Militärs über Commons

Die NATO hält Strategieseminare über die Commons ab. Ihr Tenor: „Command the Commons„. Ihre Fragestellung: Wie kann man „die Interessen des Bündnisses“ an den  globalen Gemeingütern sichern?

Der Österreichische Verteidigungsminister hält eine Rede auf dem Europäischen Forum in Alpbach (Tirol) und macht sich über die gerechte Nutzung und sicherheitspolitischen Implikationen der Global Commons“ Gedanken. Das sei, so erfährt man dort,  Teil der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie.

Die Militärs hatten schon immer eine gute Nase für die entscheidenden Konfliktlinien der Zukunft. So schwierig ist das ja auch nicht, schließlich hat

„Der Zugang zu solchen globalen Gemeingütern – denken wir an Bodenschätze wie Erdöl – […] immer wieder auch zu Konflikten oder sogar Kriegen geführt. Umgekehrt gedacht, […]: der gerechte Zugang zu globalen Gemeingütern ist als wichtige Grundlage für Frieden und Stabilität anzusehen.“

Ergo geht es bei den global commons

„um eine nachhaltige und langfristige Verbesserung der globalen Sicherheitslage“.

wie Minister Norbert Darabos sagt. Darabos ist also der oberste österreichische Heereschef …zugleich SPÖler und Wehrdienstverweigerer. Von den „richtigen“ Militärs wird er für seine Politik teilweise heftig kritisiert. Darabos definiert seinen Gegenstand (ganz treffend) so:

„Aus meiner Sicht kann man zwei Arten von globalen Gemeingütern unterscheiden:
1. Internationale Gemeingüter, die vom Menschen geschaffen sind – beispielsweise
das Internet, die Vereinbarungen zum Seerecht oder zum Flugverkehr.
Gemeingüter also, die den Umgang mit Bereichen regeln, die allen zugänglich
sind. Sie basieren auf menschlichen Innovationen und Regeln zwischen Staaten,
die die Güter erst herstellen oder erst nutzbar machen.
2. Andere internationale Gemeingüter, die wir nicht herstellen oder auch ersetzen
können sondern die wir „nur“ gebrauchen – Bodenschätze, Ressourcen, die
Atmosphäre, die Ozeane. Diese ökologischen Lebensgrundlagen sind
überwiegend frei und für alle verfügbar.

In Sachen Sicherung des “ gerechten und freien Zugangs“ müssten zwei Dinge „vielleicht noch deutlicher als bisher unterstrichen werden:

  • Erstens: kein Staat oder keine Staatenallianz darf diese Güter für sich alleine in Anspruch nehmen und
  • Zweitens: kein Staat ist im Alleingang in der Lage, Zugang zu und Verfügbarkeit über global commons zu gewährleisten.

Schwerpunkt der Rede liegt auf dem freien Zugang (darin besteht schließlich die Gewährleistungspflicht des Staates) denn nur dieser biete Ernährungssicherheit und damit wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Man hat es hier offenbar mit einem unorthodoxen Heereschef zu tun.

„Das Zauberwort ist also Prävention. Es geht darum, ein Haus so feuersicher zu
bauen, dass ein Brand erst gar nicht entstehen kann und ich dadurch auch keine
Feuerwehr einsetzen muss.“

Die Instrumente? Mehr Staat in den „fragilen Regionen“, Krisenmanagement und Konfliktprävention, Kooperation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Strukturen sowie zwischen zivilen und militärischen (Stichwort: zivil-militärische Module), Postkonfliktstabilisierung, Mediation, Multilateralismus, internationale Rechtsgrundsätze…

Das Ziel sei:

„die Erreichung von umfassender menschlicher Sicherheit im Rahmen tragfähiger lokaler Strukturen und Institutionen. […] Der einzelne Mensch und seine Sicherheitsbedürfnisse stehen im Vordergrund. Zu den erweiterten Sicherheitsbedürfnissen der Menschen gehört auch der faire und offene Zugang zu Allgemeingütern, zu global commons.“ (Herv. S.H.)

Norbert Darabos. Ein commoner?
Freilich folgt die Ernüchterung auf dem Fuss. Schließlich ist auch Österreich Teil Europas und somit sind auch die Einsatzgebiete der österreichischen Armee ganz typisch für die sicherheitspolitischen Interessen Europas im engeren Sinne: Naher Osten, Balkan, Libanon… egal wo gerade Landgrabbing stattfindet, die Ernährungssicherheit oder „umfassende menschliche Sicherheit“ gefährdet wird. (Was jetzt nicht heißt, dass wir Soldaten in die ganze Welt schicken sollen, um sich in den Kämpfen um Wasser und Land auf die Seite der lokalen Nutzer zu schlagen.)

Und dann fragt er:

„Wie weit geht die Verantwortung der Staatengemeinschaft für global commons, wie etwa dem Regenwald, wenn kein Konsens mit lokalen Akteuren und spezifischen Interessensgruppen erzielbar ist? Welche legitime Form der Einflussnahme von Außen rechtfertigt diese letztlich? Und das natürlich nicht im Sinne von nationalen oder überwiegend ökonomischen Interessen – sondern im Sinne von Überlebensfragen für die Menschen vor Ort und Aspekten des Weltklimas, von dem wir alle abhängig sind.“

Ich stelle mir vor, wie sich die österreichischen Militärs mit den gut organisierten Indigenas der Amazonasregion zusammensetzen (hier nur ein aktuelles Beispiel aus Bolivien) und zunächst einmal den Unterschied zwischen den Interessen der lokalen Nutzer und den „ökonomischen Interessensgruppen“ lernen.

Aber dennoch ist es mir natürlich lieber, ein europäischer Verteidigungsminister stellt solche Fragen als eine NATO, die die Commons kommandiert.

Vermutlich wird so eine Rede Sonntagsrede genannt. Sonntagsrede eines unorthodoxen Verteidigungsministers aus dem (militärisch) neutralen Österreich. Ob er sie auch so gehalten hätte, wenn Österreich Teil der NATO wäre, bezweifle ich und ich zweifle auch daran, dass unsere Armeen hauptsächlich damit beschäftigt sind, den „freien Zugang“ zu den Commons im Sinne der Ernährungssicherheit zu verteidigen.

Foto: on Wikipedia by Manfred Werner, CC BY SA

5 Gedanken zu „Militärs über Commons

  1. Ihre Meinung zu der Sache verstehe ich noch nicht ganz:
    „… ich zweifle auch daran, dass unsere Armeen hauptsächlich damit beschäftigt sind, den „freien Zugang“ zu den Commons im Sinne der Ernährungssicherheit zu verteidigen.“
    Wäre das dann ein Grund für Krieg in einem anderem Land ?

    Krieg, um den Regenwald zu schützen ?

    „Unorthodox“ finde ich das gar nicht, eher typisch kriegstreiblerisch, wie es sich für den österreichischen Kriegsminister gehört.
    Er sagt ja sogar, dass kein Staat oder keine Staatengemeinschaft ein Monopol auf „Commons“ haben sollte, wozu er auch Öl zählt.
    Also sind die derzeitigen Ölkriege völlig berechtigt im Sinne der Commons?
    Der deutsche Bundespräsident hat Ärger bekommen, als er Kriege für freie Handelswege befürwortete und trat zurück. Entsprach seine Aussage Ihrer Meinung?

    Wenn man mit Commons wirtschaften und leben will, dann sollte man sie schon selber haben, und nicht meinen, Andere sollten sie Einem geben.
    Umgekehrt muss man leider davon ausgehen, dass eine unabhängige Wirtschaft Begehrlichkeiten von Staaten weckt. Die werden wieder einen moralischen Grund finden, gegen so ein Land einzuschreiten.
    Also müssten Commons auch wieder militärisch und gegen Unterwanderung geschützt werden.

    Für mich stellen sich anhand der aggresiven Aussagen des Ministers folgende Fragen:
    Wie wehrhaft und fest muss ein Staat sein, in dem unabhängige, commons-basierte Wirtschaft im großen Maßstab betrieben wird? Wären wir da wieder am Ende der Freiheit durch Commons angekommen?

  2. @ Karl: Da geht es mir wie Ihnen. Ihren Kommentar begreife ich auch nicht ganz 🙂
    Wenn ich schreibe, das sich daran zweifle, dass sich unsere Armeen für die Ernährungssicherheit einsetzen, dann meine ich damit, dass sie sich dafür einsetzen Scherbenhaufen wegzukehren, Rohstoffzugang zu sichern (so wie Köhler das sagte), eben Interessen zu sichern, die mit den Ernährungsinteressen der Menschen in den Einsatzländern herzlich wenig zu tun haben.

    Wie kommen Sie auf die Idee ich fände Krieg für den Klimaschutz in Ordnung? Na egal.

    Ich habe keinen Commonsbegriff, der Commons mit Ressourcen gleichsetzt. Bei Commons geht es immer um gemeinschaftliche, selbstbestimmte Verfügung über i.d.R. lokal verfügbare Ressourcen, um drei Dinge zu vermeiden: Übernutzung, Unternutzung und Exklusion.
    Und da hat Militär absolut nichts zu suchen. Höchstens Mediatorin und im Notfall Gerichte.

    Aber: Darabos als Kriegstreiber zu bezeichnen scheint mir nun auch ein bisschen über’s Ziel hinaus geschossen.

  3. P.S.: Für aggressiv halte ich vor allem die Definition der globalen Gemeingüter.
    Wenn es Gemeingüter sind, hat man ja wohl auch ein moralisches Recht darauf.
    Unser Frieden ist aber darauf ausgerichtet, dass es Länder gibt, und dass alles was die Menschen in den Ländern und mit ihrem Land machen, ihnen überlassen bleibt. Inwiefern das gerecht ist, ist eine andere Frage.
    Wenn Deutschland ein Gemeingut wäre, dürfte es keine Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen geben, dürfte es noch nicht mal eine Staatsangehörigkeit geben, nur einen Wohnort. Reichtum und und Rechte wären vielleicht durch Gruppenzugehörigkeit (Gruppe „deutsch“, Gruppe „Zugereister“) definiert, wie heute schon das Erbrecht.

  4. Pingback: Gemeingüter » Österreichs Verteidigungsminister über die Global Commons

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