Geistiges Eigentum und Freie Partizipation. Ein Blick auf den Januskopf der Urheberrechtsdebatte aus Commons-Perspektive.

Autoren und Leser trinken aus zwei Quellen, die untrennbar miteinander verbunden sind.

Aus Commons-Perspektive betrachtet ist Kultur eigentlich ein bilaterales Ressourcen-Erhaltungs-Problem. Die Gesellschaft nutzt die nicht-rivale Ressource Kultur, denn Kultur ist ein grundlegender Baustein der menschlichen Zivilisation. Kultur ist eine nicht-rivale Ressource, denn sie wird nicht weniger, indem man sie nutzt. Im Gegenteil: Ein Film ohne Zuschauer ist nichts, ein Buch ohne Leser irrelevant und ein Musikstück ohne Hörer für die Katz.

Andererseits beinhaltet die Commons-Idee den langfristigen Erhalt der Ressource. Das Publikum ist mit dafür verantwortlich, die Ressource am Leben zu erhalten. Wenn die Künstler verhungern oder aufhören zu arbeiten (z.B. um sich mit der Deckung ihrer Lebensgrundlagen zu befassen), dann klingt dies zwar romantisch, es ist aber wenig sinnvoll. Der Roman Hunger von Knut Hamsun sei trotzdem jedem zur Leküre empfohlen, auch den Autoren. Für den Erhalt der Kulturlandschaft ist Geld notwendig, denn kein Künstler kann von einer gelegentlichen Mohrrübenzuteilung leben und auch die Kulturproduktionen erfordern finanzielle Mittel.

Geld ist eine rivale Ressource, denn wenn man es ausgibt ist es weg. Wenn Schriftsteller nur noch schlechte Bücher schreiben, die Filmemacher miesen Schund drehen und die Künstler Punkt-Punkt-Komma-Strich-Gemälde malen (siehe hierzu auch das Kapitel von Friederike Habermann im neuen Commons-Buch), dann sinkt in der Bevölkerung die Bereitschaft, diese Kultur mit Geld (und somit eigene Arbeit) zu unterstützen. Auch die Ressource “Akzeptanz der Kunst” muss von den Künstlern und Autoren sorgfältig gepflegt und nachhaltig erhalten werden. Eigentlich also eine Problematik, die sich für eine Commons-basierte Herangehensweise hervorragend eignet.

Aus Commons-Perspektive geht in der aktuellen Urheberrechtsdebatte um zwei Fragen:

1. Wieviel kann und will die Gesellschaft aufbringen (eigene Beiträge, Zeit, Geld, Aufmerksamkeit), um Kultur zu fördern und zu pflegen und wie regelt sie den Zugang der Menschen zu dieser Ressource? Betrachten wir Kultur als das Wasser des Geistes, wie es Rainer Kuhlen sehr schön formuliert hat, oder als marktwirtschaftliches Produkt, das nur zahlungskräftigen Kunden zusteht?*

2. Wie wollen die Urheber, also die Künstler, Autoren, Musiker, Komponisten, Blogger, Fotografen und so weiter, den Zugang zu dieser Ressource (Unterstützung der Kultur durch die Gesellschaft, Geld) regeln? Wie wollen sie diese Mittel untereinander aufteilen? Dafür sorgen, dass durch Akzeptanz in der Gesellschaft der dauerhafte Erhalt dieser Ressource gesichert wird?

Ein spannendes Thema, das derzeitig durch alle Medien schwebt. Ich sehe viele Commons-basierte Denkansätze, aber davon ein andermal.

*PS: Mit zahlungskräftig meine ich wirklich zahlungskräftig. Wenn ich alles kaufen würde, was allein meine beiden Kinder hören und lesen (würden, wenn sie dürften), dann müsste ich ohne weiteres 500 Euro pro Monat dafür ausgeben. Man verzeihe mir meinen Geiz, aber das kann ich mir nicht leisten. Deshalb lesen und hören meine Kinder weniger als sie würden wenn sie dürften. Und bitte jetzt nicht wieder diese Bibliotheksargument, denn es geht um die Partizipation am aktuellen Kulturgeschehen und eine Bibliothek kann nicht Tausende von Exemplaren jedes Jugendbuchs anbieten, das gerade unter den Teenagern en vogue ist. Das Internet kann, wenn man es lässt.

33 Gedanken zu „Geistiges Eigentum und Freie Partizipation. Ein Blick auf den Januskopf der Urheberrechtsdebatte aus Commons-Perspektive.

  1. Pingback: Janusköpfe: Geistiges Eigentum und Freie Partizipation | Urheberrecht · Eine virtuelle Debatte | Scoop.it

  2. Ich halte von der Debatte „Ein Künstler muss von seiner Arbeit leben können“ wenig bis gar nichts.

    Die kommerzielle Vermarktung von Lizenzen ist ein absoluter Nebenkriegsschauplatz.

    Mich interessieren diese Leute überhaupt nicht. Wir haben eine Marktwirtschaft und sie können IM RAHMEN DES MARKTES versuchen Geld zu verdienen, oder es sein lassen. Niemand hat ein Anrecht darauf auf dem freien Markt Profit zu machen. Nur die Chance ist ihm sicher. Wem das nicht passt, der ist hier falsch.
    Es gibt kein Recht auf Profit – basta!

    (Wobei man nicht vergessen sollte, dass sich auch in der Zeit vor dem Internet das Einkommen äußerst ungerecht primär auf einzelne „Stars“ verteilte, während der überwiegende Rest schon immer in die Röhre schaute.)

    Beim Urheberrecht geht es nicht primär um die paar Hanseln, die mit dem Verkauf von Lizenzen für digitale Kopien Geld verdienen wollen – auch wenn sie momentan am lautesten schreien. Sondern es geht um die 6 Milliarden Urheber, die dieser Planet hat. Denn JEDER ist ein „Urheber“ – dazu muss man nicht kommerziell tätig sein. Wir ALLE sind „die Kulturschaffenden“ und nicht nur jene, die damit Geld verdienen wollen.

    „Autoren und Leser trinken“ – eben NICHT – „aus zwei verschiedenen Quellen“. Autoren SIND Leser und umgekehrt.
    Es geht hier nicht um die Rechte einzelner Konzerne, sondern um die Rechte ALLER Bürger. Und da darf man nicht in den Wahn verfallen, einzelnen kommerziellen Anbietern ein Vorrecht vor dem Rest der Bevölkerung andichten zu wollen.
    Ein „Lex Springer“ ist das absolut Letzte, was das Land der Dichter und Denker nötig hat. Wer eine Nation von Kreativen sein möchte, muss schauen, dass die Interessen vieler wichtiger sind als die Interessen einzelner. In diesem Fall: die Interessen von 6 Milliarden Kreativen gegenüber ein paar Dutzend Konzernen und einer niedrigen vierstelligen Zahl kommerziell erfolgreicher Individuen.

    Wir sind das Volk. Es gibt keinen „Ausgleich“. Zwischen wem denn? Zwischen 6 Milliarden und 6 Tausend?
    Das ist doch lächerlich! Es gibt die Nation, es gibt Bürger Europas, es gibt die Welt. WIR müssen uns auf den Weg machen. Ob die feinen Herrschaften da mitkommen oder nicht, spielt gar keine Rolle.
    Wir bauen die Zukunft und sie können entweder dazu beitragen, oder es sein lassen. Auch ohne große kommerzielle Anbieter, DRM und restriktive Lizenzmodelle wird es nicht weniger Kultur auf der Welt geben, sondern mehr.

    Es ist besser, ein „Land“ voller Dichter und Denker zu sein (ohne kommerzielle Verwertung) – als eine Nation die geteilt ist in kommerzielle Produzenten und Verbraucher, in der Verbraucher ihre Rolle aber nur als unmündige Straßenmusiker ausnahmsweise mal wechseln dürfen, solange sie GEMA zahlen.

    • Guten Morgen Tom. Herzlichen Dank für Dein klares Statement, dem ich auf den ersten Blick nicht in jeder Konsequenz zustimme. Auch wenn jeder Mensch nicht nur Kultur genießt, sondern auch an ihrer Entstehung partizipiert, so habe ich doch den Wunsch Künstler gezielt zu fördern. Um mal ein plakativ überzogenes Beispiel zu wählen: Ich halte es für sinnvoll, dass Pablo Picasso seinem Friseur ein Bild malt, während der ihm die Haare schneidet. Umgekehrt wird höchstens in Ausnahmefällen mehr als eine skurile Situation daraus. Ich persönlich genieße die Talente von Künstlern und bin gerne bereit, meine eigenen Talente in anderer Form hier einzubringen. Ich würde mir aber ungern selbst eine Oper singen, während Enrico Caruso im Drive Through Burger verkauft. Damit will ich sagen, dass durch sinnvolle gesellschaftliche Arbeitsteilung Ressourcenströme entstehen, die wir durchaus Commons-basiert handhaben können.

      Dass der „Kulturkonsument“ (was für ein abscheuliches Konzept) den „Kulturproduzenten“ (brrr!) fördert und dann keinen Zugang zum Resultat dieser Arbeit hat, ist völlig inakzeptabel. In der Forschung aber Gang und Gäbe, wo Milliarden in die öffentliche Finanzierung von Wissenschaft fließen und die Öffentlichkeit dann keinen Zutritt mehr zum eigehegten „Produkt“ hat, der Veröffentlichung und den patentierten Verfahren nämlich.

      Übrigens: Wenn Du das Bild genau anschaust, dann wirst Du feststellen, dass Autor und Leser sich nicht ganz zufällig ziemlich ähnlich sind.

  3. Geld ist eine rivale Ressource, denn wenn man es ausgibt ist es weg.

    Wegen dem staatlichen Copyright aufs Geld 🙂

    Diejenigen, die die „Ressource Kultur“ erarbeiten (und sich damit selbst zur Ressource machen), haben gewiss unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen, die sich je nach den gesellschaftlichen Umständen / Fortschritten auch ändern dürften. Aber zwei Dinge kann man ihnen wohl allgemein unterstellen.

    Sie wollen

    1.) ihre Kunst verbreitet, angenommen und als etwas Wertvolles anerkannt wissen und

    2) gut leben können.

    Die kapitalistischen Formen der „Arbeitsteilung“ (= der Teilung von Arbeit, Genuss, Verantwortung und Zweckbestimmungsvermögen) koppeln beides aneinander mit Geld vermitteltem Tauschakt. Dies kommt nun in die Krise, weil zwar das beliebige Gelddrucken noch einigermaßen geschützt werden kann (abgesehen von gewissen Finanzblasen und-produkten velleicht) nicht aber das beliebige Vervielfältigen von vielen Produkten von Kunst usw. bzw. Arbeit (im überhistorischen Sinne von „Anstrengungen zum Nutzen anderer“) und sich daraus evt. ableitendem gesellschaftlichen Bedürfnisen, dass Konzerte eigentlich ebenso frei zugänglich sein sollten wie Kopien von dessen Mitschnitten.

    In Bezug auf die beiden hier unterstellten Bedürfnisklassen 1) und 2) wirkt sich das widersprüchlich aus. Der freie Zugang zum Genuss der Kunst-Produkte ermöglicht eine bessere Befriedigung des Bedürfnisses 1). Unter den gegebenen Umständen aber vermindert es meist die Möglichkeiten zur Befriedigung des Bedürfnisses 2). (Es sei denn, die Künstler bestreiten ihren Lebensunterhalt liebend gern gern mit „ergänzender Sozialhilfe“)

    Der Vermittlung beider dient etwa das GEMA-Prinzip das es gewiss zu reformieren und zu erweitern gilt. Ein bedingungslos garantiertes Grundeinkommen würde das Problem entschärfen. Aber viele Künstler dürften eine Entkopplung ihrer Leistungen und was ihnen als Gegenleistungen dafür an gutem Leben zugestanden wird, das ihnen nur noch das allen zugestadene Minimum an Möglichkeiten des Genusses gesellschaftlicher Reichtümer lässt zu weit gehen.

    Die spannenden Fragen: Wie könnte ein auch als Künster(innen)sicht fröhliches Commoning aussehen

    a) von den heutigen Bedingungen ausgehend, die bekanntlich kein richtiges Leben im Falschen ermöglichen sondern höchstens ein einigermaßen richtiges Streben

    b) in Vorstellungen (achtung Kunstressource!) dafür idealer, also z.B. auch weltweit garantierter (Re-)Produktionsbedingungen

    Wie auch immer wird die Suche nach Antworten wohl zunehmend an Bemühungen um ein weltgemeinschaftliches (und ökologisch rationales) Ressourcenmanagement bzw. in eine solche Richtung gehende soziale Bewegung gekünpft werden müssen.

    Gruß hh

    • Ergänzend: für die Perspektive eines ökohumanistischen Ressourcenmanagegements dürfte vor allem auch die Teilung der Ressource „Zeit zum Genuss“ relevant sein was auch Zeit zur Ausbildung von Genussfähigkeit einschließt. Die kapitalistische Konkurrenz prügelt ja ständig zur ökologisch blinden Zeitersparnis um das gewonnene soziale Vermögen sogleich wieder zeitverschwendend aufzufressen.

  4. Auch Dir einen Guten Morgen. Für den Hinweis auf die GEMA bin ich besonders dankbar, die als (derzeit meist ungeliebte) Institution ja durchaus eine sinnvolle Rolle spielen könnte. Voraussetzung für eine höhere Akzeptanz wäre zunächst einmal mehr Transparenz und Einfluß aller Beteiligten auf das, was dort geschieht.
    „Fröhliches Commoning“ ist ein schöner Begriff. Allerdings kann Commoning auch sehr ernste Probleme angehen, bei denen es durchaus nicht fröhlich zugehen muss.

  5. „Es gibt kein Recht auf Profit“ – stimmt! Profit und „leben können“ sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Aus dieser Sicht geht die Formulierung „Ein Künstler muss von seiner Arbeit leben können“ tatsächlich am Kern der Sache vorbei. Sie trifft nämlich nicht nur für Künstler zu, es gibt genug andere „working poor“.

    Also: jeder Mensch muss leben können – schon vor jeder Arbeit, sonst kann er nämlich gar nicht vernünftig arbeiten, sondern muss eben immer dem Geld hinterher rennen. Eine Commonsperspektive bedeutet daher, dass die Grundbedürfnisse aller Menschen, auch der Künstlerinnen befriedigt werden, egal ob die Produkte ihrer Arbeit Abnehmer auf dem Markt finden.

    Beim Künstler kommt aber dazu, dass er etwas herstellt, das ein nicht-rivales Commons ist und das daher auch alle nutzen können sollten, weil es ja dadurch mehr Verbreitung findet und mehr Nutzen stiften und selbst wieder wachsen kann. Deshalb gibt es eben zusätzlich ein allgemeines Interesse daran, dass die Produkte des Künstlers allgemein zugänglich sind. Auch für die Gesellschaft ist also ein „Markt“ für Kunst schlecht, weil er Menschen von der Nutzung von Kunst ausschließt. Und hier treffen sich individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse und stehen nicht, wie in der Marktsituation, einander gegenüber. Und dann kann man zu einer ganz anderen Lösung finden, wie die Bedürfnisse aller befriedigt werden, als nach der Marktlogik. Wie diese Lösungen ausschauen können, darüber sollte jetzt diskutiert werden, aber dafür müsste man erst diesen Perspektivenwechsel vollzogen haben.

    • Besonders den Aspekt des notwendigen Perspektivenwechsels kann man aus meiner Sicht gar nicht genug betonen. Es ist kaum zu fassen, wie sehr sich die Dualität „Einhegung der Kunst“ oder Hungertod in das Denken gerade der Kulturschaffenden eingebrannt hat. Und die derzeitige Diskussion verstärkt diesen Irrsinn noch, was ich sehr bedenklich finde.

    • Wie diese Lösungen ausschauen können, darüber sollte jetzt diskutiert werden, aber dafür müsste man erst diesen Perspektivenwechsel vollzogen haben.

      Da bin ich jetzt wirklich neugierig.

  6. “Fröhliches Commoning” ist ein schöner Begriff. Allerdings kann Commoning auch sehr ernste Probleme angehen, bei denen es durchaus nicht fröhlich zugehen muss.

    Dem stimme ich natürlich zu wie auch deinen anderen Anmerkungen. Wobei man sicher auch sehr ernste Probleme beherzt lachend in Angriff nehmen kann – wenn dann nicht selten auch in der Form des reinen Galgenhumors. (Nehmen wir die neusten Meldungen über das ernste Problem des schmelzendes Selfeises). Nervig wirds, wenn einem die Fröhlichkeit per Terror des „Positiven Denkens“ aufgenötuigt wird.

  7. Hallo,

    interessante Diskussion hier. Dazu würde ich gerne was anmerken: Die Musik ist ja im Gegensatz zur Nahrungsbeschaffung oder ähnlichen Tätigkeiten für den Menschen nicht unbedingt überlebensnotwendig. Das drückte schon die altgriechische Fabel von der Ameise und der Heuschrecke aus, http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Ameise_und_die_Heuschrecke . Da ich selber Musiker bin, nimmt man es mir hoffentlich nicht übel, wenn ich das zuerst einmal sozusagen selbstkritisch hinterfrage.

    Dabei kommt man dann natürlich schnell auf das Thema der Arbeitsteilung bzw. Entfremdung, wie Marx es nannte. Im Zuge der Arbeitsteilung ist es nun natürlich völlig normal, dass sich nicht nur die direkt überlebensnotwendigen Tätigkeiten immer weiter in spezialisierte Prozesse zerlegen, sondern sich auch spezialisierte Berufe bei den schönen Künsten herausbilden. Dazu fällt mir dann aber immer folgende Strophe aus Bob Dylans „like a rolling stone“ ein:

    „you never turned around to see the frowns
    on the jugglers and the clowns when they all did tricks for you
    you never understood that it ain’t no good
    you shouldn’t let other people get your kicks for you“

    Ich denke, das entspricht in etwa der Marxschen Kritik an der entfremdeten Arbeit und auch ich stimme da zu. Man kann das Thema Kultur nicht getrennt betrachten. Daher wird ja auch immer wieder das Thema Grundeinkommen in diesem Zusammenhang genannt. Und daher ufern die Diskussionen zu diesem Thema sofort aus, und jeder Versuch, eine Pauschallösung im Bereich Musik (oder anderen kulturellen Bereichen) zu finden muss scheitern. Denn die Form der Produktion und Rezeption von Kultur ändert sich ständig und ist auch nicht homogen.

    • Hallo Musikdieb,

      einen Aspekt in Deinem sehr spannenden Kommentar halte ich allerdings für unrichtig: Musik mag nicht so wichtig erscheinen, wie Nahrungsaufnahme, aber als Bestandteil sozialer Partizipation ist sie lebenswichtig. Menschen, die aus der Teilhabe an sozialen Interaktionen ausgeschlossen sind, werden dadurch genauso schwer traumatisiert, wie durch physische Mißhandlung (siehe Mobbing). Derartige Schäden reichen von Depressionen bis hin zum Suizid. Die Frage nach Armut stellt sich nicht beim Essen oder Trinken, sondern an der Teilhabe am sozialen Leben. Insofern gibt es Armut eben auch im Wohlstand. Freier Zugang zu Kultur ist für mich deshalb genauso ein Menschenrecht, wie Zugang zu sauberem Trinkwasser und Luft zum Atmen. Die vollständige Enclosure of Culture, die Degradierung der Kultur zum Produkt das man sich leisten können muss, ist für mich einer hochentwickelten Kultur unwürdig. Im übrigen ist es auch ein Merkmal von unterentwickelten und sehr jungen Kulturen, die noch keine Prinzipien der Partizipation entwickelt haben (USA, Internetzeitalter etc). In entwickelten Kulturen gibt es immer ausgefeilte Prinzipien der Teilhabe (z.B. öffentliche Bibliotheken damals im Zeitalter des Buchs).

      Was Marx betrifft, so sollte man ihn (denke ich) nicht aus seinem historischen Kontext reißen. Das würde weder ihm noch uns gerecht. Man kann auch in hochspezialisierten Nischen eine nicht-entfremdete Tätigkeit ausüben.

      Fest steht, dass es jetzt schon Mechanismen der Kultur-Förderung gibt, die durchaus intelligente Züge tragen (wie z.B. die öffentliche Forschungsfinanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die ja eine Selbstverwaltung der Wissenschaftler darstellt. Der Staat hat sich ausdrücklich aus der Frage zurückgezogen, wie die Wissenschaftler die zur Verfügung stehenden Fördermittel unter sich aufteilen). Ich will die DFG nicht unkritisch verklären, aber im Prinzip ist dies ja ein Commons-naher Ansatz und letztlich ist Wissenschaft ja ein Teil der Kultur. Wissenschaftler sind auch vom Urheberrecht erheblich betroffen und längst nicht nur Musiker, Krimi- und Tatort Autoren.

      • „Was Marx betrifft, so sollte man ihn (denke ich) nicht aus seinem historischen Kontext reißen. Das würde weder ihm noch uns gerecht. Man kann auch in hochspezialisierten Nischen eine nicht-entfremdete Tätigkeit ausüben.

        Marx war ja nicht gegen Spezialisierung. Es geht bei seiner weltkommunistischen Perspektive um andere Formen der Arbeitsteilung, d.h. der Aufteilung von Arbeit, Genuss, Zweckbestimmungsvermögen und Verantwortung, Halt solche, die es den Menschen erlaubt, dies so zu regeln, dass am Ende alle gut leben können ohne dass dies die Lebensgrundlagen aller zerstört.

  8. „Musik mag nicht so wichtig erscheinen, wie Nahrungsaufnahme, aber als Bestandteil sozialer Partizipation ist sie lebenswichtig.“

    Das sehe ich anders. Sie ist sicherlich unabdingbar wichtig für Menschenwürde, Gerechtigkeit undsoweiter. Damit ist sie vielleicht für Gesellschaften überlebenswichtig, aber nicht für den Einzelnen.

    Das mit dem freien Zugang zu Kultur als Menschenrecht sehe ich genauso. Aber dann muss auch über die Kulturproduktion nachgedacht werden. Es gibt so ein Sprichwort: „Wo ein Trog ist, sammeln sich Schweine.“

    Alle gesellschaftlichen Versuche, die Kultur über Subventionen zu fördern, sei es durch Kulturförderprogramme, Verwertungsgesellschaften, Pauschalflatrates, wirken meiner Meinung nach kontraproduktiv. Denn sie befördern letztlich nicht die besten Künstler sondern die cleversten Schmarotzer, um es mal radikal auszudrücken. Auch der durch das Urheberrecht aufgespannte kommerzielle Musikmarkt befördert nicht gerade einen ehrlichen Wettbewerb.

    Denn da Musik eben nicht überlebensnotwendig ist, könnte hier meiner Meinung nach durchaus genau der Wettbewerb stattfinden, den wir bei den lebensnotwendigen Tätigkeiten nicht brauchen.

    • Ich muss später auf Deinen interessanten Kommentar ausführlich antworten (die Bahn wartet leider nicht), aber Dein Satz

      Denn sie befördern letztlich nicht die besten Künstler sondern die cleversten Schmarotzer,…

      ist ein wunderschönes Beispiel für die Auswirkungen von Garrett Hardins Lüge von der Tragik der Allmende. Elinor Ostrom hat genau dafür den Nobelpreis bekommen, dass sie untersucht hat, unter welchen Bedingungen diese Aussage eben genau nicht zutrifft. Hardins Aussage ist falsch, aber sie vergiftet unser Denken seit Jahrzehnten.

      Ich bin gespannt, wie Dir das Buch „Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“ gefällt. Insbesondere der Beitrag von Friederike Habermann … lies mal die Geschichte mit den Gummibärchen. 🙂

    • Ich schätze die fundamentale Bedeutung sozialer Integration für den Menschen ganz anders ein. Es geht ja nicht darum, ob es lebensnotwendig ist, einen bestimmten Hit von Michael Jackson zu hören. Es geht darum, wie wichtig es für das Individuum ist, an kulturellen Prozessen der Gesellschaft partizipieren zu können oder von ihnen ausgeschlossen zu sein. Daraus ergibt sich für mich das politische Ziel, Kultur nicht einzuhegen. Die Strategie, einer kreativen Schöpfung (z.B. einem Buch) einen Marktwert zu verschaffen, indem man dessen Inhalt als „geistiges Eigentum“ einhegt und Menschen künstlich den Zugang verwehrt, ist aus meiner Sicht nicht nur ökonomisch kurzsichtig, sondern auch unethisch.

      Die Alternative zu Kunst als Produkt besteht nicht aus staatlichen Kulturprogrammen oder Subventionen. Es gibt zig Möglichkeiten und nach Elinor Ostrom ja keine Patentrezepte. Vielleicht benötigt jeder Typ von Werk seine eigenen Regeln. Diese beinhalten aber zu allererst Transparenz und darauf aufbauend Akzeptanz. Auch an dieser Stelle ist Fernand Braudel aufschlußreich. Er unterscheidet [für das 17. Jahrhundert] zwischen Marktwirtschaften vom Typ A und B und schreibt:

      Sogar in dem hier skizzierten Idealtypus eines Marktfleckens mit einem reglementierten, rechtschaffenen und transparenten Handel – wie das Sprichwort sagt, „Auge in Auge, Hand in Hand“ – fehlt die für Kategorie B typische Form des Tausches welche Transparenz und Kontrolle meidet, nicht völlig.

      Auch der Handel, der die grossen Weizentransporte durch die Ostsee organisierte, war zunächst transparent. Die Preiskurven … verliefen synchron, und die Gewinnspanne war zugleich gesichert und bescheiden. Aber sobald … eine Hungersnot ausbrach, wie z.B. 1590, brachten internationale Kaufleute ganze Schiffe von ihrem gewohnten Kurs ab, um deren Ladung in Livorno oder Genua für den drei- oder vierfachen Preis zu verkaufen.

      Fernand Braudel, Die Dynamik des Kapitalismus (1986), Klett-Cotta

      Braudel beschreibt exakt das heutige Problem. Die Einhegung kultureller Inhalte (und damit ihre Verknappung wie bei einer Hungersnot) dient nicht einer transparenten und kooperativen Wertschöpfungskette, die von den Menschen akzeptiert würde. Sie dient nur einer intransparenten Maximierung der Gewinne und findet deshalb zurecht auch wenig Akzeptanz.

      • „Ich schätze die fundamentale Bedeutung sozialer Integration für den Menschen ganz anders ein.“

        Da scheint ein Missverständnis zu bestehen. Ich habe die „fundamentale Bedeutung sozialer Integration für den Menschen“ noch gar nicht eingeschätzt. Ich stimme deinen weiteren Ausführungen auch komplett zu und sehe da gar keinen Widerspruch zu irgendwas, was ich gesagt habe.

        Ich habe nur Tatsachen festgestellt, z.B. dass schon der altgriechischen Fabeldichter Aesop das Musizieren sozusagen als prekären Beruf beschrieb.

        Eine andere Tatsache, die ich festgestellt habe ist, dass Musik (für den Einzelnen) nicht lebensnotwendig ist. Oder wie erklärst du dir sonst, dass taube Menschen überleben können?

        Zu der „fundamentalen Bedeutung sozialer Integration für den Menschen“ habe ich nichts gesagt und auch nichts andeuten wollen, es geht ja auch eher um die _fundamentale Bedeutung von Kultur (im speziellen Fall Musik) für die soziale Integration des Menschen_. Da stimme ich zu, dass Zugang zu Kultur ein Menschenrecht sein sollte. Aber nicht nur als Konsument sondern auch als Produzent. Und keinen Illusionen zu verfallen, weder als Einzelner noch als Gesellschaft, sollte man die Realität nicht verleugnen. Selbst wenn man bei dem Brecht-Zitat „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ ins Grübeln kommt, so kann man „Erst kommt das Fressen, dann die schönen Künste“ doch stehenlassen, denke ich.

      • 🙂
        Wahrscheinlich habe ich wieder alles durcheinander gekriegt. Ich bin im Moment von dieser unsäglichen Diskussion etwas geschockt, in der angeblich Urheber gegen Freibeuter in den Krieg ziehen … .
        Für mich ist Musik eben lebensnotwendig (im übertragenen Sinne), da ein Ausschluß aus der Kultur eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft anzeigt. Und ich halte es tatsächlich für lebensnotwendig, in einen sozialen Kontext integriert zu sein.

      • „Für mich ist Musik eben lebensnotwendig (im übertragenen Sinne), da ein Ausschluß aus der Kultur eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft anzeigt.“

        Empfinde ich auch so. Hoffe, nicht einmal irgendwo leben zu müssen, wo Musik verboten ist (wie es in Afganistan unter den Taliban der Fall war).


        Googlekapitalismus = Pepperland in Pirateigentum=ein Vergnügen mehr=?

      • Naja. Man muss nicht bis Afghanistan. Bei mir im Haus ist laute Musik auch verboten. Aber Spaß beiseite, auch in Genf zu Zeiten Calvins ging es ähnlich zu. Die Wirtshäuser mussten zeitweise schließen, tanzen durfte man nur noch auf Hochzeiten, Glücksspiel wurde verboten, schrieb Simon Benne in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

        http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Uebersicht/Calvinismus-Die-Tyrannei-der-Tugend

        Aber immerhin war dies geteiltes Leid und nicht der selektive Ausschluss einzelner.

      • > „Wahrscheinlich habe ich wieder alles durcheinander gekriegt.“

        Wahrscheinlich habe ich mich wieder zu ungenau ausgedrückt oder zu unausgegorene Gedanken ausgesprochen. 🙂

        > „Ich bin im Moment von dieser unsäglichen Diskussion etwas geschockt, in der angeblich Urheber gegen Freibeuter in den Krieg ziehen …“

        Damit beschäftige ich mich in meinem Blog z.B. ja schon seit 2006. Damit diese Diskussion aber eben nicht zu einer weiteren „Einhegung kultureller Inhalte“ führt, muss sie wohl geführt werden, dachte ich. Ich bin nun vor allem geschockt, wie sehr die Diskussion von Interessensgruppen/Lobbys dominiert wird und wie wenig tiefgreifend sie bisher bie den tatsächlichen Urhebern/Nutzern geführt wird…

        > „Für mich ist Musik eben lebensnotwendig (im übertragenen Sinne), da ein Ausschluß aus der Kultur eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft anzeigt. Und ich halte es tatsächlich für lebensnotwendig, in einen sozialen Kontext integriert zu sein.“

        Das sehe ich auch so. Joachim-Ernst Berendt stellt in seinem Buch „Vom Hören der Welt“ sogar die These auf, dass Hören dafür wichtiger ist als Sehen. Finde ich als Musiker sehr interessant, die These… Aber es ist auch darüber hinaus ein spannendes Thema, denn genau über diese Kultur definieren wir uns ja als Menschen…

      • „Joachim-Ernst Berendt stellt in seinem Buch “Vom Hören der Welt” sogar die These auf, dass Hören dafür wichtiger ist als Sehen. Finde ich als Musiker sehr interessant, die These… “

        Diese These kenne ich aus dem Bereich der Neurobiologie. Ein alter Disput zwischen Hörforschern und Sehforschern. Ein Professor aus der Hirnforschung hat sie mir damals erklärt. Er sagte: Stell Dir vor, Du siehst die Tagesschau und bist taub, oder Du hörst Nachrichten im Radio und bist blind.

        Berendt? Hat der nicht mal ein Standardwerk über Jazz geschrieben? Ich glaube, ich habe es noch … nein doch nicht, schade. Verschollen im Meer der Zeit.

      • „Berendt? Hat der nicht mal ein Standardwerk über Jazz geschrieben?“

        Ja, genau der. Wurde auch der Jazz-Papst genannt, hat wichtige Festivals mitbegründet und so. Der hat dann später (bevor er leider bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam) Bücher über Musikwissenschaft geschrieben, die wohl eher in die esoterische Ecke eingestuft wurden, die aber sehr interessant sind. Gibt es auch als ehemalige Rundfunkproduktion auf DVD, mit Hörbeispielen!

        Aber eigentlich führt das ja zu weit weg vom Thema. Bzw. man kann da sicher auch problemlos Bezüge zu den Commons herstellen, aber das würde mir jetzt zu sehr ausufern…

      • @hhirschel:
        > „Hoffe, nicht einmal irgendwo leben zu müssen, wo Musik verboten ist“

        Da muss ich doch mal Werbung für folgenden Sampler machen:

        Aber auch das jetztige Urheberrecht behindert Kultur, wenn auch nicht durch direkte Verbote. Aber es stellt zum einen die kommerzielle Verwertbarkeit über alles andere und zum anderen begünstigt es monopolistische Strukturen in der Verwertungskette und damit auch Steuerbarkeit der Inhalte.

  9. „Damit ist sie vielleicht für Gesellschaften überlebenswichtig, aber nicht für den Einzelnen.“ – Und wie bitte sollen Gesellschaften überleben, wenn die Einzelnen nicht überleben? Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Diese Gegeneinandersetzung von Gesellschaftsinteressen und Individualinteressen ist eine Folge des Konkurrenzsystems am Markt aber nicht naturgegeben. Um wieder Marx zu bemühen, in einer richtig organisierten Gesellschaft, ist die Bedürfnisbefriedigung jedes Einzelnen die Voraussetzung für das Gedeihen des Ganzen – ja ich weiß, genau so hat er es nicht gesagt, aber so ähnlich sagen wir es gerne über die Commons ;-).

  10. Marx schrieb in einer Epoche von „kleinen einstöckigen Hütten, die oft durch Bretter in zwei Schlafstuben geteilt werden, oft ein Bett in einer Küche 5 Fuß 6 Zoll hoch. Die Mieter haben ihre eigenen Abtritte zu bauen, der Hauseigentümer liefert nur ein Loch. So oft einer einen Abtritt baut, wird letzterer von der ganzen Nachbarschaft benutzt.“ (Karl Marx, Das Kapital I (1873), Ullstein Verlag)

    Was Marx betrifft, so halte ich es am liebsten mit dem großartigen französischen Historiker Fernand Braudel:

    „Der größe Nachteil [als Historiker das Wort Kapitalismus für vorindustrielle Prozesse zu benutzen] besteht darin, daß das Wort Kapitalismus mit heutigen Begriffen aufgeladen ist. … Bei Marx dagegen taucht dieses Wort praktisch noch nicht auf. So droht uns also die schlimmste der Gefahren – die Sünde des Anachronismus“.

    Fernand Braudel, Die Dynamik des Kapitalismus (1986), Klett-Cotta

    • Marx vermied gern Substantivierungen, die zu „Begriffen“ versteinert als Fetische wirken und vermuten lassen, dass das Bezeichnete außerhalb der menschlichen Beziehungen steht, und sprach statt von z.B. Privateigentum lieber vom Prozess der Aneignung oder der kapitalistischen Weise des Aneignens. Von „Kapitalismus“ sprach Marx meines Wissens nur in seinen Briefen an Sassulitsch und der folgenden Passage im Kapital:

      „Denn der Kapitalismus ist schon in der Grundlage aufgehoben durch die Voraussetzung, daß der Genuß als treibendes Motiv wirkt, nicht die Bereicherung selbst.“

      Marx: Das Kapital, MEW Bd. 24, S. 123

      Wie wenig anachronistisch Marx Perspektive ist verrät meines Erachtens die folgende Passage aus der „Deutschen Ideologie“:

      “Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft. Diese »Entfremdung«, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden.

      Damit sie eine »unerträgliche« Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus »Eigentumslos« erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt – und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der »Eigentumslosen« Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat.

      Ohne dies könnte der Kommunismus nur als eine Lokalität existieren, die Mächte des Verkehrs selbst hätten sich als universelle, drum unerträgliche Mächte nicht entwickeln können, sie wären heimisch-abergläubige »Umstände« geblichen, und würde jede Erweiterung des Verkehrs den lokalen Kommunismus aufheben.

      Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker »auf einmal« und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt.

      Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34 – 35

      • Nicht Marx war anachronistisch. Uns droht die Gefahr. Und wie Braudel es ausdrückt, er ist mit heutigen Begriffen beladen, die es nur einer kleinen Minderheit von Experten ermöglicht, ihn historisch richtig zu bewerten.

        Ich fürchte, man tut der Commons-Idee keinen Gefallen damit, sie mit zuviel Marx zu beladen. Denn was Marx wirklich meinte ist heute schwer zu verstehen, wie Dein Text trefflich illustriert (was nicht heißt, dass man ihn nicht mit großem Interesse und Vergnügen lesen sollte).

      • Übrigens fiel mit am Anfang Deines Kommentars ein, dass dies der Grund dafür sein könnte, warum es so schwer fällt einen deutschen Begriff für Commons zu finden:

        „Substantivierungen, die zu “Begriffen” versteinert als Fetische wirken und vermuten lassen, dass das Bezeichnete außerhalb der menschlichen Beziehungen steht“.

        Ein sehr schöner Gedanke!

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