2 Stunden waren noch immer 20 Leute da und warteten, dass es endlich losgeht. Ich kam mit insgesamt 5 Stunden Verspätung an. Später eine wunderbare Atmosphäre beim Abendessen und das Gefühl, dass es neue Verbündete gibt.
Dann bekomme ich e-mails – weil die Leute noch irgendwelche Fragen umtreiben, sich Menschen nach einer Commonsveranstaltung spontan engagieren möchten, manchmal drückt mir jemand ein Buch in die Hand – das seien doch auch Commons – müsse ich unbedingt lesen, kürzlich meinte ein Student, der Vortrag habe ihn darin bestärkt, sein Betriebswirtschaftstudium aufzugeben und was Realitätsnäheres zu suchen – es sei ihm wichtig, das als feedback zu geben. Ein Herr nähert sich meinem Tisch im Café und sagt, er übernehme die Rechnung. Eine Frau meint zu ihrem Nachbarn – sie sei müde angekommen, aber jetzt voller Elan – besagter Nachbar (der Neben-Ihr-Sitzer im Vortrag) gibt die Bemerkung später am Abend an mich weiter.
Während der Lateinamerikatage in Wuppertal schaffen wir es, die Diskussion um das Buen Vivir (das Gute Leben) mit den Commons zusammenzubinden. Es war spannend, dem Bolivianischen Botschafter Walter Prudencio Magne Veliz, dem ersten indigenen Botschafter Boliviens so kurz nach dem beherzten Auftreten von Pablo Solón in Cancún zu begegnen (siehe dazu die Einschätzung von Hermann Ott).
Er erzählt von der andinen Kultur, davon, dass in seinem Land noch eine Philosophie des Aynis lebendig sein, was „Ergänzung und Reziprozität“ bedeute. Aber diese Kultur verändere sich auch mit den Verhältnissen. Knapp 70% der Bolivianer seien Indigene, aber viele von ihnen denken wie Europäer, meint Walter Prudencio. Und er weiß auch:
„Wir können durch Gesetze und Dekrete eine Kultur nicht ändern.“
Mein Resumée des Abend steht in einem Notizheft: Buen Vivir und Gemeingüter haben einen gemeinsamen Kern – den nennt man im Englischen: „Resilient Communities„ und wer mir sagt, wie man das übersetzt, bekommt eine Flasche Sekt.
In Berlin verlasse ich ein Kolloquium der Friedrich-Ebert-Stiftung zu „Wachstum und Fortschritt“. Über die Einladung, die auch Christian Siefkes erhielt, habe ich mich gefreut, denn ich interpretiere sie als Offenheit der Sozialdemokraten gegenüber der Commonsdebatte. Hubertus Heil habe ich gleich unseren Commonsreport in die Hand gedrückt, und hinterher ein sehr angeregtes Gespräch mit einem Wahlthüringer geführt, der in der sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik versucht, strategisch zu denken.
Wir müssen die „Stärken stärken“ sagt er. Genau das ist es, was die Commonsdebatte so charmant macht. Sie fragt zuerst danach, was wir haben und können und nicht danach, was uns fehlt.
Ein junger Mann kommt auf mich zu und meint, unsere Beiträge (Christian, er sprach auch von Dir 🙂 seien erfrischend gewesen. Ich frage zurück, was er so mache: er habe gerade eine Commonsgruppe mitgegründet. Sic. Habe leider den Namen nicht notiert, es war schneekalt und nass, aber vielleicht finde ich ihn ja in den Kommentaren wieder. Er habe mit Mundraub Kontakt, apropos: Die Mundräuber haben „Neues aus der Räuberhöhle“ zu berichten. Sie haben einen Rundbrief verschickt, der Einblick ins Räuberleben bietet und einfach richtig Spaß macht. Abo des selten eintreffenden Rundbriefs sei hiermit heftigst empfohlen.
Derweil schwillt die Dokumentation der International Commons Conference weiter an, weil einfach viele Leute etwas beitragen, weiter über die Konferenz nachdenken, Diskussionen fortsetzen (die in meiner mailbox überlaufen – wegen besagtem Manuskript). Also jedenfalls ist viel Dynamik in der Sache.
Vor ein paar Monaten fragte mich in Nürnberg eine Zuhörerin:
„Sagen Sie, Sie sind immer so optimistisch. Lesen Sie denn keine Zeitung?“
Tue ich, aber davon wird die Nachrichtenlage auch nicht besser! Wenn ich allerdings meine Energie auf die Commons konzentriere, dann vielleicht.
Ein dickes Dankeschön an alle Leserinnen und Leser des Commonsblogs und an alle, die mir mit ihrem coolen Feedback soviel Energie spenden. Yeah!
>„Resilient Communities„ und wer mir sagt, wie man das übersetzt, bekommt eine Flasche Sekt.<
Widerstandsfähige Gemeinschaften?
Eine Flasche Sekt ist das zwar noch nicht wert, aber zumindest mal ein Anfang 😉
Die Aynis waren auch einer meiner Ausgangspunkte bei der Frage „Was treibt Leute an, sich für Volxküchen zu engagieren?“
@ Brigitte, stimmt Beides. Irgendwie ist die Übersetzung richtig, aber irgendwie gibt’s noch keine Flasche Sekt 🙂
@ Torsten:
habe gerade bei Dir nachgelesen, da fielen mir zwei Dinge ein.
Das Erste: faelas (ich kannte bisher nur das Wort faena – von Mühe/Mühsal, harte Arbeit) – sollte wir zumindest für’s Schneeschippen in den Städten auch hier einführen 🙂
Das Zweite bezieht sich auf diese Bemerkung:
„Sehr interessant im Zusammenhang mit der Entstehung von Volksküchen in Peru sind die von der Autorin beschriebenen Institutionen der faela, der ayni und der minka, die sie auf alte inkaische Traditionen der Gemeinschaftsarbeit zurückführt. … Solche faelas, die ein bis mehrere Male pro Jahr stattzufinden scheinen, verlaufen nach der Beschreibung der Autorin hoch ritualisiert. Da werden z.B. geschmückte Kreuze aufgestellt, eine lange Pause gemacht in der miteinander diskutiert wird, zusammen Alkohol getrunken wird, etc. Die Teilnahme der Dorfbewohner an einer faela scheint recht verbindlich zu sein. Die Nichtteilnahme wird negativ sanktioniert, zumindest muss man Rechenschaft darüber ablegen:“
Tatsächlich hat auch Walter Prudencio in Wuppertal ziemlich intensiv über diese Sache mit dem Alkohol geredet, über das gemeinsame Trinken. Korrekter noch: über das gemeinsame ritualisierte Trinken – bei dem auch die Toten regelmäßig etwas abkriegen (auch in Mexiko wird immer zuerst was auf die Erde gekippt). Er nannte das „borrachera in memoria“ (sowas wie: Das Besäufnis der Erinnerung“).
„Die ganze Nacht gemeinsam trinken heißt bei uns, die ganze Nacht Geschichte.“ , sagt er. De facto hat er das als kulturelles Commons beschrieben, das eben mit diesem Trinkritual verbunden ist aber auch nur in diesem Kontext funktioniert, wenn es nicht zum einsamen Besäufnis werden soll.
„Ayni“ habe ich übrigens anders verstanden, als bei Dir auf dem Blog eher als Philosophie, nicht als konkrete Praxis. Eben als die Idee, sich nicht allein, sondern in Beziehung zu denken „Wir denken immer mindestens in zwei Personen, nicht als Individuum“ und davon ausgehend Ergänzung und Reziprozität als Grundprinzipien der Interaktion zu entwickeln. Aber da müsste man sich sicher noch ein bisschen bei den Anthropologen umschauen.
Zur Resilienz ist mir eingefallen, dass diese Eigenschaft auch Kindern zugeschrieben wird, die unter widrigen Umständen aufwachsen (z.B. alleinerziehende, drogenabhängige, ungebildete Mutter) und die unerwarteterweise trotzdem ’ne Menge hinbekommen z.B. aufs Gymnasium gehen oder so. Die Wissenschaft versucht noch herauszubekommen, wovon dann solche resilienten Kinder zehren.
Zum „Ayni“ und der Frage, ob das nun Philosophie oder Praxis ist, fällt mir noch das „D.I.Y.“ ein, welches in manchen (Punk-/Hardcore-) Kreisen, wie soll ich sagen, gerne gepredigt (?) wird. „Do it yourself“ scheint dort scheinbar ein von oben verordnetes Gebot zu sein, dass Gleichgesinnte an eine bestimmte Einstellung erinnern soll, aus der dann wiederum bestimmte Handlungen (im Fall des D.I.Y.: „nicht konsumieren, sondern selbermachen“) erwachsen sollen.
„Ayni“ ist m.E. (wie m.E. auch die „Solidarität“ ) so ein sinnnstiftendes und handlungsleitendes Transzendenzangebot, das einerseits Philosophie/Ideologie ist und andererseits konkrete Handlungen erforderlich macht (z.B. den „Subbottnik“) oder auch verbietet (z.B. „Privateigentum“)
Zum Schneeschippen als faena – wie es übrigens tatsächlich richtig heißen muss (Vielen Dank, habs korrigiert): Scheint mir in Zeiten der Postmoderne sehr schwer zu organisieren. Alle stehen zu unterschiedlichen Zeiten auf, machen ganz unterschiedliche Dinge, manche gehen vielleicht gar nicht mehr aus dem Haus und brauchen keinen geschippten Bürgersteig. Heieiei, da heißt es, festes Schuhwerk mit gutem Profil verwenden.