Commonic No. 1: Nanotechnologie vom Fleischer


Ich weiss ja schon, dass Bahnhöfe an Komik kaum zu überbieten sind. Gestern morgen am Jenaer Westbahnhof rieb ich mir aber dennoch ungläubig die Augen. Faustkeil. Dampfmaschine. Nanotechnologie. Fortsetzung folgt … stand dort in modischen Lettern auf einem Werbeplakat. Unterzeichnet vom Handwerk, der Wirtschaftsmacht von nebenan. Ach du liebe Zeit, denke ich. Nanotechnologie vom Fleischer? Müssen die jetzt schon so winzige Schweine schlachten.

Vor einigen Tagen versuchte ich übrigens nachts um 0:27 Uhr ein Zugticket von Erfurt nach Jena zu lösen. Das Displays beweist, ich habe noch zwei Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Ich muss nun also eiligst zwischen DB Fernverkehr und DB Regio wählen oder zwischen verschiedenen Verkehrsverbünden? Was sind Verkehrsverbünde? Ich kenne bloß die Eisenbahn und will heim ins Bett. Hilfe? Abbrechen?

Nein! Das geht nicht, denn im Zug beim Kundenbetreuer eine Fahrkarte lösen ist ja grundsätzlich nicht mehr vorgesehen. Und Schaffner gibt es gar nicht mehr. Also weiter im Menü. Ich muss die angezeigte Fahrkarte entweder bezahlen oder ändern.

Was für eine Fahrkarte wird denn angezeigt. Ah ja. Von Erfurt Hbf (10) nach Jena West (30). Wieso 10 und 30? Was will das Display mir da mitteilen? Sogar mit Bahncard, aber ohne 25 oder 50. Wo ist der Button für Bahncard 50? Dafür ist kein Platz mehr auf dem Bildschirm. Bahncard 50 scheint es bei Zugtyp RB im Verbundtarif nicht zu geben. Aber ich bin immerhin schon besser dran, als auf der Hinfahrt. Da habe ich nämlich 8.50 Euro bezahlt. Zu blöd zum Zugfahren, wird der Zugbegleiter gedacht haben. Er bemittleidete mich diensteifrig. Gültig 240 Minuten ab Entwertung? Wenn man sie nicht entwertet, dann ist sie also nicht wert? Und wenn man sie entwertet, dann ist sie was wert – allerdings nur für 240 Minuten? Preisstufe 7? CityRegio? Ich bin versucht auf Tarifinfo zu drücken, habe aber Angst, die fragile Fahrkarte könnte dann wieder ins digitale Nichts verschwinden. Insgesamt habe ich von Jena nach Erfurt und zurück 14.90 Euro statt 17 Euro bezahlt (aufgrund der immerhin halben Bahncard-Ermässigung). Später erzählte mir Silke (die heute übrigens auf dem Weltsozialforum in Dakar gesprochen hat), dass man für insgesamt 7 Euro ein Hopperticket kaufen kann. Dieses gilt auf derselben Strecke den ganzen Tag lang. Bloß, wo finde ich das Hopperticket in diesem Menü um 0:28 Uhr und 45 Sekunden wenn der Zug in 15 Sekunden abfährt???

Glücklicherweise ist der Stress umsonst (ja, auf Bahnhöfen ist der Stress umsonst), denn um 2:45 Uhr kommt ja noch ein Zug – und damit fahren alle besser. Muss es nicht heißen damit fahren besser alle? Denn auch um 0:31 Uhr ist vom 0:29 Uhr Zug weit und breit nichts zu entdecken. Eigentlich würde ich die gewonnene Zeit ja gerne nutzen … aber leider, die Toiletten sind schon geschlossen und die patroullierende Polizei wirkt nicht ausreichend humorvoll, als dass ich mich trauen würde, mich in dieser Angelegenheit dem ebenfalls schon geschlossenen Informationsstand zuzuwenden. Um 0:50 Uhr kommt dann aber rechtzeitig die erlösende Nachricht, dass der Zug voraussichtlich 15 Minuten Verspätung haben wird.

Was sie nicht durchsagen ist, dass dieser Zug schließlich ohne WC anrollt. Bitte benutzen Sie die anderen WC? Aber dieser Zug hat nur ein WC!!! Ich bin ja ein geduldiger Mensch. Am Ende der Reise stehen mir aber doch Schweißperlen der Ungeduld auf der Stirn. Immerhin sind es 40 Minuten bis Jena West. In den DB Nahverkehrszügen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gelten ab 01.06.2008 einheitliche Beförderungsbedingungen? Na Prost Mahlzeit. Die Bahn macht mobil. Aber warum ausgerechnet gegen mich? Für mich braucht man doch nur einen Klemptner und kein schweres Räumgerät.

Was das nun alles mit den Commons zu tun hat? Gute Frage. Nichts! Vielleicht wenn die Fahrgäste selbst überlegen und darüber diskutieren könnten, wie der Zugang zur Ressource Sitzplatz in der Bahn geregelt werden könnte und ob das Geld lieber in die Instandhaltung von Toiletten oder in Hochglanz-Imagebrochüren investiert werden sollte? Noch gehört die Bahn ja uns – oder?

Die Bahn schlug mir ein solches Mitsprachemodell übrigens vor einigen Tagen selbst vor. Eine völlig genervte Zugbegleiterin echauffierte sich über einen Fahrgast, der offenbar ein falsches Ticket gelöst hatte. Sie schimpfte wie ein Rohrspatz. Als ich ironisch anmerkte, man müsse die Bahn der Einfachheit halber eben einfach ohne Fahrgäste betreiben, da hielt sie dies für eine prima Idee. Denn wozu seien denn die Regeln da, wenn sich keiner daran hielte? Dann könnte doch gleich jeder seine eigenen Regeln machen. Ich hielt dies wiederum für eine prima Idee. Hätte so eine Kreativität der Bahn gar nicht zugetraut.

6 Gedanken zu „Commonic No. 1: Nanotechnologie vom Fleischer

  1. Noch abstruser: Kauf statt Erfurt-Jena einfach ein Erfurt-Stadtroda Ticket. Das ist zwar weiter, aber da es außerhalb des Regionalverbundes ist, nimmt die DB wieder die BahnCard50. Vor 1,5 Jahren waren das dann 4,80 und billiger als das Hopperticket, aber das kann sich geändert haben.

    • Das ist eine hervorragende Idee. Die Bahn sagt dazu folgendes: „Preisauskunft nicht möglich, Preisauskunft nicht möglich Für Ihre gewählte Verbindung kann online kein Preis ermittelt werden“. Vielleicht ist das eine Vorsichtsmaßnahme wegen der Journalisten.

  2. Also ich freu‘ mich jetzt schon auf Fomic Nr.2 … und ich habe da auch eine Idee. Wir könnten ja jetzt den Commonsblogleser_innen jeden Monat einen Fomic in Aussicht stellen. Oder? Nur so eine Idee…

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