Mit Horst Eberhard Richter verlieren auch die Commons einen grossen Denker

Einmal im Leben hatte ich das Vergnügen, den 1923 geborenen Horst Eberhard Richter persönlich zu treffen. Das muss 1994 gewesen sein, im Theater Ticino in Wädenswil am Züricher See, wohin er zu einer Gesprächsrunde mit interessierten Bürgen eingeladen war. Richter saß in dem kleinen Theater in einem kleinen Ort auf der kleinen Theaterbühne und ich war sicher nicht der einzige Zuhörer in den Rängen, der beeindruckt war von seinem scharfen Verstand und seiner Fähigkeit zu kommunizieren. Ich weiss nicht mehr worum es in der Veranstaltung ging, erinnere mich aber an die rege Diskussion. Er war schon damals sehr bekannt, aber es machte ihm sichtlich Spaß, an dieser recht kleinen Gesprächsrunde zu partizipieren. Eines seiner Bücher begleitete mich seitdem durch die Welt:

Der Gotteskomplex. Gerade gestern, ohne von seinem Tod zu ahnen, habe ich wieder in diesem Buch geblättert und nach Zitaten gesucht, die zu den Commons passen. Ich brauchte nicht lange zu suchen.

Mir ging auf, so schrieb er in dem 1979 erschienen Buch, wie auf Schritt und Tritt menschlicher Gemeinschaftssinn dadurch korrumpiert wird, dass er als Pflicht zur „Solidarität“ in einem durch Rivalität bestimmten  System gesellschaftlichen Zusammenlebens ausgebeutet wird. Während in dem Urphänomen der Sympathie eine sympathische, eine mitfühlende und mitleidende Verbundenheit mit allem menschlichen Leben von gleich zu gleich begründet ist, wird uns überall eingeredet, es gebe nur ein Zusammenhalten mit den einen gegen die anderen. … „Solidarität“ wird zum Instrument im Machtkampf.

Unsere imposant erscheinende Zivilisation hielt Richter für eine Art infantilen Grössenwahn und den Versuch in krampfhafter Selbstüberforderung göttliche Allmacht durch die Allmacht des Menschen zu ersetzen.

Das bis heute sehr empfehlenswerte Buch endet mit folgendem Satz:

Auf längere Sicht wird es ein gedeihliches Zusammenleben in der menschlichen Gesellschaft nur geben können, wenn ein neuer Sinn in einer gemeinsamen Teilhabe aller an den Problemen aller anderen gefunden wird und wenn dieses Bewusstsein im kleinen wie im großen zu einem beharrlichen Abbau von selbstzerstörerischen Oben-Unten-Verhältnissen führt.

Der Gotteskomplex von Horst Eberhard Richter erschien 1979 bei Rowohlt.

Hier ein lesenswerter Nachruf in der Zeit.

5 Gedanken zu „Mit Horst Eberhard Richter verlieren auch die Commons einen grossen Denker

  1. Schön!
    Ist das die neue Definition von commoning: „die gemeinsame Teilhabe aller an den Problemen aller anderen“?

    • Erinnert mich gerade an ein Zitat, weiß nicht mehr von wem (könnte ich aber raussuchen): Ein Verbrechen, das einem anderen angetan wird, wird auch mir angetan. Ein freiheitlicher Rechtsstatt ist nur dort verwirklicht, wo dies Realität ist.

  2. Leider muss ich sagen: als wir – die ini berliner bankenskandal –
    herausgefunden hatten, dass auch H.E. Richter sich hatte verführen lassen Fondsanteile der sogenannten „schweinefonds“ der Berliner Bankengesellschaft zu kaufen, weil er sich von den deultich betrügerischen und offensichtlich Berlin ausverkaufenden, Gewinnversprechen auf diese Fonds hatte einnehemn lassen, da hoffte Prof Peter Grottian von unsere INI
    “ der Herr Richter ist ja ein kluger politischer kopf, der wird sicher mitmachen und öffentlich seine Fondsanteile zurück geben“ Leider war Herr Richter so heftig Nicht bereit konsequent wirklich für das soziale gegen die neoliberalen Raubpolitiker aufzutreten, dass ich seither nicht mehr so recht an das Image von ihm glauben konnte. Wichtiger wäre heutzutage darauf hinzuweisen, dass umden Äquator unnötigerweise für Bauxit zur Alluminium-gewinnung ( welches durch rezykling viel ökologischer gewonnen werden kann)Krieg gegen Indigene Bevölkerungen geführt wird und, dass das nicht mehr Demokratie genannt werden kann:

    was machen wir hier dazu ? Gibt es ein intergalgktisches Treffen vor Ort, oder ist das heutzutage nicht mehr denkbar ?

    siehe :
    http://zmag.de/artikel/wanderung-mit-den-genossen-in-den-dschungeln-zentralindiens-mit-der-guerilla
    http://www.outlookindia.com/article.aspx?264738
    http://de.wikipedia.org/wiki/Aluminiumrecycling

    Gruß von Ruth

    • Da es sich um einen Nachruf handelt sei mir die Bemerkung erlaubt, dass Herr Richter, selbst wenn er wollte, zu dem Kommentar keine Stellung mehr beziehen kann.

  3. Trotzdem, es war wohl für fast alle (Berliner) Linken – und damit meine ich alle aus den verschiedensten linken Bewegungen – eine herbe Ent-Täuschung, dass auch H.-E. Richter zu den Profiteuren der windigen Wohnungsfonds gehörte und als die faulen Geschäfte im Bankenskandal aufflogen, halt wie die meisten dann mehr an seinem Geld als an seinem Ruf als ehrerwerter Bürger hing.
    Nun ja – er ruhe dennoch selig.

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