Zimtsterne und Anisbrot: Überlieferte Rezepte als Wissensallmende

Überliefertes Wissen, wie die hier veröffentlichten Rezepte, ist  gelegentlich überaus schmackhaft. Wissen, ist eine Sache, die nach Allmende-Prinzipien erhalten und genutzt werden kann. Wie beliebt die Nutzung ist, sieht man am Beispiel eines überlieferten Rezepts für Christstollen, das in der Vorweihnachtszeit jeden Tag Hunderte von Besuchern anlockt. Nun interessiert mich aber auch die Frage, ob kooperative Beiträge tatsächlich auch zum Erhalt und zur Nutzbarmachung solcher Ressourcen beitragen können. Oder wird nur kostenlos konsumiert, solange es keine eigene Anstrengung und keinen Beitrag erfordert? Ich bin gespannt. Wie sagte schon Richard Stallman? Frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier.

Hier die Ressource: In einem alten handgeschriebenen Kochbuch, das von Maria Ensinger im Jahre 1870 verfasst wurde (das war 10 Jahre vor der Erfindung des elektrischen Lichts), habe ich folgende drei Rezepte für Weihnachtsplätzchen gefunden: Zimtsterne, S und Anisbrot.

Und hier der erforderliche Beitrag, um sie nutzbar zu machen: Leider kann ich die Schrift von Maria nicht vollständig entziffern und hoffe nun, dass wir dies  gemeinsam hinbekommen.

Ich bin für jedes gefundene Wort dankbar. Auch was ich bisher entziffert zu haben glaube, muss nicht richtig sein.

***

Zimt-Stern

  • 8 Eiweiss werden zu Schnee geschlagen und mit 5/8 kp Zucker gerührt, etwas Zitronensaft, 2 Esslöffel gestossenen Zimt dazu genommen.
    6 Löffel von der Masse wird hinweggetan, hernach kommt 1/2 kp feingewiegte Mandel hinein, etwas abgeriebenen Zitrone, dann werden sie ausgestochen.

Hier die ersten fertig rekonstruierten Rezepte (vielen Dank für die Hilfe):

Zu meiner völligen Verwirrung habe ich im Kochbuch von 1870 noch ein zweites Rezept für "Falsche Zimtsterne" gefunden - oder was bedeutet das?Versuchen wir also eine zeitgenössische Interpretation dieses Rezepts:

Zimt-Stern (nach einem Rezept von Maria Ensinger, 1870)

  • 8 Eiweiß werden zu Schaum geschlagen und mit 5/4 Pfund Zucker verrührt.
  • Etwas Zitronensaft und 2 zerstossene Zimtstangen hinzugeben.
  • 6 Löffel dieser Masse werden weggestellt.
  • Unter den Rest werden 1 Pfund fein gewiegte Mandeln und die abgeriebene Zitronenschale gehoben.
  • Dieser Teig wird ausgerollt und die Sterne daraus gestochen.
  • Diese werden auf das gebutterte Backblech gelegt und mit der weggestellten Eischneemasse bestrichen.
  • Backen (z.B. 20 Minuten bei 150°C – 1870 gab es eine solche Angabe natürlich noch nicht).

***

S (nach einem Rezept von Maria Ensinger, 1870)

  • 1 Pfund Mehl, 1/2 Pfund Zucker, 1/2 Pfund Butter, 7 Eigelb, 1/2 abgeriebene Zitronen werden zusammen gemengt und dann geformt. Dann werden die S in Eiweiß getaucht und mit grob zerstoßenem Zucker bestreut.

***

Anis-Brod

  • 1 Pfund Zucker wird mit 12 ganzen Eiern …

***

Weil es so schön ist, habe ich noch weiter in meinem Bücherregal gestöbert und dort noch ein weiteres Kochbuch gefunden – dieses Mal aus dem Jahre 1850. Die Autorin hieß ebenfalls Maria und könnte die Mutter der anderen Maria gewesen sein.

Auch in diesem Buch findet sich ein Rezept für Zimtsterne und direkt darunter eines für Vanille-Kipferli.

Also, liebe Commoners: Macht Euch an die Arbeit. Wenn wir uns ein bissschen beeilen, dann steht einem traditionellen Weihnachtsgebäck ohne Zusatzstoffe und jenseits vom Markt dieses Jahr nichts mehr im Wege.

Ich suche mal weiter, ob ich noch etwas Weihnachtliches finde … .

***

Zimt-Stern (nach einem Rezept von Maria aus dem Jahr 1850)

  • 1 Pfund Mandel wird fein gewiegt, 8 Eiweiß zu einem steifen Schnee geschlagen, rührt es mit 1 Pfund Zucker 1 Stunde. 2 Lth gestoßnen Zimt, nimmt 6 Eßlöffel voll heraus, von der Maße thut von 1 Citrone den Saft hinein, hernach die Mandel u. sticht es aus.

    Übersetzung: 8 Eiweiss steif schlagen, mit 1 Pfund Zucker 1 Std. von Hand rühren (oder so lange, bis der Zucker aufgelöst ist und sich eine steife, homogene, glänzende Meringue-Masse gebildet hat), 32g gemahlenen Zimt rein (1 Lot=16g), 6 Esslöffel der Meringue-Masse aufbewahren (für die Glasur), den Rest der Masse mit dem Saft 1 Zitrone und 1 Pfund feingemahlenen Mandeln vermischen. (Ich lasse den Teig über Nacht ruhen), dann ausrollen, ausstechen, glasieren (über Nacht trocknen lassen), backen.

***

Vanille-Kipferl (nach einem Rezept von Maria aus dem Jahr 1850)

  • 3 ganze und 2 Eigelb 1/2 Pfund Zucker rührt man 1 (ich vermute eine Maßeinheit mit S am Anfang und de am Ende) Vanill-Zucker und 1/2 Pfund Mehl damit vermengt, auf bestrichenes Blech Häuflein gesezt, wenn der Teig zu wenig ist nimmt man noch mehr Mehl.

Johanna hat die Masseinheit entziffert – 🙂 – eine Stunde! Eine Stunde lang mit dem Schneebesen Eischnee schlagen? Herrje, das klingt anstrengend.

  • 3 ganze u. 2 Eigelb rührt man 1 Stunde
  • Vanill Zucker u. ½ Pfund Mehl damit vermengt, auf bestrichenes Blech Häuflein gesetzt,
  • wenn der Teig zu weich ist nimmt man noch mehr Mehl.

***

40 Gedanken zu „Zimtsterne und Anisbrot: Überlieferte Rezepte als Wissensallmende

  1. Pingback: Rezept für einen Stollen, den Oma Leni noch „Dresdner Christstollen“ nennen durfte « CommonsBlog

  2. Hallo zusammen, hier die annähernde Übersetzung „Zimtsterne“:

    8 Eiweiß werden zu Schaum geschlagen, 5/4 Pf. Zucker gerühert (bestimmt Puderzucker) und 2 Stangen gestoßener Zimt dazugenommen, 6 Löffel von der Masse wird hinwegget(h)an, hinzu kommt 1 Pf. gemahlene Mandeln hinein und abgeriebene Zitrone(n), danach werden ……. ausgestochen (ich hoffe mal Sterne!)
    Vielleicht kann es noch jemand besser übersetzen.

    Beste Grüße von Lucie


  3. Googel ist für alles da … hätte ich ja gleich darauf kommen können!! Hier der Link zu einem Altdeutschen Alphabet,
    da könnt Ihr den Rest noch übersetzen…..
    Lucie

  4. Hallo Jacob – vielleicht findest Du ja noch ein Stollenrezept …da könnten wir vergleichen, ob er mit Oma Lenis
    Stollen mithalten kann.

    • Ich habe schon geschaut, finde aber leider bisher nichts. Die Bücher sind sehr brüchig und ich muss vorsichtig blättern. Was ich aber gefunden habe, das sind ein paar schöne Ideen für Weihnachtsgeschenke – zum Beispiel ein Rezept für Quittenlikör. Vielleicht poste ich das auch noch. Ich schaue erst mal weiter.

  5. Was für „Schätze“ …. so alte Bücher/Aufzeichnungen haben wir leider nicht. Unsere älteste Handaufzeichnung über
    Rezepte stammte aus den 1950er Jahren. Dieses Buch besitzen wir aber nicht mehr – es wurde meiner Tante vor
    vielen Jahren „rückübereignet“ und die Tante lebt nun nicht mehr ….. Buch weg ….

    • Da hast Du Recht. Wenn ich bedenke, dass die Plätzchen-, Spanferkel- und Kirschauflaufrezepte schon über 160 Jahre alt sind … und die Autorinnen dieser Kochbücher haben das ja nicht erfunden! Sie haben die Ideen auch schon von ihren Müttern und Großmüttern geerbt … man guckt richtig zurück durch die Zeit. Wobei heute nicht alles mehr zu gebrauchen ist, denn manche Rezepte mit Mehlsoßen und stundenlang gekocktem Fleisch schmecken uns heute einfach nicht mehr. Aber gerade bei den Backrezepten ist das interessant. Man wird schon als Kind auf seine Lieblingsgeschmäcker geprägt und mag ein Leben lang nichts daran ändern. Oder?

  6. Ja, das Essen der Kindheit wird wohl immer das bevorzugteste bleiben (Lieblingsspeisen). Aber ich glaube, man erweitert seinen Lieblingsgeschmack enorm – bei einer Reise nach Mahe habe ich die Lust an kreolischem Essen
    entdeckt …. da gibt es auch eine Menge leckere Sachen, die absolut zu meinen Lieblingsgerichten geworden sind.
    Leider habe ich hierzu kein Rezepte, keine Ahnung, wie die das hingezaubert haben … beim Inder kann man ähnlich gut speisen ….
    Aber Deine Bücher sind sicher eine wahre Fundgrube an Anregungen. Ob damals wohl die Weihnachtsgänse auch so üppig gefüllt wurden,wie heute ? Vielleicht steht ja hierzu was in Deinen alten Büchern …..

  7. 8 Eiweiss werden zu Schnee geschlagen und mit 5/8 kp Zucker gerührt, etwas Zitronensaft, 2 Esslöffel gestossenen Zimt dazu genommen.
    6 Löffel von der Masse wird hinweggetan, hernach kommt 1/2 kp feingewiegte Mandel hinein, etwas abgeriebenen Zitrone, dann werden sie ausgestochen.

    • Lieber Hans,

      herzlichen Dank! Ich werde das gleich ins Rezept einbauen. Kannst Du Dir auch einen Reim darauf machen? Wieso werden 6 Löffel hinweggetan? Ich fürchte, ich brauche noch eine Interpretationshilfe.

      Gruß,
      Jakob

  8. nachdem der Teig ausgerollt und die Sterne ausgestochen wurden,werden anschließend die sechs Eßlöffel Zuckermasse,die zuvor hinweggetan wurden, mit einem Pinsel oder Teelöffel auf die Sterne verstrichen.
    Manche backen die Sterne sofort, bei uns (auch schon die Oma) werden die Sterne über Nacht an einem kühlen Ort getrocknet und am nächsten Tag ganz kurz 3-4 min. in den Ofen geschoben. Tropische Adventsgrüße
    jenny

  9. 1 Pfund Mehl, 1/2 Pfund Zucker, 1/2 Pfund Butter, 7 Eigelb, 1/2 abgeriebene Zitronen werden zusammen gemengt und dann geformt. Dann werden die S in Eiweiß getaucht und mit grob zerstoßenem Zucker bestreut.
    Macht das Sinn?

    Das Spritzgebäckrezept meiner Oma ähnelt diesem sehr (wahrscheinlich aus Sparsamkeitsgründen nahm sie aber 3 ganze Eier), jedoch sind die ersten 3 Zutaten sowie die Zitronenschale identisch.
    Ich hoffe, dies hilft weiter.
    Liebe Grüße Brigitte

    • Hallo Brigitte. Das klingt sehr gut. Ich werde das gleich ins Rezept einbauen. Wie heißen die „S“ denn heutzutage? Gruß, Jakob

  10. Hier nun das Vanille-Kipferl Rezept das aber Vanill-Rüchlein heißt:
    3 ganze und 2 Eigelb 1/2 Pfund Zucker rührt man 1 (ich vermute eine Maßeinheit mit S am Anfang und de am Ende) Vanill-Zucker und 1/2 Pfund Mehl damti vermengt, auf bestrichenes Blech Häuflein gesezt, wenn der Teig zu wenig ist nimmt man noch mehr Mehl.

    Das müsste bis auf die eine Masseinheit denke ich stimmen.

    Hoffe du findest noch weitere Rezepte zum entschlüsseln und ich hoffe die Rezepte am Wochenende mal auszuprobieren.
    Liebe Grüße Felix

  11. Das ältere Rezept:
    Zimt-Stern
    1 Pfund Mandel wird fein gewiegt, 8 Eiweiß zu einem steifen Schnee geschlagen, rührt es mit 1 Pfund Zucker 1 Stunde. 2 Lth gestoßnen Zimt, nimmt 6 Eßlöffel voll heraus, von der Maße thut von 1 Citrone den Saft hinein, hernach die Mandel u. sticht es aus.

    Übersetzung: 8 Eiweiss steif schlagen, mit 1 Pfund Zucker 1 Std. von Hand rühren (oder so lange, bis der Zucker aufgelöst ist und sich eine steife, homogene, glänzende Meringue-Masse gebildet hat), 32g gemahlenen Zimt rein (1 Lot=16g), 6 Esslöffel der Meringue-Masse aufbewahren (für die Glasur), den Rest der Masse mit dem Saft 1 Zitrone und 1 Pfund feingemahlenen Mandeln vermischen. (Ich lasse den Teig über Nacht ruhen), dann ausrollen, ausstechen, glasieren (über Nacht trocknen lassen), backen.

    Vanill-Küchlein (nicht -Rüchlein!)
    3 ganze u. 2 Eigelb rührt man 1 Stunde
    Vanill Zucker u. ½ Pfund Mehl damit vermengt, auf bestrichenes Blech Häuflein gesetzt,
    wenn der Teig zu weich ist nimmt man noch mehr Mehl.

    Ich kann die Schrift recht gut lesen, hab sie als Kind von meinem Vater gelernt und schon das ganze Kochbuch meiner Grosstante entziffert.

    Alles Gute–
    –johanna

    • Liebe Johanna. Das ist ja wunderbar! Vielen Dank. Das Anis-Brod würde mich noch sehr interessieren … und was ist ein falscher Zimtstern? Und Lebkuchenrezepte habe ich auch noch. 🙂 Liebe Grüße, Jakob

  12. Falsche Zimtsterne.
    1 Pfund Zucker wird mit 4 Eigelb und das Weiße zu Schnee gerührt
    2 Loth Zimt 1 Citron Saft dazu etwas Hirschhornsalz
    1 Pfund Brod Mehl
    wenn die Maße schön ist das obige recht unter ein ander gerührt
    Sterne u. Küchlein formiert
    man kan auch ein Eis darauf machen.

    (ich weiss nicht recht, wie man sich die letzte Möglichkeit vorzustellen hat…)
    lg
    –johanna

  13. Im Originalrezept ist unter Zimt-Stern ein Absatztrenner (S) eingefügt. Das heißt, es sind „Zim-Stern“ auf andere Art. Im Text wurde dann die „Zimt-Stern mit „Z“ und nicht mit „S“ abgekürzt. Absatztrenner sind gerne eine große Tilde oder ein liegendes S.
    Falsche xyz bezieht sich in der Regel darauf, daß ein Originalrezept so abgewandelt wurde, daß eine charakteristische Zutat fehlt, es aber immer noch so ähnlich schmeckt, deshalt eben „Falsch“.

    • Lieber Michael. Das ist eine schöne Erklärung, aber ich glaube, das S beschreibt die Form der Plätzchen. Sie heißen einfach „“S“, aufgrund ihrer Form. Aber ganz sicher bin ich mir auch nicht.

  14. Bin erst heute auf diesen Blog gestoßen.

    Ursprünglich schwäbische Zimtsterne haben nur 4 Strahlen – hab nur ein Bild im Netz gefunden:

    Nicht die schönsten Zimtsterne – aber wenigstens in der klassischen Form – richtig schön wäre ein erhabener fast halbrunder Guss..

    Nach meiner Erinnerung ist die 6 zackige Form mit dem flachen Guss auf ein Dr. Oetker Backbuch aus den 1960er Jahren zurückzuführen.

    Im ursprünglichen schwäbischen Rezept wurde der Zimt nicht zum Eischnee gefügt, sondern mit den geriebenen/gemahlenen Mandel vermischt (damit der Guss schneeweiß wird).
    => die 6 Eßloffel Eischnee, die man zur Seite legt, sind für den Guss.

    Zimtsterne sollten über Nacht an einem kühlen Ort trocknen (damit sie beim Backen nicht verlaufen) und dann mehr getrocknet als gebacken werden (max 150°C) und nur solange, bis der Guss gerade so anfängt, gelblich zu werden.

    LG jogi54

  15. Toll das es jemanden gibt der uns diese alten Familienrezepte zur Verfügung gestellt hat , die Zimtsterne habe ich schon nachgebacken , sie wRen super lecker und die Stolle muss noch liegen um zu reifen bin gespannt wie sie mir gelungen ist.
    Vielen Dank für diese Rezepte.
    Petra

    • Liebe Petra. Ich habe schon lange nicht mehr in diese Kommentare geschaut. Ein Fehler, wie ich sehe. Danke für das nette Feedback. Wie hat der Stollen denn nun geschmeckt?

  16. Das sind ja tolle Rezepte. Ich war auf der Suche nach einem Stollen da leider das Rezept vom Opa über einen schlesischen Stollen so aus den 193o iger Jahren verloren gegangen ist. Jetzt probiere ich es mal mit Deinem 🙂

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