ACTA ist Landgrabbing

Aus den Öko-Netzwerken höre ich immer wieder, dass diese Szene von der Vehemenz der ACTA-Proteste überrascht war. Es scheint nicht so einfach, den ACTA-Prozess in die Sprache von Umweltaktivisten zu übersetzen. Heute bekam ich nun eine mail aus dieser Szene, mit einer – wie ich finde – wichtigen Frage:

„die öffentlichen Diskussionen über ACTA konzentrieren sich stark auf das Internet. Aber: gibt es nicht zumindest Parallelen zu Verfügungsfragen und Geistigen Eigentumsrechten zb. Richtung Saatgut, Medikamente usw.?“

Ich dokumentiere hier meine Antwort. Es ist ein eher fix hingeschriebener Entwurf (für das blog noch etwas erweitert). Ich bin gespannt, ob wir das entwickeln können. Es geht ja nicht nur um die Parallelen, sondern auch darum zu zeigen, wie ACTA Saatgut und Medikamente und andere Themen DIREKT betrifft.

Aber zunächst zu den Parallelen. Versteht es als kleine ACTA-Übersetzungshilfe für die Ökoszene und korrigiert mich bitte wenn nötig.

ACTA ist Landgrabbing. Oder?

Die Hybridisierung und Patentierung von Saatgut sowie die Monopolisierung des Saatgutmarktes in den vergangenen Jahrzehnten entspricht ziemlich genau dem Prozess des Designs von proprietärer Software (z.B. Apple und Microsoft), der Diskussion um Softwarepatente sowie der Monopolisierung im IKT-Bereich. Immer ging es um das gleiche: Darum, die Verfügung des Zugangs zu einer bestimmten produktiven Sache über private Eigentumsrechte zur zentralen Strategie zu machen, auf der die traditionellen Geschäftsmodelle beruhen. Im Kern aber ging es um Sicherung von Marktmacht. Dieser Kern wich in der öffentlichen Wahrnehmung dem Argument, dass man schließlich nur die „intellektuellen Eigentumsrechte“ schützen wolle und müsse. Und „Schutz von Eigentumsrechten“ (man beachte die Verkürzung) kommt in der Bürgerlichen Gesellschaft immer gut.

Hinzu kam der Grundgedanke (auch schon vor etlichen Jahrzehnten), dass die Leute trotzdem kopieren oder ihr Saatgut ausbringen (können, wollen, müssen). Sie tun es, obwohl es verboten ist. (De facto haben ganze Nationen das zentrale Geschäftsmodell von Microsoft bewusst ignoriert. Bin gespannt, was sie das noch kosten wird.) Es kam also die Idee hinzu, dass technologische Maßnahmen viel effizienter sind. Also wurden zum „Schutz des Eigentums“ allerlei Kopierschutzmechanismen eingeführt – so wie man im Saatgutbereich die Terminator Technologie entwickelt hat. Und auch dies wurde rechtlich flankiert (mit DRM und dergleichen; bei Terminator gibt’s bekanntlich ein de facto Moratorium, aber das haben wir ja nur den sozialen Protesten zu verdanken).

Es ist wirklich unfassbar zu sehen, dass klassischerweise immer „marktbasierte Ansätze“ VERSUS „staatliche Regulierung“ diskutiert werden, während doch die Nationalstaaten – insbesondere im internationalen Verhandlungsrahmen – in der Regel im Sinne des Marktes „regulieren“.
Und nun die neue Stufe, die sich in ACTA manifestiert. Mal abgesehen von dem Kontrollwahn der hier durchbricht und der den berittenen Polizeitruppen von Monsanto, die unter nordamerikanischen und kanadischen farmern Angst und Zwietracht schürten, in nichts nachsteht: bei ACTA geht es u.a. darum, die Verwehrung des Zugriffs zum eigentlichen „Ding“ (Inhalte oder Saatgut usw) gleich über Abschaltung bzw. Entzug des Produktionsmittels (Internet oder Land) zu verwehren. Also ist doch ACTA nichts anderes als eine Form des Landgrabbing. Oder?

Und hier gibt es noch ein ACTA-Erklär-Video:

10 Gedanken zu „ACTA ist Landgrabbing

  1. Dass die Umweltaktivisten von der ACTA-Protestwelle überrascht sind finde ich ja beinahe noch verständlich. Dass die handelspolitische Szene in Deutschland – schließlich geht es um ein Handelsabkommen – die ACTA-Proteste total verschlafen hat, spricht dagegen Bände. Und die waren vielleicht überrascht ob der großen Resonanz!!

  2. Ha, da hast du recht. Ich muss dazu sagen, dass das für mich fast ein und dasselbe ist (fälschlicherweise), weil ich mich mit Umweltfragen viele Jahre v.a. im Kontext der internat. Handelsdebatte befasst habe. Und da sind natürlich die eher klassischen Umweltverbände gar nicht dabei.

  3. Die öffentliche Diskussion ist wirklich leider fast ausschließlich „Internet“. (ARD und ZDF sind übrigens pro ACTA).
    Grund: Das lässt sich einfacher auf „die wollen nur Musik kostenlos“ reduzieren.
    Wenn man auf Medikamente oder Saatgut kommen würde, ist das natürlich schwieriger, die Proteste einfach abzutun (oder wie Musikindustrie&Co geschrieben haben: „Angriff auf demokratische Institutionen“).
    Wir Piraten versuchen daher, das auf Medi+Saat irgendwie zu biegen. Aber das ist alles andere als leicht.

    • Wo genau liegt das Problem? Vielleicht sollten wir mal einen Studientag veranstalten zu diesem Thema und ein paar Leute aus den unterschiedlichen communities zusammen bringen, die sich über den text beugen. Die Namen habe ich parat.

      „Angriff auf demokratische Instutitionen“. Der Punkt ist: das erleben wir täglich, ist geradezu inflationär in einer Zeit in der es als Sünde gilt, dass ein Ministerpräsident in Angelegenheiten, die das Leben der Menschen in dramatischer Weise betreffen, eben diese Menschen befragen will.
      Weitere Schlagseite des Arguments: Die „demokratisch gewählten Institutionen“ (zumindest die entsprechenden Regierungsdelegationen) haben an dem Werk ja mitgestrickt.
      Also wie glaubwürdig/stark ist das Argument?

      • Welche Auswüchse das auf Saatgut bzw. Landwirte nehmen kann, kann man gut aus diesem Dokumentarfilm über Monsanto in den USA entnehmen ab etwa der ~63 Minute: http://de.gloria.tv/?media=125010

        Das Problem dabei ist, dass das immer ein gradueller Prozess ist von Jahrelanger Lobbyarbeit, bei der sich entsprechende Konzerne sowohl über „verlorengegangenen Gewinn“ bei den Regierungen ausheulen, als auch selber Leute in deren Mitte pflanzt, und dann hat man auf einmal solche Verhältnisse und kann Augenscheinlich nicht mehr wirklich viel dagegen machen…

  4. Ja, SOPA-PIPA-ACTAff ist Landgrabbing ist Enclosure of the Commons.

    Allerdings sind alle konkreten Maßnahmen aus dem ACTA-Entwurf rausgenommen worden. Da steht also nicht (mehr) drin, dass dir die Internetverbindung gekappt werden kann, aber das Internetverbindungskappen kann (wie in Frankreich) als eine Umsetzung von ACTA verstanden werden. Ebenso wie Vorratsdatenspeicherung etc. Wenn also ACTA fällt, ist nicht viel gewonnen, wenn es doch durchkommt, nicht viel verloren. Mit ACTA im Rücken verschärft es sich national leichter und vice versa.

    • Ja, das war damals bei MAI auch so. Da sagten auch alle: Jetzt machen sie es eben anders (über die bilateralen Investitionsshutzabkommen), also ist kaum was gewonnen. Und so war es gewissermaßen auch. Das Gleiche gilt für das gesamtamerikanische Freihandelsabkommen. Da sind sie dann auch über bilaterale Verträge gegangen. Trotzdem: Hadopi kennen nur ein paar freaks. Acta inzwischen eine ganze Menge Leute. Und das eben ist eine chance, das Thema wirklich
      themenübergreifend zu vermitteln (darum ging es ja hier).

  5. Pingback: ACTA und Saatgut « jodablog

  6. Pingback: Dauerkrautfunding und Copyleft für Saatgut-Commons | CommonsBlog

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