Ein Experiment: Commonsbloggt live aus der DIY-Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzig, wo ich gestern Abend die Ehre hatte, mit Nico Paech ein Streitgespräch zu führen.
Los geht es mit Marco Clausen, Gründer des allseits bekannten und beliebten Prinzessinnengartens inmitten von Berlin.
Clausen spricht über das Potential des Informellen. Also einfach zu tun „ohne viel Fachkenntnisse und ohne Kapital“ Er spricht darüber, mit „leidenschaftlichem Dilettantismus die Lücke zu nutzen“. Im Prinzessinnengarten (6000 qm im Eigentum der Stadt Berlin und im Besitz der PrinzessinnengärtnerInnen, weitere finanzielle Unterstützung von der Stadt gibt es nicht) wird mit dem gearbeitet, „was vor Ort ist, mit den Ideen, mit der Fläche die zur Verfügung steht, mit Improvisationsgeist. Es geht ums Spielen und Experimentieren.
„Wir verstehen diese Gärten auch als Orte, um städtisches Leben zu erzeugen: Hier wächst nicht nur Gemüse, sondern auch soziale Beziehungen.“ Es ist ein Ort des …Austauschens, Lernens, anderer Zeitregime, der Vielfalt, des Miteinanders.
Der Anbau vor Ort ist mobil und Nutzung von Industrieabfällen, Wert wird auf den Anbau von alten und seltenen Sorten gelegt. Der Garten ist nicht zur Vollversorgung mit Kartoffeln da, sondern ein Ort der Umweltbildung, Kulturveranstaltungen, und Demos (siehe Foto), Events rund ums Essen, in informeller Ort sozialen Zusammenleben, der auch der Integration von marginalisierten Bevölkerungsgruppen dienen kann.
Der Anfang war verblüffend. Dem Erstaufruf, den Müll von der 6000 qm Brache aufzusammeln, kamen 150 Menschen nach „und nicht weil sie was dafür bekamen, sondern weil sie die Idee geteilt haben.“ Es gibt kein „Do it yourself ohne Do it Together“, sagt Clausen. Auch heute gibt es im Prinzessinnengarten keine privaten Beete
Aber wie nachhaltig ist prekär? Also das Umzingeltsein von eigentlich anderen Verhältnissen, von einer Stadt abhängig sein, die ihr Tafelsilber verkauft.
Tatsächlich bewegt sich der Garten in einer ständigen Spannung zwischen dem Potential der Zwischennutzung einerseits und deren Grenzen. So gibt es etwas im Sommer 13 Vollzeitstellen, die Kurzfristverträge schränken aber die Mittelacquise für langfristigere Projekte erheblich ein.
Dennoch – Pioniernutzungungen sind wichtig. Der Begriff erinnert an das, was man auf Brachflächen vorfindet, wenn man anfängt: Pioniervegetation. Sie zeigt das an, was auf dieser Fläche im Moment möglich ist, so wie Pioniernutzungen „soziale Wünsche und Bedürfnisse nach einer anderen Stadt“ anzeigen.
Welches Potential das birgt setzt Clausen mit einem Zitat einer Immobilienfirma ins Bild, die im Jahr 2009 mit folgenden Worten auf das Konzept der Prinzessinnengärten reagierte.
„Sie könnte funktionieren. Und deswegen tun wir es nicht! Welche Nachbarschaft würde eine Shoppingmall akzeptieren auf einer Fläche, wo vorher ein Gemeinschaftsgarten war?“
Klar ist auch, dass Gemeinschaftsgärten zwar Impulse setzen können, wenn sich aber das Gesicht der Städte ändern soll, brauchen es auch Impulse aus Planung und Politik.
Demgegenüber steht der totale Ausverkauf der Stadt. Mit der globalen Krise ist wahnsinnig viel Kapital auf den Immobilienmarkt der Stadt geströmt. Der Liegenschaftsfond von Berlin nutzt das. Es scheint der Schlüssel zum Umgang mit dem hohen Schuldenstand.
„Wenn sie ausgefallene Wünsche haben, einstige Schulen, Schwimmbäder , Gärtnereien oder Krankenhäuser, dann kommen sie zu uns.“ preist Holger Lippmann, der Geschäftsführer des Fonds sein Portfolio an. (Chef vom Liegenschaftsfond)
Gegen diese Idee von Stadt wird mobilisiert. Etwa mit der Kampagne: Wachsen Lassen.
- eine Zukunft für den Prinzessinnengarten
- Beteiligung der AnwohnerInnen
- Freiräume für soziales Engagement
Für eine „resilient city“, eine Stadt, die man „als unseren Garten“ verstehen kann. Und es geht darum, „anzufangen ihn zu bestellen“. Es geht also im Prinzessinnengarten nicht darum, die Leute mit Karotten und Kartoffeln zu versorgen, sondern sinnlich-erfahrbare Orte der Nachhaltigkeit zu schaffen und zeigen, wie eine zukunftsfähige Stadt aussehen könnte. Eine Stadt, in der Konsum ersetzt wird durch soziale Koproduktion.
Kurz gesagt. Der Prinzessinnengarten ist eine Haltung. Ein Ort „der mentalen Subsistenz“, deren Wirkung eher kulturell und imaginär ist.
Diese Orte gibt es überall in Deutschland. Sie zeigen wo wir hinwollen. Sie zeigen den Weg, der aber auch strukturelle und politische Unterstützung braucht. Eine commons-orientierte Politik eben.
Es ist eben nicht wahr, dass der Mensch nur tut was hilft, seinen Konsum zu steigern. Er tut auch, was ihm gut tut.
Liebe Silke, du kannst es dir wahrscheinlich denken, was jetzt kommt 😉 Wird es von dir noch einen Artikel zum Kamingespräch mit Niko Paech geben?
Nööööööö.
Kleiner Nachschlag noch: Ich bin ja nicht auf Facebook, habe mir aber Zugang geschafft, um mal nachzuschauen, was über die Debatte gefacebooked wurde. Das hat bei mir große Heiterkeit ausgelöst:
Der da:
„DIY-Tagung Liebe Leser an den Geräten zuhause: die Diskussion befindet sich gerade in einer Sphäre, die sich hier nicht textlich darstellen lässt.“
26. Oktober um 19:40 · Gefällt mir
Und noch besser der da:
„DIY-Tagung Wer braucht Obama vs. Romney, wenn man Paech vs. Helfrich haben kann!“
26. Oktober um 19:25 · Bearbeitet · Gefällt mir
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