“Wie soll das Endprodukt aussehen? Das fragen uns alle”, erzählt einer der Macher von Remix the Commons. Ein wundervolles Multimediaprojekt. “Und dann antworten wir: Wir wissen es nicht, denn das Produkt entsteht im Prozess. Da haben wir natürlich ein Problem, denn wir brauchen Unterstützung, um den Prozess zu organisieren und unsere Aussage ist für potentielle Geldgeber unbefriedigend. Zudem finden diese, es müsse jemand die Geschichte erzählen. Also eine Person als Erähler im Films. So funktioniert das aber nicht….”
So funktionieren die Commons nicht. Bei Remix the Commons werden stattdessen unglaublich viele Geschichten erzählt und daraus entsteht ein facettenreiches Gesamtbild. Aus Millionen Geschichten entsteht die Erzählung der Commons. Menschen und Kreative aus aller Welt sind zur Beteiligung aufgefordert.
„All parts of the project will be open for ‚iteration‘ and ‚branching‘. Although there will be a first ‚remix‘, participants will be able to undertake their own autonomous remix of the initial corpus at any point in the creative process.„
Der Initiator Alain Ambrosi ist seit Monaten auf internationalen Commonskonferenzen präsent, schaltet sein Mikro ein und fragt: „Wie definierst Du die Commons – in einem Satz und in Deiner Sprache?“! Pat Mooney antwortete darauf gestern in Dakar: „Die Commons sind eine Haltung.“
Ambrosi und sein Filmteam haben alle Hände voll zu tun, denn die Commons stehen inzwischen auf vielen Agenden. Jüngstes Beispiel ist das 2. Weltforum für Wissenschaft und Demokratie, an dem etwa 90 Organisationen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilgenommen haben. Das Forum fand im Vorfeld des Weltsozialforums in Dakar statt. Dank Hervé Le Crosnier (der nicht nur brilliant über die Commons redet und von der internationalen Commonsbewegung spricht, als sei sie riesengroß und quicklebendig, sondern auch ein hervorragender Stratege ist), haben die Commons auf diesem Forum einen zentralen Platz eingenommen.
In meinem Beitrag habe ich mir ein paar Gedanken zum Begriff, zur Zentralität der „communities“ und zu strategischen Fragen gemacht. Wir müssen dringend darüber nachdenken, wo die Unterstützung für die ‚Commons als Haltung‘ (und nicht nur für einzelne Projekte und Initiativen) herkommen kann.
- Zu allererst brauchen wir eine strategische Verbindung zwischen der Bewegung für Freien Zugang zu Wissen (aka a2k) und den „klassischen Commons“. Das klingt für mich wie ein alter Hut, stand auch schon vielfach auf der Agenda, ist aber noch keine Realität. Ich finde es in diesem Zusammenhang etwas unglücklich, dass sich die Leute, die sich für Freies Wissen einsetzen, mit diesem „open access“-Begriff gelabelt haben (vgl Access to Knowledge.) Denn aus meiner Sicht ist die Perspektive des „Zugangs“ (à la Jeremy Rifkin) verkürzt. Schließlich geht es nicht nur um die Frage, OB es Zugang gibt, sondern auch darum, WER ihn gewährt und garantiert. Wo der Unterschied liegt zwischen Open Access und den Commons, wird schnell am Beispiel Google deutlich: Google gewährt freien Zugang (das ist schonmal besser, als wenn wir den nicht hätten.) Aber Google tut das nicht, um die Commons zu erhalten, sondern Google zentralisiert auch die Kontrolle. Der Slogen ‚Bücher für alle, Profit nur für einen‚, bringt es etwas polemisch auf den Punkt. Freier Zugang indes ist eine Regel, eine soziale Konvention für den Umgang mit nicht rivalen Gemeinressourcen, eine Voraussetzung dafür, sie als Commons zu erhalten. Aber Freier Zugang allein macht noch kein Commons. Mal abgesehen davon, dass dieses Label bei Commoners, die den Zugang zu den Ressourcen gerade begrenzen müssen – Wasser, Land, Wald-, Missverständnisse am laufenden Meter produziert. Und im Übrigen, ich zitiere einen jungen Brasilianer,:
„ist es schrecklich, wenn die Leute keinen Zugang zu Wissen haben, aber es ist noch schrecklicher, wenn Leute als Produzenten von Wissen gar nicht anerkannt werden“
- Bei diesem Bündnis geht es auch um die Frage, wie Digitale Commons dazu beitragen können, das Problem der endlichen natürlichen Ressourcen in den Griff zu kriegen, statt es zu vergrößern. Darauf haben die digital commoners bisher nur unbefriedigende Antworten (und mitunter sogar ein unzureichendes Problembewußtsein.) Während zugleich Microsoft und Co sich vergrünen und daraus ein Verkaufsargument mehr machen.
- Wir brauchen zudem ein starkes Bündnis zwischen Sozialen Bewegungen/ Projekten und interdisziplinären Wissenschaften. Genau deswegen gab es das Forum. Hinderlich dabei ist, dass noch immer eine Spaltung zwischen den Wissenschaftler_innen existiert, die sich mit der Wissensallmende auseinandersetzen (von denen einige in Dakar versammelt waren) und jenen, die sich eher mit der traditionellen Allmende befassen, und die sich kürzlich zu Hunderten in Hyderabad trafen. Jeder in der Ecke, in der er sich wohlfühlt – statt gemeinsam!
- Und wir brauchen Bündnispartner in der Politik – lokal und global. Zentral ist hier die kommunale Ebene, aber die ist eher ohnmächtig als mächtig. Woher aber kann auf globaler Ebene Rückenwind kommen? … Ich habe da noch nicht wirklich eine gute Idee, obwohl ich alle UN-Lobbyversuche vorbehaltlos unterstütze.
Der 2-stündigen Vortragsveranstaltung, mit einem Fünferteam aus Benin, Mali, Brasilien, Frankreich und Deutschland, folgte ein 2-stündiger Workshop, den wir um 45 Minuten überzogen. Ich war überrascht über das große Interesse und auch darüber, dass es eine ganze Reihe von Leuten gab, die von der Commonsbewegung mit derselben Selbstverständlichkeit sprechen wie Hervé Le Crosnier.
Adame Dembelé, der über die Freie Softwarebewegung im Mali referiert hatte, war von den Dimensionen der Diskussion sichtlich beeindruckt. Er stand am Ende auf und sagte:
„Gibt es eigentlich eine Commonsbewegung in Afrika? Wenn nicht, dann lasst uns eine gründen. Lasst uns ein paar Leute zusammenholen die sich kümmern.“
Es ist gut, hier zu sein … vielleicht finde ich hier auch noch eine Antwort auf die Bündnisfrage.
Schick uns mal ein Foto von Dir in Dakar!
äh, ich mit meiner analogen Kamera 🙂 Ich werde sie aber behalten, weil es immer alle sehr freut, wenn sie das Ding sehen.