Wie der Marktplatz zum Commons wird

Draußen schüttet es. Und das Sonntagsradio tönt mal wieder, dass es den Märkten schlecht geht. Sehr schlecht. Ich bedauere sie trotzdem nicht. Die Sendung hieß „Wirtschaft und Soziales“. Über Soziales hat man nichts erfahren, und über Wirtschaft wird in den Medien geredet, als kämen Menschen darin gar nicht vor. Also schalte ich das Radio ab und blogge lieber darüber, wie mehr Markt zum Commons werden kann.

Ganz einfach, gestern habe ich’s verstanden 😉 : mit 9 LKW-Ladungen voller Sand.

… das haben sich kreative Menschen an der Enz ausgedacht. Sie sind ohnehin das Wichtigste – die Menschen und ihre Gedanken. Das gilt auch in der Wirtschaft, aber das vergessen die Redakteure der Wirtschaftsnachrichten gern.

Jedenfalls ist aus den Ideen der Menschen im schwäbischen Vaihingen ein Strand entstanden. Rund um den Marktbrunnen und gerahmt von Fachwerkhäusern. Öffentlicher Raum mal anders.

Man kann das Vaihinger Strandleben (hier als Slideshow) zum „Sandeln, Matschen, Spielen, Sporteln, Sonnenbaden, Treffen, Tratschen und Gucken“ nutzen. Oder sich einfach selbst zum Strand aufmachen und sich dem süßen Nichtstun hingeben. Nur auf den Wellen reiten und in die Ferne gucken, kann man nicht. Denn dazwischen stehen ja die Fachwerkhäuser.
Man kann auch schmökernd in Liegestühlen lümmeln und sich im offenen Bücherschrank bedienen. Dort, so verkündet die Gebrauchsanleitung, dürfen „Bürger und Gäste rund um die Uhr, bei jedem Wetter und kostenlos

Bücher ausleihen

Bücher einstellen

Bücher tauschen

Bücher behalten. “

Freilich, so ganz stimmt das nicht. Denn das Ganze ist zwar für „lau“ (dh. man muss kein Geld für den Zugang zum Strand zu bezahlen) aber eben nicht kostenlos. Das Ganze kostet – wie jedes Commons – Aufwand, Zeit, viel Kommunikation, Abstimmung und eben auch Geld.

Das erkennt man zum Beispiel daran:

Das Spendenbarometer hat für 2011 dreitausend Euro ausgewiesen. Soviel, und etwas mehr noch, werden in einer Sommersaison für Dixi Klos & Co gebraucht! Und irgendwie scheinen die Vaihinger das zusammenzukriegen. Jahr um Jahr. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die umliegenden Cafés spenden. Vor allem das hier:

Dixi-Klos sind wichtig und Strandcafés auch, denn manchmal herrscht hier richtiger Andrang – wie der selbstorganisierte Veranstaltungsplan vermuten lässt. Da gibt’s öffentliche Chorproben, QiGong, Kinderkirche im Megasandkasten oder – für die ganz Sportlichen – Zeitungspackenstoßen. Kurz: Es gibt Spaß statt Stress auf dem Markt.

Und wie in jedem Commons, das haben wir von Elinor Ostrom gelernt, gibt es Regeln. In diesem Falle Strandleben-Spielregeln:

Den Kindern, die den Strand besonders mögen, sind die gelben Schilder manchmal egal. Und auch Große haben offenbar mitunter Probleme sie zu verstehen. Es ist also genau so wie im richtigen Leben:  Probleme sind da, um gelöst zu werden. Zum Beispiel die Sache mit dem Müll. Sie schreit nach Kümmerern, die noch ein bisschen mehr tun als sandeln, sporteln, tratschen und rumlümmeln.

Dass gleich zweimal täglich aufgeräumt werden muss, kommt mir freilich vor wie eine schwäbische Eigenart. Als wir am späten Nachmittag vorbeibummeln, wirkt der Strand jedenfalls wie geleckt. Nicht mal eine Kippe im Sand-Aschenbecher.

So wie es ausschaut und sich anhört wird das Vaihinger Strandleben geliebt. Bei gutem Wetter sind bis zu 400 Leute da. Auf dem herrlichen Marktplatz in Neudenau, wo ich wohne, sind es unter diesen Bedingungen gerade einmal 4.

Das Strandleben wird von den „Nutzerinnen und Nutzern“ (wie wir im Commonsjargon sagen würden) immer wieder möglich gemacht. Nicht von allen, aber für alle. Seit über 7 Jahren schon.

Ich werde das Vaihinger Strandleben demnächst häufiger zitieren, immer dann nämlich, wenn ich erklären soll, was städtische Commons sind und wie sie funktionieren. So zum Beispiel – in dem immer mehr Markt(plätze) zu Commons werden und die Kommunen das nicht nur dulden, sondern aktiv unterstützen.

 
Alle Fotos: JB

7 Gedanken zu „Wie der Marktplatz zum Commons wird

  1. Schwäbische Oigaart? Mir Schwoaba meget halt onser Ländle, drom pflegad mers. 🙂 Dät Eich au gut, do droba in Jena, wo überall dr Dreg uf dr Stroß romliegd. Abber vielleicht meget Ihrs ja net, Euer Ländle. No pflegad ers halt au net. Aber net, dass de jezz a’fängsch Sand am Saalestrand zom lecka. Des schmeckt nämlich net so ond s’knirscht.

  2. Hier bei mir gab es in den letzten Jahren auf dem Markt (einem Teil davon) auch eine Ladung Sand – da wurde ein Beachvolleyballfeld gemacht. Dieses Jahr nicht, und bisher konnte mir keiner sagen, warum nicht, dne ich gefragt habe. Oder auch nur, wer das immer gemacht hat (zuständiges Menschlein).
    Für mich als super-schnell-super-Sonnenbrand-krieger ist sowas ja nichts, aber verwundert hat es mich schon.

  3. Pingback: Wenn Bürger den Marktplatz als Gemeingut erobern

  4. Pingback: Commonic Nr 6: Von der Sündenvergebungsmaschine und der Privatisierung des Schattens « CommonsBlog

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