Wohlstandsmehrung anders. Gemeingüter jenseits des Wachstumszwangs

Commonsblogleser_innen sind klar im Vorteil und können schon kurz vor der Aussendung an alle Teilnehmer_innen nachschauen, was auf dem 8. Interdisziplinären Politischen Salon „Zeit für Allmende“ besprochen wurde.

Hier geht’s zum Programm, zum Konzept, zur Teilnehmerliste, zu einer Reflektion auf den Salon und ab der nächsten Zeile folgt der Bericht:

Dokumentation des 8. Interdisziplinären Politischen Salons „Zeit für Allmende“

Wohlstandsmehrung anders

Gemeingüter: jenseits des Wachstumszwangs

“Ich habe erkennen müssen, dass mich das Wirtschaftssystem, so wie es jetzt ist, zwingt, als Unternehmer Fehler zu machen und dass es den Menschen nicht erlaubt, ihre Fähigkeiten zu entfalten und in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen.” (Frank Wilhelmi)

Es war der insgesamt achte interdisziplinäre Salon »Zeit für Allmende« der Heinrich-Böll-Stiftung aus der Reihe “Zeit für Allmende”. Und es war der zweite, der in Kooperation mit dem European Business Council for Sustainable Energy (e5) stattfand und spezifisch dem Thema Wirtschaft gewidmet war. Dies erklärt einige Besonderheiten:

Diesmal wurde nicht die gleiche Tiefe des konzeptionellen, theoretischen Denkens über den Begriff der Commons und ihre Bedeutung angestrebt. Stattdessen stand die Erörterung der Frage im Mittelpunkt, wie es gelingt das Thema Commons/Gemeingüter in ein elementares Feld menschlichen Zusammenlebens – die Wirtschaft – einzubringen und wie es mit dem existierenden Gebilde von Unternehmen, Handlungsrahmen und -weisen verzahnt werden kann oder diese umformt.

Die Zahl der Teilnehmer_innen war begrenzter als bisher, um einen im Wortsinn überschaubaren Gesprächskreis und eine enge Bezugnahme aufeinander zu garantieren. Von 20 Teilnehmern kamen 6 – vorwiegend – aus der Wirtschaft, 7 aus politischen oder gesellschaftlichen Organisationen, 3 aus der Wissenschaft und 3 weitere aus der “Commons-Szene”.

An die Teilnehmer wurde diesmal im Nachgang des Treffens ein Fragebogen verteilt, um die Gedanken und Eindrücke einzufangen, die die Teilnehmer_innen von dem Meinungsaustausch mitnahmen. Diejenigen, die ihn ausfüllten nutzten ihn hauptsächlich, um ihre Positionen noch einmal pointiert zusammenzufassen – was für die Erstellung dieses Berichts genutzt wurde.

Wie stets war auch dieser Salon als weitgehend ergebnisoffener Dialog konzipiert, welcher besondere Herausforderungen an das Kommunikationsverhalten, die Offenheit und gegenseitige Achtsamkeit stellte. Eine Moderation erfolgte lediglich zum Zwecke der Refokussierung des Gesprächsverlaufs. Insgesamt war das Gespräch vom Zuhören und konstruktiven Eingehen auch auf Positionen geprägt, die den Teilnehmern eigentlich befremdlich oder unrealistisch vorkamen. Damit wurden aus dem „Clash of Cultures“ des letzten Salons positive Konsequenzen gezogen.

Zum Stand der Commons-Debatte stellen mehrere Teilnehmer fest:

Das Thema hat die Öffentlichkeit erreicht. “Während in den letzten Jahrzehnten Commons wirklich nur unter den ‘Cracks und Avantgardisten’ der Nachhaltigkeitsszene vorwiegend akademisch, oder im Rahmen von zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen diskutiert wurde, ist es nun in der Diskussion der Wirtschaft und Politik angekommen.” (Daniel Dahm)

Dabei gelang es deutlich zu machen, dass es bei Commons „um die freie und gemeinsame Gestaltung von Kultur, Gesellschaft, Politik durch die Gemeinsamkeit der Menschen“ gehe, so Dahm. Mithin, um einen aktiven sozialen Prozess. Keinen Status. Dem entspricht ein viel zitierter Satz aus der Commonsdiskussion:

„Es geht nicht um Ressourcen, es geht um uns.“

Prinzipien gelingenden Commonsmanagements (nach Ostrom)

In einem einführenden Beitrag skizziert Prof. Michael Kirk die Commonsforschung, so wie sie von der Bloomington School der Indiana University in den vergangenen 40 Jahren vorangetrieben wurde. Dort liegt der Fokus auf der kollektiven Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen. Die Wissenschaftler_innen gehen der Frage nach, welche Faktoren bei den in verschiedenen (Rechts-) Formen organisierten gemeinschaftlich genutzten Ressourcen zu Übernutzungsproblemen führen. Die Pluralität von Eigentumsformen (z.B. Privat-, Staats-, Genossenschaftswald) ist typisch für die Allmende und wird in der öffentlichen Debatte oft übersehen. Vielfach erfolgt die verkürzte Gleichsetzung Gemeingüter = Gemeineigentum. Zudem sind Commons – auch das ist inzwischen klar – etwas anderes als Open-Access-Regime, so wie Garrett Hardin sie zur Verdeutlichung des Seeroseneffektes im Blick hatte.

Commons/Gemeingüter/Allmende, so betont Kirk, seien “keine Heilsbotschaft”, sondern eine konkrete Praxis, die sich an den jeweiligen Kontext anpasst. Einige der zentralen Forschungsfragen lauten:

  • Gibt es – jenseits von Markt und Staat – alternative Wirtschaftsformen, die durch Kooperation und Selbstorganisation geprägt sind? Wie stabil sind sie?
  • Welche Reichweite können diese Organisationsformen über das Lokale hinaus erreichen? (Bislang werden Commons häufig mit kleinen Gemeinschaften identifiziert. Die Frage der Skalierung stelle sich nun, wie Stefan Meretz in seiner Salonauswertung festhält, sowohl für die, die Commons „politikfähig“ machen wollen, als auch für die, die Commons als vergesellschaftendes Prinzip sehen wollen.
  • Wo sind Einfallspunkte für Korruption und Missbrauch?
  • Welche Bedeutung hat das lokale, “nicht greifbare” Wissen im Erhalt dieser Systeme?
  • Dient der Commons-Ansatz auch in der modernen Gesellschaft als Vorlage für die Organisation wirtschaftlichen Handelns?

Ein zentraler Beitrag von Ostrom und der Bloomington School liegt in der Filterung der Bauprinzipien für gelingende Gemeingüter, die sich aus einem induktiven Vorgehen ergaben. Sie sind Essenz Hunderter Feldstudien in aller Welt, die ihren Anfang mit dem Studium des Wassereinzugsgebietes von Los Angeles nahmen, über die Forstwirtschaft am Fuji reichten (dort liegen heute die wohlhabendsten Dörfer Japans) und die Weidewirtschaften in der Schweiz analysierten, die mit zunehmendem Wegfall der EU-Subventionen auch wirtschaftlich wieder interessant werden.

Überall konnten die Forscher vielfältige ausgefeilte Mechanismen für Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, für den Aufbau von Vertrauen und das Prinzip der Reziprozität dokumentieren. Im Ergebnis dieser Forschungsbemühungen existieren inzwischen eine ganze Reihe von Elementen, die die Stabilität gemeinschaftlich genutzter Systeme erklären und unterstützen. Ostroms veröffentlichte die so genannten „design principles” zum ersten Mal in ihrem Hauptwerk “Die Verfassung der Allmende”. Die Prinzipien werden seit Jahren weiterentwickelt. In ihrer Nobelpreisrede im Dezember 2009 stellte sie die von Cox, Arnold und Villamayor-Tomás präzisierte Fassung vor: [Ostrom, Nobel lecture, 2009], die von Michael Kirk ausführlich erläutert und im folgenden resümiert wird:

1A. Nutzergrenzen: es existieren klare und lokal akzeptierte Grenzen zwischen legitimen Nutzern und Nichtnutzern

1B. Ressourcengrenzen: es existieren klare Grenzen, die ein spezifisches Gemeinressourcensystem von einem größeren sozio-ökologischen System abgrenzen

2A. Übereinstimmung mit lokalen Gegebenheiten: Die Regeln für die Aneignung und Bereitstellung einer Ressource entsprechen den örtlichen Bedingungen

2B. Die Aneignungs- und Bereitstellungsregeln sind aufeinander abgestimmt; die Verteilung der Kosten ist proportional zur Verteilung des Nutzens.

3. Arrangements für gemeinschaftliche Entscheidungen: die meisten Personen, die von einem Ressourcensystem betroffen sind, können an Entscheidungen zur Bestimmung und Änderung der Nutzungsregeln teilnehmen

4A. Monitoring der Nutzer

4B. Monitoring der Ressource

Personen, die mit der Überwachung der Ressource selbst sowie mit der Überwachung von Aneignung und Bereitstellung derselben betraut sind, müssen selbst Nutzer oder den Nutzern rechenschaftspflichtig sein.

5. Abgestufte Sanktionen: die Bestrafung von Regelverletzung beginnt auf niedrigem Niveau und verschärft sich, wenn Nutzer eine Regel mehrfach verletzen.

6. Konfliktlösungsmechanismen: schnell, günstig und direkt. Es gibt lokale soziale Räume für die Lösung von Konflikten zwischen Nutzern sowie zwischen Nutzern und Behörden.

7. Minimale Anerkennung der Rechte der Nutzer/Aneigner durch den Staat, ihre eigenen Regeln zu bestimmen

8. Eingebettete Organisationen: Wenn eine Gemeinressource eng mit meinem großen Ressourcensystem verbunden ist, sind Governancestrukturen auf mehreren Ebenen miteinander „verschachtelt“ (Stichwort Polycentric Governance, es kann nicht nur ein Zentrum geben.)

Zum Begriff Gemeingüter/Commons in der politischen Debatte

Wer die Commons-Debatte (auch im Salon) aufmerksam beobachtet, wird feststellen, dass nach wie vor drei unterschiedliche Begriffsfassungen im Raum stehen:

  • Gemeingüter als kollektiv genutzte Ressourcen (Wasser, Wald, Softwarecode, Wissen)
  • Gemeingüter als komplexe soziale Systeme kollektiven Handelns (Ressourcen + Nutzergruppen + Fertigkeiten/Einstellungen/Regeln/Institutionen/)
  • Gemeingüter als commonsbasierte peer-to-peer-Produktionsweise (Ressourcen + Nutzergruppen + Fertigkeiten/Einstellungen/ Regeln/Institutionen —-> Produkte/Ergebnisse, die wieder Gemeingut sind)

Knapp gesagt entspricht dem ersten, “landläufigen” Begriffsverständnis die Grundidee, vor allem die Erschöpfung der ökologischen Ressourcen in den Blick zu nehmen. Es ist schnell klärbar, dass dies unzureichend ist, die soziale Erschöpfung nicht in den Blick nimmt und zudem den Ökologiebegriff unzulässig verkürzt. Wer lediglich kollektiv genutzte Ressourcen meint, wenn er „Gemeingüter“ sagt, versteht nicht die vielfältige soziale Interaktion, die moderne wie tradierte Allmenden ausmacht und vergibt sich die Chance, von dieser sozialen Interaktion zu lernen. Was bleibt ist ein einfacher, naturschützerischer Ansatz, wie er schon seit langem öffentlich diskutiert wird: Natürliche Ressourcen sind knapp und müssen geschützt werden. Dies kann und soll dann durch die gesellschaftsweit üblichen Steuerungsformen wie staatliche Verbote oder Vorgaben, (Selbst-)Verpflichtungen von Unternehmen, ökonomische Instrumente wie Ökosteuern oder marktbasierte Instrumente, aber auch durch Aufklärungskampagnen erfolgen.

Der zweite Gemeingüter-Begriff ermöglicht es, die menschlichen Praktiken und Interaktionen, die ein Gemeingut erst konstituieren, zu studieren sowie Lektionen aus denjenigen Gemeingütern zu ziehen, die Bestand haben. Dieses Wissen können wir nutzen, um neue Gemeingüter zu schaffen und Institutionen und Strukturen aufzubauen, die bestehende Gemeingüter pflegen und unterstützen. Dazu können auch jene feinen, aber in ihren Folgen weitreichenden Justierungen im juristischen Getriebe der modernen Marktwirtschaft gehören, die Gerhard Scherhorn im siebten Salon vorschlug:

Eine Zusammenfassung seiner Vorschläge gibt es z.B. hier.

Solche Veränderungen im Aktien-, Wettbewerbs- und Unternehmensrecht, bei der Zinseszinsfestlegung und im Weltwährungssystem zielen auf eine Ökologisierung der kapitalistischen Marktwirtschaft, die zugleich das Soziale in den Blick nimmt.

Dadurch dass das dritte Begriffsverständnis nur auf jene Gemeingüter zielt, deren hergestellte oder bereitgestellte Güter selbst wiederum Gemeingüter sind (hier wird der Slogan von den Gemeingütern – jenseits von Markt und Staat, konsequent als „Gemeingüter ohne Markt und Staat“ verstanden), läuft es Gefahr, ähnlich wie das erste Gemeingüterverständnis, eine Vielzahl an sozialen Aktivitäten aus dem Blick zu verlieren. Andererseits hat es als Modell des Wirtschaftens die weitreichendsten Folgen, wenn es um die Verfügbarkeit seiner Güter geht. Denn letztere können zwar auf den Märkten zur Bereitstellung von begleitenden Dienstleistungen und Folge-Produkten anregen, sind selbst aber wiederum frei verfügbar. Damit verknüpft sind Hoffnungen bei einigen Teilnehmern der Runde nach einer radikalen Demokratisierung der Verhältnisse.

Fest steht, dass beide der letztgenannten Umgangsweisen mit Ressourcen Commons als Keimform der Verallgemeinerung einer neuen Produktionsform ohne Markt und Staat auffassen können. Dies verbindet die ökologische mit der sozialen und politischen Frage wie wir leben und produzieren wollen, während wir unsere Handlungsfreiheit erhalten beziehungsweise erweitern. Freiheit ist ein Kernbegriff der Diskussion: “Kreativität und Fähigkeiten können nur in Freiheit entstehen.” (Wilhelmi) Doch das Problem liegt auch hier in der Wiederaneignung der Begriffe. Der gegenwärtige Freiheitsbegriff ist stark an die Idee des Privateigentums gekoppelt, doch in der Realität “werden die Ressourcen durch die Summe aller Privateigentümer genauso vernutzt als würden sie niemandem gehören”. (Helfrich) Die Freiheitschancen der neuen commonsbasierten Peer-to-peer-Produktion, die sich vom Primat des Privateigentums löst, werden erst langsam einer breiteren Öffentlichkeit bewusst.

Gemeinsam ist Konzeption zwei und drei ebenso, dass als Fundament der Commons/Gemeingüter die natürlichen, sozialen und kulturellen Ressourcensysteme verstanden werden, die Menschen gemeinsam nutzen. Zur Gestaltung dieser Nutzungsmöglichkeiten hat sich eine Vielfalt von Formen inklusive Sanktions- und Konfliktlösungsmechanismen entwickelt. Sie müssen anpassungsfähig sein, um permanent veränderten Bedingungen standzuhalten. Commons institutionalisieren sich. Das besondere der dritten Konzeption ist nun, dass nur sie den Fokus auf die Frage legt, ob aus dem Zusammenwirken dieser Elemente (dem commoning) auch wieder Gemeingüter entstehen. Hier geht es vorrangig darum, ob und in welcher Weise Commons so produktiv werden können, dass sie “der Wirtschaft die Arbeit abnehmen” (Meretz), weil viele Dinge die wir zum Leben brauchen direkt aus den Commons zu schöpfen sind.

Das in der Arbeitsweise der Commons eine Alternative zum herkömmlichen Wirtschaftsverständnis angelegt ist, macht Julio Lambing in seinem Vortrag zum anderen Schwerpunkt des Abends deutlich: die Diskussion um

Notwendigkeit und Unsinnigkeit des Wirtschaftswachstums

Julio Lambing stellt die Argumente derjenigen vor, die Wirtschaftswachstum als unabdingbar für den Bestand moderner Gesellschaften halten. Eine zentrale These der Wachstumsbefürworter lautet, dass sich nur so gesellschaftsweite Armut vermeiden ließe: Ohne Wirtschaftswachstum sinke eine Gesellschaft auf ein niedrigeres Einkommensniveau und die Träger hoher Einkommen (sowohl als Angestellte wie als Unternehmer_innen) wanderten in andere Länder ab. Die Folge ist eine Zunahme der Arbeitslosigkeit. Umgekehrt demonstriere z.B. die „Reindustrialisierung“ und Expansion des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland, wie Wirtschaftswachstum die Anzahl der Langzeitarbeitslosen von 1,7 Mill.(2006) auf 0,9 Mill. (2009) gesenkt hat. Wirtschaftswachstum hat nach dieser Position auch positive soziale Effekte: Die Kosten unseres Sozialsystems steigen seit Jahren. Die längere Lebenserwartung von Menschen führe zu einer enormen Belastung der Rentenkassen, steigende Kosten für medizinische Betreuung würden die Belastungen für die Gesundheitskassen in die Höhe treiben. An Letzteren ist nicht zuletzt der Umstand schuld, dass der Gesundheitsmarkt nicht im gleichen Maße wie andere Märkte nach Kaufkraft und Preis differenziert ist: Auf einem „normalen“ Markt kauft jede Kundin das Produkt, das sie sich leisten kann. Aber aus ethischen Gründen muss von den öffentlichen Gesundheitsinstitutionen das jeweils beste Produkt und die beste Technik als Behandlungsmethode erworben werden. Ein steigendes Bruttoinlandsprodukt ermögliche nun der Gesellschaft diese Entwicklungen zu bewältigen, denn es bedeute mehr Geld für Privathaushalte wie für den Staat. Durch ein steigendes BIP würden Staatsschulden zudem am volkswirtschaftlichem Gewicht verlieren. Entsprechend müsse auch zukünftig auf Wachstumspolitik gesetzt werden.

Gegen diese Position spricht für Lambing allerdings der Umstand, dass Wirtschaftswachstum als wirtschaftspolitisches Ziel immer schwieriger zu realisieren ist. Die Wachstumsraten des deutschen BIP seien in den letzten Jahrzehnten insgesamt gesehen stetig gefallen. Angesichts des hohen Niveaus der deutschen Wirtschaftsleistung ist ein exponentielles Wachstum unwahrscheinlich geworden. Auch die Arbeitslosigkeit steige in Deutschland in der Gesamttendenz seit 40 Jahren an, obwohl das Wirtschaftswachstum insgesamt positiv war. Ebenso steige die offizielle Schuldenquote des deutschen Staates seit vielen Jahren, trotz Wirtschaftswachstums.

Nach Lambing haftet der Beharrlichkeit, mit der in der politischen Debatte Wirtschaftswachstum angestrebt wird, ein verdeckt religiöser Hintergrund an. Der Hang zum Wirtschaftswachstum sei die säkulare Variante des christlichen Glaubens an das Reich Gottes. Im christlichen Mittelalter bestand das Ziel der menschlichen Gesellschaft darin, dass eines Tages das Reich Gottes anbricht und gute Christenmenschen in ewiger Glückseligkeit das absolute, unendliche Gute schauen und in ihm aufgehen: in Gott, der ultimativen Wahrheit. Mit dem Aufkommen des Rationalismus und dem Bedeutungsverlust des Christentums sei das Paradies in eine zeitliche Dimension gerückt worden. Nun ging es um das sich immer weiter steigernde relative Gute. Der neue Glaube laute: Je weiter die Zeit fortschreitet, desto mehr wächst das Wissen und desto glückseliger sind die Menschen. Die menschliche Gesellschaft entwickelt sich immer „höher“, das Leben wird immer „besser“. Dieses Wachstum von Wissen und Glück ist unendlich. Die ökonomische Wachstumsspirale, bei der Unternehmen immer mehr Geschäfte tätigen und die Privathaushalte immer mehr Güter konsumieren und Dienstleistungen in Anspruch nehmen spiegele dieses Streben nach Unendlichkeit.

Informationen und Geld seien die beiden einzigen Phänomene, von denen wir derzeit beobachteten, dass sie unendlich wachsen. Natürliche Systeme seien jedoch nicht unendlich, entsprechend führe die Wachstumsorientierung der Wirtschaft zur Vernutzung der Ressourcenbasis. Schon Aristoteles warnte vor der Unnatürlichkeit des Strebens nach endloser Geldvermehrung. Auch Commons, die ja ihren Urspung bei der kollektiven Nutzung natürlicher Ressourcen haben, folgen für Lambing nicht der Unendlichkeitslogik: “Wenn wir über Gemeingüterbasiertes Wirtschaften reden, dann gibt es einen anderen Horizont. Der homo oeconomicus als Modell und der Glaube, dass Fortschritt und Wachstum per se A und O sind, ist bei Gemeingütern nur eines unter vielen Kalkülen.”, so Julio Lambing. Mit dieser Feststellung traf er durchaus einen Konsens in der Runde.

Eigenlogiken und das Verständnis von Wirtschaft: Die Geister scheiden sich

Das Salongespräch macht gleich zu Beginn der danach einsetzenden Diskussion deutlich, dass die Debatte um Gemeingüter auf einen kulturellen Paradigmenwechsel abzielt, auf Veränderung von Grundüberzeugungen, die die Diskussionskultur prägen. (Rolle von Vielfalt, Menschenbild, Wachstumsverständnis, Haltungen – was wird als erstrebenswert empfunden?) Nur so könne dem Problem begegnet werden, dass das Wohlergehen einer Gesellschaft an eindimensionalen Indikatoren festgemacht werde, nämlich an metrischen Systemen, die das Wachstum von Wirtschaftsleistungen und insbesondere des BIP messen. Doch welche Rolle dieser kulturelle Paradigmenwechsels bei der Veränderung des bisherigen Umgangs mit Gemeingütern und Ressourcen spiele, darüber scheiden sich die Geister:

Die einen plädieren dafür, Begriffe von “Wirtschaft”, “Markt”, “Wachstum”, “Lebensqualität” wieder zurück zu holen in die Sphäre der Kultur, aus der sie herausgelöst wurden. Die Wirtschaft sei ein Subsystem der Kultur, erst von dort sei ein Weiterdenken möglich (Daniel Dahm). Wirtschaft beruhe auf den Prinzipien Freiheit, Empathie, Unterschiedlichkeit und nehme immer schon sowohl monetäre als auch nicht monetäre Bereiche in den Blick. Hierin habe die soziale Marktwirtschaft und damit unternehmerisches Handeln, das auch anderen Maximen folgen könne als der Gewinnmaximierung (etwa am Gemeinwohl orientierte Aktiengesellschaften wie die Regionalwert AG ihren Platz. Die Aufgabe bestehe darin, über Schranken, Regeln, Gesetze, Stärkung der unternehmerischen Verantwortung für das Gemeinwohl usw die gesellschaftliche Verfügbarkeit der Ressourcen zu sichern. Diese Konzeption äußert sich in Formulierungen wie “mit ökologischen und anderen Gemeingütern sinnvoll wirtschaften”.

Andere halten dagegen, dass die Eindimensionalität des Bewertungsmaßstab der Eigenlogik des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells folge und daher nicht innerhalb des Systems überwunden werden könne. Zudem sei das Problem nicht personalisierbar. Die Möglichkeiten, individuelle (auch individuell unternehmerische) Haltungen zu ändern seien gewissermaßen systemisch eingeschränkt. Die kapitalistische Marktwirtschaft habe etwa zur Aufrechterhaltung der Produktivität ein Arbeitsabschaffungsprogramm eingebaut (Rationalisierung). Diese Logik bedürfe de facto eines exponentiellen Wachstumsmodells.

Die Commons, verstanden als Produktionsweise von Nachbarschaftshilfe bis Softwareproduktion (s.o), würden dagegen eine verallgemeinerbare Alternative bieten, das eigene Leben nicht nur mit Geld zu ermöglichen. Damit würden sie einen Weg aus dem Wachstumszwang aufzeigen. „Jenseits von Markt und Staat“ heißt hier: “Politik und Staat kommen in dieser Sicht nicht als Gestalter, sondern bestenfalls als Ermöglicher vor.”(Meretz)

Diese Perspektiven provozieren wieder Mahnungen, die neu entdeckten Commons nicht mit Hoffnungen zu überfrachten: „Für mich kann eine Allmende orientierte Ökonomie bisher nur ein interessanter Stein im Puzzle sein, dass uns aus dem Wachstumszwang führt. Hier gleich eine Gesamtalternative zu wachstumsorientierten Ökonomie aufzumachen wäre zu groß. Ich kann mir aber vorstellen, dass Peer-to-Peer Ökonomie für bestimmte gesellschaftliche ökonomische Aufgaben einen Lösungsansatz bieten können und so teilweise eine Alternative zum Wachstumszwang darstellen können. “ (Sebastian Gallehr)

Die andere Gefahr sei, “Commons als Restgröße” zu verstehen. “Als der Ort, wo es im Privatwald noch sekundäre Sammelrechte für die Armen gibt.” (Michael Kirk) Und selbst diese Restgröße wird – etwa durch den neuen Griff auf’s Land – in Frage gestellt. Zuviel Optimismus sei fehl am Platze, vielmehr brauchten wir einen nüchternen Blick auf die Frage, ob wir Elendscommons verteidigen, in denen der berühmte ‘eine Dollar’ erwirtschaftet wird oder ob wir tatsächlich mit einer neuen Dynamik konfrontiert sind.

Genau das konstatieren aber mehrere Teilnehmer. Silke Helfrich bezeichnet die “Commons als zentralen entwicklungspolitischen Diskurs der Zukunft”, Peter Kusterer konstatiert, dass das binäre Denken allmählich überwunden wird und “die neuen Paradigmen langsam das Alte übernehmen” Und Michael Kirk stellt fest, dass die Gemeingüter an den Universitäten ein Revival erlebten, während Franz Theo Gottwald fundamentale Veränderungsprozesse in der Praxis beschreibt. In nur einer Generation, bemerkten mehrere Teilnehmer, habe es “eine wahnsinnige Bewegung nach vorn” gegeben.

Ein weiterer Disput entsteht um die Begriffe “Wirtschaft” und “Markt” selbst:

Wirtschaft wird einerseits als Begriff verstanden, der heute de facto fast ausschließlich die Eigenlogik der kapitalistischen Marktwirtschaft beschreibt. In dieser Perspektive reduziert sich der Begriff Markt auf den kapitalistischen Markt, in Konsequenz der damit verbundenen Eigenlogik wird der Begriff schließlich abgelehnt, und Commons werden konsequent “jenseits von Markt und Staat” also getrennt von Markt und Staat gedacht.

Die Kritiker dieser Perspektive wenden ein, dass die Ablehnung von “Markt” und “Wirtschaft” mit dieser Begründung die dominante Begrifflichkeit nur wiederholt, anstatt deutlich zu machen, dass es mehr soziale Gestaltungsmöglichkeiten von Märkten und Wirtschaftsaktivitäten gibt: „Die Wirtschaft muss lernen, dass die Stärkung der Privatgüter immer eine synergetische Stärkung der Gemeinschaftsgüter voraussetzt. Werden die Gemeinschaftsgüter geschwächt und degradiert, dann sind die Privatgüter (…) ihrer Grundlage beraubt. Zukunftsfähiges Wirtschaftshandeln beinhaltet immer die Pflege, den Schutz, Erhalt und den Aufbau der Gemeinschaftsgüter, um auf diese Weise Standortqualität, Sozialkapital, Naturkapital und deren Zusammenspiel so zu entfalten, dass Überschüsse in Privatgüter fließen können.“ (Daniel Dahm) Streng genommen müssten Privatgüter so verstanden werden als seien sie eine private Treuhänderschaft für Gemeinschaftsgüter. Externalisierung verbiete sich deshalb per se.

Transition: Wie kommen wir von hier nach da?

Im weiteren Verlauf dreht sich das Gesprächs um die Gestaltung des Übergangs, widmete sich also politisch-strategischen Fragen. “Wie kommen wir in eine Welt, die nach Commonsprinzipien organisiert ist?” (Albrecht von Sydow)

  • Wie können wir ökologische Prinzipien zurück bringen auf einen Markt, der sich als Plattform versteht – für den Austausch und das Aushandeln dessen, was wir wie produzieren.
  • Wie können wir Denkschranken alter Ideologien überwinden und in Handlungsfähigkeit kommen?
  • Wo sind die Schnittstellen, Anschlusspunkte zum Jetzigen?
  • Wo gibt es Menschen, die Dinge wieder konkret zu Commons machen, etwa die weltweit ungezählten lokalen Energie- oder Versorgungsnetze. In Sorge um globale und damit auch lokale Gemeinressourcen entwickeln sie Beispielhaftes, während hier gerade die großen Entwürfe multilateraler Politik versagen.
  • Wie rücken wir diese best practices in den Mittelpunkt?
  • Wo sind die unternehmerischen Vorbilder, die ohne Wachstum auskommen?
  • Könnten all diese Beispiele nach dem Open Source Prinzip auf eine globale Bühne (Börse) gebracht werden, zum andocken, aufgreifen und weiterentwickeln?
  • Sind Commons vielleicht nur erreichbar in Kombination mit Staat und Mark (Stichwort: Mehrebenen-Governance bzw. Polyzentrische Governance) Wenn ja: Wer sind die Bündnispartner? Und wie funktioniert die Verzahnung der Ebenen?

Commons upscalen?

Die Debatte um die Transition und konkrete soziale Praxen, die in sozialen und ökologischen Grenzen arbeiten, wirft die komplexe Frage nach der Skalierung auf. Zugespitzt gefragt: “Können wir über das Paradigma der Commons auch für Milliarden von der Natur komplett entfremdeten Städtern eine neue Lebensperspektive aufmachen?” (Barbara Unmüssig)

Frank Wilhelmi reagiert darauf positiv indem er betont, dass es nicht nur um das Wiedergewinnen verloren gegangener Freiheits- und Erkenntnisgrade gehe, sondern dies mit dem eigenen Anspruch auf Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt zusammenzubringen ist. Seine für die Commonsdebatte zentrale These: “Ich kann mit Menschen Bedingungen herstellen, unter denen ich leben und arbeiten möchte und ich kann dieses regionale Prinzip hochzoomen auf die globalen Zusammenhänge.”

Dabei genüge es aber nicht, das Lokale und “Personalisierte einfach auf Nationalstaaten oder die internationale Ebene hochzurechnen”, warnt Michael Kirk, denn hier agieren – wie in Landwirtschaft und Industrieproduktion – unterschiedliche Logiken. Dennoch sei es mitunter hilfreich, von ländlichen Regionen und von Projekten zur Grundbedürfnisbefriedigung auszugehen, um zentrale Elemente für die Gestaltung komplexer Regionalwirtschaften zu destillieren.

Eines der Probleme ist dabei, dass statt tradierten Produktionsprinzipien der Landwirtschaft zu folgen, einem tayloristischen Modell entsprechend über mehrere Generationen eine Industrie entstanden ist, deren Funktionsweise auf landwirtschaftliche Produktion rückübertragen wurde. Im Ergebnis werden Lebensmittel zunehmend industriell und nicht landwirtschaftlich produziert. Hier sei “eine Erweiterung von Freiheitsgraden zu einer Ideologie geworden, die unsere Freiheit wieder beschränkt.” (Frank Wilhelmi) Der Rückbezug von Grundmustern industrieller Produktion auf Land- und Forstwirtschaft verhindere aber gerade, dass der Blick auf commonsbasierte Produktionsweisen frei gelegt wird. Am Beispiel periurbanen Zonen chinesischer Großstädte (Provinz Changzhou) erläutert Franz-Theo Gottwald ein diesen Blick öffnendes Prinzip, das aus der Debatte um Digitale Gemeingüter hinreichend bekannt ist:

“Das leitende Bild ist Ko-Produktion”

“Wirtschaften ist Miteinander. So entsteht ein ganz vitaler Lebensraum von Menschen, für Menschen, mit Menschen gemacht.” Es gehe, ganz im Ostromschen Sinne, um das Finden von Regeln, die dieses Miteinander ermöglichen und commonsbasiertes Produzieren auch unter globalen Marktbedingungen des Wachsens oder Weichens stabilisieren. Auch in Europa seien die Erfahrungen zur Mobilisierung finanzieller Unterstützung für die Landwirtschaft von Bürger_innen, die ihr Geld außerhalb der Landwirtschaft verdienen, ermutigend. Darüber hinaus entstünde ein neuer “Vermögensbegriff”, der das soziale Vermögen sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Einzelnen in den Blick rücke. Städtisches vertical farming führe zu dynamischen, generationsübergreifenden Lernprozessen und Praxen. Das Bild der “Weide als Commons” wandele sich in der Stadt zu Balkonen, Dächern, Fassaden, Grün- und Brachflächen als Commons. Daniel Dahm bringt den Begriff des social urban farming ins Spiel, in dem die “Verknüpfung von Subsistenzlogik und Marktlogik” geschieht. Dieses Verknüpfungen sind wichtig, denn das künstliche Abgrenzen reiner Commons sei unter den gegenwärtigen Entstehensbedingungen für Commons wenig hilfreich.

Zentral sei aber, so mehrere Teilnehmer, Kerngedanken der Commons nicht preiszugeben. Da zum Anspruch der Commons neben Nachhaltigkeit auch tritt, dass Zwänge minimiert werden und die individuelle Entfaltung der eigenen Potenzen in den Mittelpunkt rückt, formuliert am Schluss des Salons Stefan Meretz einen dieser Kerngedanken. Er verbindet damit die Skepsis, dass sich dieser Gedanke konsequent in Wirtschaftsstrukturen implementieren lässt. Meretz plädiert für einen “sozialen homo oeconomicus” (auch der holo oeconomicus erscheint kurz darauf im Salon) und bringt einen Ansatz ins Spiel, der den eher defensiven Kantschen Imperativ nach vorne wendet. “Der homo oeconomicus in seiner jetzigen Formulierung ist assozial. Ich maximiere irgendwas und allen nutzt es. Doch da ist von mir zu den Anderen keine Verbindung, sondern es wird ein allgemeiner Nutzen behauptet, der irgendwie eintritt aber wie genau das geschieht, wissen wir nicht. Vor allem wissen wir nicht, zu wessen Lasten. …. Das Kriterium muss also sein: Wie kann ich meine Individualität entfalten, die weiss, dass sie die Entfaltung der Bedürfnisse und der Individualität der Anderen zur Voraussetzung hat und umgekehrt?” Die zentrale Frage des Übergangs wäre damit: Wie kann dieser dialektische Bezug zur praktischen Handlungsmaxime werden?

Ausblick

Die Salonreihe „Zeit für Allmende“ der Heinrich Böll Stiftung wird auch im Jahr 2011 fortgeführt. Sie möchte sich nun einem neuen Blick auf eigenständige Existenzsicherung und die sie ermöglichenden Instrumente widmen: Welche Impulse generieren sich aus dem Commons-Gedanken für die Debatten um Grundeinkommen oder Grundsicherung, Sorgearbeit oder Bürgerschaftliches Engagement? Das steht im Kern der kommenden Gespräche, zu denen eine andere Expert_innenrunde eingeladen wird.

Zudem wird ein Impuls des achten Salons aufgegriffen. Denn gegen Ende hatten eine ganze Reihe der Teilnehmer den Wunsch geäußert, das Thema Commons anhand einer konkreten Wirtschaftsproblematik durchzudeklinieren. Angesichts der öffentlichen Diskussionen zu Infrastrukturprojekten wie „Stuttgart21“ oder Stromtrassen hatte Julio Lambing deshalb vorgeschlagen, einen Experten-Workshop zu veranstalten, der Commons-Ansätze auf Energieinfastrukturprojekte und dem klimapolitisch gebotenen Umbau der Energiewirtschaft bezieht, was auf große Zustimmung stieß.

Die Veranstalter beschlossen deshalb einen entsprechenden Workshop für Anfang April 2011 zu veranstalten, denn hier lauert eine Problematik, die dringend konstruktiver Lösungsansätze bedarf: Die Bekämpfung des Klimawandels stellt die Gesellschaft und damit auch die Energiewirtschaft vor enorme Herausforderungen. Die Tatsache, dass und wie die Strommärkte liberalisiert sowie die Versorgungsunternehmen und die Strominfrastruktur privatisiert sind, bremst derzeit diesen Umbau des Energiesystems. Es herrscht aus privatwirtschaftlichen Kalkülen der Energieversorger ein Investitionsstau sowohl bei Erzeugungsanlagen wie bei Stromnetzen. Auch bei der Schaffung von Akzeptanz für neue Investitionsvorhaben ist die Situation nicht rosig: Den Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft ist derzeit nicht klar, ob und wie für die Belastungen durch neue Energieinfrastruktur eine gesellschaftliche Grundakzeptanz gewährleistet werden kann, was auch mit der fehlenden Partizipationsmöglichkeiten der Energienutzer bei der Gestaltung der Energieversorgung zu tun hat. Privatisierte Stromunternehmen haben zudem in einem liberalisierten Strommarkt kein wirkliches Interesse an wirklicher Reduktion des gesamtgesellschaftlichen Stromverbrauchs, was den Klimaschutz ebenfalls behindert. Zuletzt birgt eine Energiewirtschaft, die zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien beruht, eine neue Produktionslogik, die sich von dem Knappheitskonzept herkömmlicher wirtschaftlicher Strategien deutlich unterscheidet. Kann die derzeitige konventionell privatwirtschaftliche Verfasstheit der Energieversorgung solche Herausforderungen des Klimawandels wirklich bewältigen? Doch was wäre die Alternative? Wollen wir wirklich zu einem staatlichen Monopolmarkt mit all seiner Ineffizienz und Unfreiheit zurück?

Beim Umbau der Energiewirtschaft bergen Organisationsformen, die sich am Gemeingüteransatz orientieren, die Chance, die binäre Struktur der Privatisierungsdiskussion zu überwinden und Impulse für neue Modelle zu geben, die jenseits von Markt und Staat und in Ergänzung von staatlichen und privatwirtschaftlichen Ansätzen agieren. Dies soll untersucht werden. Dabei wird von vorneherein eine gewisse Pluralität der Lösungsansätze verfolgt werden, wie es auch die Beschäftigung mit den vielfältigen Commons nahelegt.

Januar 2011, Silke Helfrich, Julio Lambing

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