Riecht nach Land und löst Probleme in der Stadt

Geert De Pauw betritt die Bühne des großen  KBC Auditoriums in der belgischen Hauptstadt:

„Wir haben soeben etwas über Gemeingüter gehört. Ich erklär‘ Euch jetzt mal, wie wir das in und um Brüssel anwenden, um unsere Wohnungsprobleme zu lösen“.

Das Eis brennt schon zum 4. Mal. Die KBC Bank (sic!) hat ihre Türen für den „Un-Economic Summit“ geöffnet, so der Untertitel des Burning Ice Festivals.  „Un-Economic“ deutet an, dass in unserem Wirtschaftssystem etwas gründlich anders werden muss, denn dieses Wirtschaftssystem hat in Brüssel unter anderem dafür gesorgt dass,

  • die Immobilienpreise sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt haben
  • eine Antwort aus den etablierten politischen Strukturen ausblieb
  • die Nachfrage nach Sozialwohnungen stieg und weiter steigt
  • die einzige Alternative ist, auf immer engerem Raum zusammenzurücken oder Brüssel zu verlassen

Um all dem etwas entgegen zu setzen, stellt de Pauw die Idee des Community Land Trust vor. Der Link führt zu einem Text in niederländischer Sprache, deshalb hier eine kurze Zusammenfassung, die ich andernorts versprochen hatte.

Community Land Trust: Der Name riecht nach Land, dabeit geht es um ein Modell für die Lösung der Wohnungsprobleme in unseren Städten. De Pauw berichtet vom Projekt L’Espoir. Und das ist nur ein Beispiel . L’Espoir, das sind 14 Wohneinheiten, 14 Mal Hoffnung auf einem Fleck von und für Migranten-Familien mit geringen Einkommen. (Charta von L’Espoir in frz.) Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der Kommune Bonnevie, CIRÉ (einer Koordination von Initiativen für Flüchtlinge und Ausländer) und dem Fonds du Logement, doch vor allem die künftigen Nutznießer waren von Anfang an Teil des Planungsprozesses und sie haben weitgehend selbst und ambitioniert gebaut. Ein schickes Passivhaus.

Mit 25% der Gesamtkosten hat sich der Staat beteiligt. Diese 25% kommen den Nutzern vollständig zu Gute. Allerdings gibt es eine Bedingung:

Wenn ein Eigentümer an den Meistbietenden verkauft, dann verliert er die 25% wieder. (So habe ich De Pauws Vortrag verstanden.) Die staatliche Förderung ist also mit einem Anreiz verknüpft, nicht zu verkaufen. Dh. die Familien werden direkt unterstützt, aber nur einmal und nur in Verbindung mit der tatsächlichen Nutzung der Wohnung. Die Initiatoren versprechen sich davon eine direkte Förderung der langfristigen ökonomischen Unabhängigkeit sozial benachteiligter Familien. Die Wohnungen bzw. Häuser werden also nicht grundsätzlich dem Spekulationskreislauf entzogen, aber es wird ein Anreiz gesetzt, damit das de facto geschieht.

Die Idee der Community Land Trusts geht zurück auf den in utopischer Tradition stehenden Ökonomen Henry George, der die Einheitssteuer auf Land befürwortete. Ich zitiere aus dem Wikipedia-Eintrag:

„Nach einer Reise nach New York City stellte George fest, dass, obwohl New York wirtschaftlich deutlich entwickelter als Kalifornien war, sich die Armen in New York in einer noch wesentlich schlimmeren Situation befanden.“

Da hat sich seit Jahrhunderten offenbar nicht viel verändert. Die Land Trusts sind zudem von Ebenezer Howard inspiriert, dem britischen Erfinder der Gartenstadt. Das Konzept ist gar nicht so grün wie es klingt(angesichts des heutzutage enormen Zersiedelungs- und Versigelungsproblems, lesen sich die Ideen Ebenezers geradezu anachronistisch, doch zu seiner Zeit machten sie Sinn). Und schließlich nahmen die trusts in der new community-Bewegung in den USA Gestalt an, und wurden vom Institute for Community Economics formuliert. Ursprünglich stand diese Bewegung für die sozio-ökonomische Teilhabe schwarzer Landarbeiter, was unter anderem durch Kollektivbesitz an Land zum Leben und Wohnen erreicht werden sollte. Später weiteten sich die Aktivitäten der Bewegung auf Wohnungsprobleme aller Art aus; neue Governance-Modelle entstanden und inspirierten schließlich die Community Land Trusts, die mit der Subprime-Krise einen enormen Aufschwung nahmen. Ein Beispiel ist der Champlain Housing Trust, im Bundesstaat Vermont. In den USA gibt es inzwischen auch eine Nationale Plattform für Community Land Trusts, die FAQs sind ganz aufschlussreich.

Wie funktioniert nun dieser Community Land Trust (CTL) im belgischen Beispiel?

  • das Land ist und bleibt Gemeinbesitz, doch die Häuser/Wohnungen nicht. (Der ‚Normalfall‘ ist, dass das Bauwerk als „wesentlicher Bestandteil“ des Grundstücks zum selbigen gehört, siehe BGB § 94.)
  • Es gibt also eine duale Eigentumsstruktur: Der Trust besitzt das Land, die Bewohner_innen die Häuser. (Das ist übrigens wie in Kuba und gehört zu den Regelungen, die ich richtig sinnvoll finde. Der Nachteil: Die sogenannte permuta, also das theoretisch geldlose kubanische Tauschsystem für Wohnungen funktioniert nicht. Gar nicht. Das liegt aber eher am insgesamt katastrophalen Wohnbaubestand und der unsäglichen Bürokratie im Lande als an der Idee.)
  • die Wohnungen müssen „auf ewig erschwinglich“ sein (auch im nordamerikanischen Trust-Modell gilt eine Wiederverkaufsklausel, die besagt, dass – wenn das Haus oder die Wohnung verkauft wird, wieder eine Familie niedrigen Einkommens begünstigt werden muss. D.h. die Mitglieder stimmen der Regel zu, dass die gleichen Vergünstigungen, die sie selbst erhalten haben, auch an andere weitergegeben werden. Vgl. hier.)
  • die Verwaltung liegt in den Händen der communities – dh. die Mitglieder entscheiden über alle den trust betreffende Dinge
  • es gibt einen drei-geteilten Vorstand im CTL. Ich habe verstanden, dass damit die unterstützenden Institutionen, die Kommune und die NutzerInnen gemeint sind,  bin aber nicht sicher. Die soll „gewährleisten, dass alle gehört werden, aber niemand den Prozess dominiert“ (de Pauw).

Die Bewohner der 14 Wohnungen in Bonneville (siehe Foto) haben im Prinzip die gleichen Nutzungsrechte wie richtige Eigentümer. Sie erhalten langfristige Miet-, oder Pachtverträge – ähnlich dem deutschen Erbbaurecht, welches umgangsprachlich auch Erbpacht genannt wird. Das ist aber nicht ganz korrekt, denn die tatsächliche Erbpacht ist seit 1947 in Deutschland gesetzlich verboten. Das Erbbaurecht hingegen ist recht lebendig. Man müsse sich

das Erbbaurecht als ein Grundstück vorstellen, das über dem eigentlichen Grundstück schwebt. Auf diesem fiktiven Grundstück steht das Gebäude des Eigentümers des Erbbaurechts“, sagt der Notar Thomas Wachter.

Das Erbbaurecht wird also selbst wie ein Grundstück behandelt, daher ist es ein ‚grundstücksgleiches Recht‘. Der zentrale Punkt ist, dass der Erbbauberechtigte gegen eine regelmäßig zu zahlende Summe auf dem Grundstück eines Anderen bauen und ein Bauwerk erhalten daraf und dass das Eigentum an Grundstück und das Eigentum am Bauwerk quasi auseinanderfallen. Diese Summe, der sogenannte Erbbauzins kommt natürlich im Projekt l’Espoir dem trust, also der Nutzergemeinschaft selbst zu Gute. Es wird eben nicht privatisiert. Das ist ein wichiger Schalthebel. Opstalrecht heißt das Ganze auf niederländisch. (für gegenfalls notwendige Korrektur durch Experten des internationalen Rechtsvergleichs bin ich dankbar. )

Zumindest unser belgisches Beispiel weist noch einen weiteren wichtigen Unterschied zum klassischen Privateigentum auf: Vermietung oder Weiterverpachtung sind verboten. Die Nutznießer des Projekts müssen Mitglieder des CTL, also des Community Land Trust, werden und sie müssen das Mietrecht selbst in Anspruch nehmen. (Beim deutschen Erbbaurecht ist Vermietung durchaus möglich – aber es kommt ja ohnehin immer darauf an, was man in die Verträge schreiben will, dh. wie man ein Rechtsinstrument dann tatsächlich nutzt.)

In dieser kleinen, sehr übersichtlichen Broschüre erläutert die Stiftung Trias, eine Gemeinnützige Stiftung für Boden, Ökologie und Wohnen, wie das Erbbaurecht als Gestaltungsprinzip für Wohnprojekte eingesetzt werden kann:

‚Die Gestaltungsmöglichkeiten aus dem Erbbaurecht werden nicht zuletzt aus der Historie verständlich. Die 1919 geschaffene „Verordnung über das Erbbaurecht“ (ErbbVO) zielte auf die „Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere für die sozial schwächeren Schichten und gleichzeitig die Schaffung eines Instruments zur Bekämpfung der Bodenspekulation’“. (von Oefele/Winkler „Handbuch des Erbbaurechts“, 1987)  Die rechtspolitische Zielsetzung wird dadurch verdeutlicht, dass am gleichen Tage eine „Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot“ erlassen wurde.“

Deshalb, so der Autor des Papiers Rolf Novy-Huy, eigne sich dieses Rechtsinstrument auch wesentlich besser als etwa das „Wohnungseigentum(sgesetz), welches sich am Eigentums-Schutzgedanken des BGB orientiert„, zur Sicherung des sozialen Miteinanders, der Spekulationsverhinderung oder des ökologischen Bauens.

Was heißt das nun eigentlich für Kommunalpolitik? Es sind ja vielfach Grundstücke der Kommunen (oder von Stiftungen und kirchlichen Institutionen), die für das Erbbaurecht in Frage kommen. Ergo können auch die Kommunen dafür sorgen können, dass die Frage der „Rentabilität von Grundstücken“ in den Hintergrund tritt. So hat die belgische Kommune aus unserem Beispiel die Grundstücke nur zu einem Teil des Marktpreises verkauft. Der Grundstückseigentümer bei Erbbaurechtsbestellungen (also etwa die Kommune) kann regelmäßig Vergünstigungen vorsehen, zum Beispiel indem der zur Berechnung dienende Bodenwert unter dem tatsächlichen Verkehrswert festgelegt oder indem der Erbbauzins mit zunehmender Kinderzahl gesenkt wird. Man sollte vergünstigte Erbbaurechtsbestellungen in den Kommunen gezielt dafür  einsetzen, der Gentrifizierung und Supergentrifizierung vorzubeugen. Gentrifizierung, das ist nach dem Soziologen Andrej Holm eine

explizit […] durch immobilienwirtschaftliche und politische Aufwertungsprogramme bewirkte Verdrängung ärmerer Haushalte aus den Stadtvierteln“ (Holm, A.: Stadtumbau und Gentrifizierung Ein ökosoziales Paradoxon in: Post-Oil City Die Stadt von morgen. Politische Ökologie. März 2011, S.

Ich nenne das schlicht „die schleichende Einhegung der Allmende“, die „enclosure of the commons“ in unseren Städten. Das Gegenprogramm zur Gentrifizierung wäre also „commoning“. Und der Einstieg dahin vielleicht die Community Land Trusts.

Abends sitzen wir beim Wein, im kleinen aber offenbar schwer beliebten Restaurant des Kaai-Theaters. Ich rede mit einem Belgier über „L’Espoir“. Er sagt:

„Die Viertel von denen die Rede war, gelten gemeinhin als Problemviertel, in denen nichts mehr geht.“

Offenbar hat Geert de Pauw seinen Vortrag zu Recht mit den Worten beendet:

Gute Nachrichten für die Nutzer, die Gemeinschaften und für die Behörden.“

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Foto von der Eröffnungsfeier von L’espoir am 17. September 2010 by ? [via]

Weitere Links zum Thema:

Die Investments werden für den eigenen Bestand getätigt mit der Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt großvolumige Grundstücksportfolien mit granularem Zahlungsstrom als Investitionsprodukt an Endinvestoren, wie zum Beispiel Pensionsfonds, Stiftungen oder kirchliche Institutionen zu veräussern.“ Dann kommt es also darauf an, was diese Pensionsfonds, Stiftungen oder kirchlichen Institutionen mit den Grundstücken machen.

 

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