Die Segnungen des Gemeindebiers

oder: Wenn Aristokraten kleinste Regungen des Fußvolks registrieren

Der Aufsatz hat „in der Forschergemeinde viel Echo ausgelöste“, schrieb mir der Frühneuzeithistoriker Daniel Schläppi über diesen Text von 2007. Darin beschreibt er, dass Begriffe wie „Gemeinbesitz“ und „kollektive Ressourcen“ für die Geschichte früherer Epochen von erheblichem Erkenntniswert sind. Das überrascht nicht. Schläppis zentrale These aber lässt aufhorchen: Die bemerkenswerte Überlebensfähigkeit spezifisch schweizerischer Institutionen bis hin zum Staatsmodell (als Verbund der Eidgenossenschaften), das „Jahrhunderte, Kriege und Revolutionen überdauert“ hat, ließe sich mit dem „korporativen Untergrund der Institutionen sowie der durch die materielle Basis der Gemeinwesen implizierten Beziehungsmodi“ erklären. Etwas schlichter und allgemeiner formuliert: Politische Stabilität entsteht, wo existierende Beziehungsmodi nicht zerschlagen, sondern verstanden und in der staatlichen Organisation „aufgehoben“ werden, wo also, so der Titel von Schläppis Aufsatz, das Staatswesen als kollektives Gut gefasst wird. Für die frühneuzeitliche Verfasstheit der heutigen Schweiz jedenfalls gilt:

„Die institutionelle Konstanz auf Gemeindeebene ist einzigartig.“ (S.195)

… und Korporationsvermögen bilden dessen Kit und Untergrund. Das hat ihnen Autonomie gegeben, in den Worten des Historikers:

„Grundlage gemeindlicher Politik und Bindemittel lokaler Gesellschaften waren Gemeinbesitz und kollektive Ressourcen. “ (S.195)

Dem Volk auf’s Maul geschaut

Der Beitrag beginnt mit einer unterhaltsamen Nachzeichnung der Ereignisse um die Wiederwahl von Beat II Zurlauben in der Stadt Zug (Innerschweiz), Mitte des 17. Jahrhunderts. Zurlaubens Wiederwahl ging – wie die anderer Aristokraten – normalerweise zügig über die Bühne. Das

„störte die wahlberechtigeten Landleute und Bürger […] nicht. Sie drängten nicht selber an die Macht, und die im eidgenössischen Bewusstsein allerorten hochgehaltene ‚Freiheit‘ verstanden sie nicht als Freiheit von aristokratischen Potentaten […]. Vielmehr stand der Begriff für ihr Recht, an Gemeindeversammlungen und Landsgemeinden teilnehmen zu können und ihre seit Generationen angestammten […] Privilegien als vollberechtigte Mitglieder des politischen Gemeinwesens gewahrt zu wissen.“(S.171)

Aber 1650 war alles anders. Zurlauben, bzw. seinen Gönnern und Alliierten, war das Geld ausgegangen. Er befand sich in höchst bedrängter Lage und hat daher „minutiös alle Aktivitäten seiner Gegner protokolliert“ (S.172) und alle Regungen des Volkes – ein Schatz für den Historiker. Mich erinnerten die Schilderungen der Zuger Wahlen aus längst vergangenen Zeiten, an die heutigen Verhältnisse in Mexiko (2006 habe ich die dortigen Wahlen genau verfolgt). Der Grund ist einfach – damals wie heute:

„Auffälligerweise ging es in den geschilderten Umtrieben fast immer ums Essen und Trinken.“ (S.173)

Daniel Schläppi fragt nun, wie zu erklären ist, dass ein

„aristokratischer Magistrat, der es gewohnt war, mit dem französischen König zu korrespondieren, minutiös kleinste Regungen des Fußvolks […] protokollierte? Ist plausibel, dass das politische Schicksal eines bestens vernetzen Magistraten von derartigen Details abzuhängen schien?“ (S. 173).

Hatte ein mächtiger Politiker im Absolutismus soviel Defensive nötig? Oder „war Zurlauben paranoid?“ Wohl kaum, glaubt Schläppi:

„vielmehr versuchte er sich in seinen Protokollen über den Stand und den Wert seiner multiplen Beziehungen klar zu werden“ (S.173).

Salopp gesagt: Er versuchte, dem Volk auf’s den Mund zu schauen und sich Rechenschaft darüber abzulegen, wen er bei der Audienz hatte warten lassen, wer unzureichend bewirtet worden war und wer bei der Verköstigung benachteiligt. Tatsächlich veranschauliche

„dieses obskure, beinahe bedrohliche Wirrwarr an privaten Kontakten, halböffentlichen Zusammenkünften und konspirativen Aktionen […] dass die beziehungsorientierte Politik der überschaubaren Face-to-Face Gesellschaften einer frühneuzeitlichen Landsgemeindedemokratie eine ungeheure Dynamik entfaltete, in die breite Kreise der Bevölkerung involviert waren.“ (S.174)

Diese Beziehungsdynamik aber, und das ist der Punkt, folge einer inneren Logik, die in der Geschichtsschreibung gern übersehen werde; dabei hatte dieses Beziehungshandeln in der Herausbildung frühneuzeitlicher Staatlichkeit einen derart zentralen Platz, dass nur das tiefere Verständnis desselben manche Prozesse plausibel macht.

Die Umkehrung herrschaftlicher Hierarchien

Nach klassischer Deutung des Absolutismus

„verkamen die Volksrechte zur Farce“ (S.175).

Da standen die Aristokratenzirkel einerseits und die ihrer Partizipationsschancen beraubten Untertanen andererseits. Schläppis Interpretation der einmaligen Datenlage im Amt Zug deckt sich mit dieser Interpretation nicht. „Bauern verunglimpften öffentlich (also nicht in der Anonymität eines Fasnachtskostüms ungestraft einen höchst respektierten Honoratioren. […] Der Magistrat hockte hilflos in seiner Stube und musste zusehen, wie die einfachen Leute in ihrer ganz eigenen Weise Stimmung gegen ihn machten.“ (S.176)

Weder die Theorien der Klientelismusforschung noch jene über Macht und Herrschaft konnten die Ereignisse in Zug hinreichend erklären, in denen es im Kontext der Wahlen statt eines „Antagonismus zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen“ zwischenzeitlich „Augenhöhe“ (S.177) zwischen Aristokrat und Bauer gegeben habe. Schläppi erklärt das so:

„Der Bedarf nach Legitimation […] durch Wahlen lieferte die Aristokraten regelmäßig der Gunst des Elektorats aus, und diese institutionelle Inversion der herrschaftlichen Hierarchien im Vorfeld der einschlägigen Versammlungen gab den ansonsten eingespielten sozialen Beziehungen in den Landsgemeindedemokratien jene quasi-egalitäre Würze, ohne die die merkwürdige politische Kultur der alten Eidgenossenschaften […] nicht angemessen zu goutieren ist.“

Auch Peter Blickle u.a. hatten über das (anarchistisch geprägte) Kommunalismuskonzept das „herrschaftszentrierte Aristokratenparadigma“ (S.177) kritisiert und auf die Rolle der Freiheitsvorstellungen der Bauern sowie das vertragsähnliche Verhältnis zwischen Bauern und Obrigkeit hingewiesen, welches naturrechtliche Wurzeln habe. Schläppi schlägt nun vor, die Entstehung der Eidgenossenschaft, die sich wesentlich um den „Gemeinnutz“ drehte, durch

„komplexe, vielschichtige und urkundlich gesicherte Kooperationsverbindungen und wechselseitige Hilfsverpflichtungen gegen äußere Anfechtungen“ (S.178)

zu erklären, die in lokales Recht gegossen wurden und kirchliche sowie adlige Rechtsansprüche verdrängten. Dafür „mussten die Talschaften im Gruppenverband vereint agieren.“ (S.178) Hier drängt sich geradezu der Abgleich mit Governance-Theorien aus der Commonsforschung auf, insbesondere mit dem Ansatz der polycentric governance der Ostroms.

Das ist spannend, auch wenn offensichtlich ist, dass es nicht um mehr als kollektives Ressourcenmanagement geht. Aber auch nicht um weniger. Der Blick in die Vergangenheit spiegelt selbstredend keinen emanzipatorischen Commons-Begriff, sondern Verhältnisse, in denen zwar „die Eidgenossen ihren ‚Staat‘ als kollektives Gut, als Gemeingut“ verstanden, allerdings waren diese Eidgenossen

„ausschließlich die nutzungsberechtigten Vollmitglieder […] Konkret stand das Gemeinwesen stellvertretend für Rechtsprivilegien, für einen Pool korporativ zu nutzender Güter bzw. deren Erträge, für eine kollektive Ressource, die nach fairen Regeln bewirtschaftet und verteilt werden musste.“ (S.179)

Anders gesagt: Fairness nach innen, aber nicht nach außen. Die Habenichtse hatten von dieser Gemeingutvorstellung wenig, auch wenn mitunter Krümel abfielen wie während der turbulenten Wahlen in Zug.

Schmiermittel und Designprinzipien frühneuzeitlicher Institutionen

Man könnte zugespitzt formulieren: Geld war das entscheidende Schmiermittel, es gab der Staatsbildung in der Schweiz „einen materiellen Grundzug“ (S.180), bedeutete aber auch:

„Bekam jemand eines der höchsten Staatsämter, wurden die höchsten Beträge fällig.“ (S.181)

Die ritualisierte Praxis finanzieller Gegenleistungen untermauert Schläppis These, dass in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft Staat genossenschaftlich gedacht wurde und

„[…] die regierenden patrizischen Schichten, hatte im Common Sense die Allgemeinheit für den Nutzen, den sie daraus zogen, zu entschädigen.“(S.181)

Dieses Staatsverständnis erklärt auch, warum Konflikte über Aushandlungsverfahren beigelegt wurden. Wer nicht aushandelte, geriet politisch unter Druck. In den von Schläppi untersuchten Staatsformen schien also nicht Herrschaft das konstitutive Element, sondern Beziehung, Nehmen und Geben, Ausgleich und Aushandlung. Klassischen Interpretationen der Eidgenossenschaft als vormodern oder „institutionell rudimentär“ (S.181) ist demnach mit Vorsicht zu begegnen. Sie waren vielmehr hochkomplex und noch dazu standfest. Und dies zu erklären, zieht Schläppi Elinor Ostrom heran. Tatsächlich erinnert die Kurzbeschreibung der auf korporativer Basis entstandenen sehr heterogenen kommunalen Rechtskorpora an die Designprinzipien von Elinor Ostrom. Die Grenzen des jeweiligen Gültigkeitsbereichs sind klar, es gibt ein System gegenseitiger Verpflichtungen (also Beiträge, die mit dem anteiligen Nutzung in Beziehung stehen), es gibt lokale Konfliktschlichtungsmechanismen, durchsetzungsstarke Sanktionen sowie Verfahren und Institutionen zur gemeinsamen Entscheidungsfindung, die stets rückgebunden sind an die

„Entscheidungen der Eidgenossen im institutionellen Rahmen ihrer Kommunität“* (S. 183)

Dort, in der Gemeinde, blieb der zentrale Ort der politischen Willensbildung.

Der Historiker sagt im Grunde, dass gemeinschaftliche Ressourcennutzung – die die Artikulation eines gemeinsamen Willens aller Beteiligten voraussetzt – zentrale Legitimationsgrundlage für das politische System ist, wie es sich in der Schweiz herausbildete. Allerdings sei dies „europaweit die Ausnahme“ (Blickle).

Ressourcenkonflikte als politisches Tagesgeschäft

Wie konfliktreich dies im 17. Jahrhundert in der Innerschweiz verlief, macht folgende Passage deutlich: „Dass verarmte und von der Gemeinde unterstützte Genossen von den Gemeindeversammlungen ausgeschlossen wurden, immer wieder Tauner gegen Vollbauern wegen Allmenderechten prozessierten, der Berner Große Rat 1765 ohne viel Widerstand die Auflösung der Allmenden beschloss, diesen Entscheid in der Folge aber nicht nur nicht umsetzte, sondern gar jegliche Zwangsmaßnahmen gegen widerstrebende Gemeinden untersagte, dokumentiert die Brisanz […] des Gemeinbesitzes für die vormoderne Gesellschaft.“ (S.194)

Solche „Auseinandersetzungen um Besitz, Nutzung, Verteilung der Erträge kollektiver Ressourcen“ stünden, so Schläppi „am Anfang der meisten Revolten und ideologischen Debatten der Zeit“ (gemeint ist die frühe Neuzeit). Überhaupt entpuppe sich das politische Tagesgeschäft

„als stete Auseinandersetzung um ökonomische und rechtliche Ressourcen, als permanentes Teilen von Gemeinbesitz“ (S. 185)

Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass dieser Satz bis heute gilt. Weltweit. Das lese ich etwa mit Blick auf Lateinamerika ständig in meiner Mailbox oder in der ILA (hier nur ein Beispiel).

Tagsatzung1531 Public DomainGemeinschaftliches Ringen um die Fleischtöpfe

Im letzten Abschnitt schaut der Autor solche Bereiche konkreter an, in denen die Kategorie des Gemeinbesitzes zentral war. Die „Gemeinen Herrschaften“ etwa, der „vermutlich stärksten Klammer zwischen den eidgenössischen Orten“ (S.187) Dort galten so genannte Tagsatzungen, in denen …

„Die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und der Grad der Ressourcenabschöpfung […] Gegenstand steter Verhandlungen […] des von allen Aneignerorten beschickten Gesandtenkongresses“ war. (S.186)

Gemeine Herrschaften sind unter anderem im Gefolge von Territorialeroberungen entstanden und hatten u.a. die Funktion, die Forderungen im Sold- und Pensionsgeschäft durchzusetzen. Hier stand also nicht eine einvernehmliche Klärung gemeinsamer Ressourcennutzungsutzungsabsichten aller Betroffenen am Anfang, sondern es wurde erobert und anschließend Pfründe verteidigt. Es geht schon um Strategien und konkrete Mechanismen „gemeinsame Ressourcennutzung“ so wie sie auch in einem Golfklub stattfindet (der anderen Biodiversität, Fläche und Wasser abgräbt). Das sind gewissermaßen Commons nach innen, aber nicht nach außen. Das ist nicht verallgemeinerbar – und gerade darin liegt die Herausforderung. Dieser Punkt wird auch in der traditionellen Commons-Forschung nicht hinreichend bearbeitet: Gerade Nutzungskonflikte von Systemen gemeinsamer Ressourcennutzung untereinander, die Schnittstellen/ Verquickungen mit anderen kollektiven Nutzungssystemen einerseits und individueller oder profitorientierter Ressourcennutzung andererseits sind so herausfordernd.

Ich würde es mit Blick auf das Emanzipationspotential der Commons so formulieren: Nicht die gemeinsame Ressourcennutzung und -verwaltung ist der springende Punkt, sondern der tatsächliche Versuch, den Zweck dieser Ressourcennutzung tatsächlich der Bedürfnisbefriedigung aller unterzuordnen. Solange dieser Unterschied übersehen wird, werden wir – in ökonomischer Perspektive – nie in Gemeingut von einem Klubgut und in gesellschaftspolitischer Perspektive nie ein emanzipatorisches Commons als Entfaltungsraum für alle vom gemeinschaftlich organisierten Ringen um die Fleischtöpfe unterscheiden können.

„Wenigstens vordergründig faire Verteilung der Erträge aus dem Gemeingut unter die Nutzungsberechtigten gehörte zu den Kerngeschäften vormoderner Politik. Als Gemeingut sind unter diesem Gesichtspunkt neben materiellen Gütern auch rechtliche, politische und symbolische Privilegien zu verstehen. Die Kritik an den Aristokratien richtete sich denn auch nicht gegen die Herrschaft als solche, sondern zielte vielmehr auf die Arkanpolitik ….“ (S.188)  Die Betonung liegt auf „vordergründig“.

Die Ritualisierung der Umverteilung von Gemeinbesitz

Kurz gesagt, da politisch-demokratisch schwach legitimiert, erfolgte die Legitimation von Institutionen und Macht über „vertikalen Ressourcentransfer“ (S.188), den Korruption zu nennen allerdings am Kern der Sache vorbeiziele,

„…denn die Anteile am Gemeinbesitz wurden ja nicht im Geheimen verteilt. Im Gegenteil lösten gerade die geheimen Pensionen heftigste Reaktionen der hintergangenen Teilhaber aus. Vielmehr wurden öffentliche Mahlzeiten für großes Publikum sogar auf Kosten der Gemeinde- oder Korporationskassen veranstaltet. Sie müssen als symbolträchtige, einprägsame Gesten gelesen werden, welche die allseitigen Ansprüche am Gemeinbesitz öffentlich bekräftigten […].“Diese festzustellen bedeute nicht, „die hinter dieser Freigebigkeit steckenden Herrschaftsinteressen machtbewusster Menschen zu verschleiern.“ (S.189)

Trotzdem ist es nicht trivial, dass z.B. bereits

„Kinder […] selbstverständlich in die Mechanismen des Ressourcentransfers eingebunden“

und so gewissermaßen politisch sozialisiert werden. Ähnliches habe ich gerade in Kamerun anlässlich zeremonieller Totengedächtnisfeiern, Sylvesterfeiern oder Initiationen erlebt. Es sind im Grunde gigantische Umverteilungsrituale, auf die die Menschen sich verlassen können und ohne die die nach wie vor vitalen traditionellen Systeme unter Regentschaft der Fons nicht überlebensfähig wären, denn „in ihrem praxeologischen Kern“ stecke (damals wie heute) der „Grundsatz der Reziprozität“ (S.189), der sich aus einem „reziproken Altruismus“ speise (S.193). Danach müssen Investitionen ins Gemeingut nicht sofort, aber doch spürbar und mittelbar zum Investierenden zurückkommen. Das beschreibt Elinor Ostrom im zweiten Designprinzip von Commons-Institutionen, in dem von der Kongruenz zwischen „Aneignungs- und Bereitstellungsregeln“ die Rede ist.

All dies habe zur Voraussetzung, dass ständische Eliten direkt mit den unteren Schichten kommunizieren, was einem permanenten Aushandlungsprozess gleich komme. Sonst drohten die „kleinsten Regungen des Fußvolks“. Offenbar, so versucht Schläppi eine Erklärung

„sprach die republikanisch sozialisierte Bevölkerung auf Machtmittel, sozialhierarchischen Druck oder auf autoritäre Erpressung schlecht an. “ (S.190)

Nicht Korruption oder Bestechung (posteriore Kategorien ohnehin) seien hier am Werk, sondern

„[…]die Praktiken des Ressourcentransfers hatten einerseits das Sichtbarmachen des Gabentauschs und andererseits die Objektivierung der Beziehung zwischen Geber und Nehmer in der Gabe zum Zweck. “ (S. 190 Fn 26)

Diese Formen des Gabenaustausches waren im Alltag des 17. Jahrhunderts ritualisiert – von Mahlzeiten bei gemeinschaftlichen Aktivitäten, die aus der Korporationskasse bezahlt wurden bis zum Gemeindebier – sie „machten Verbindungen sichtbar“, eben jene, die Beat der II von Zurlauben in den Vorwahlturbulenzen akribisch notiert.

„Diese Rituale machten die politische Nutzergemeinschaft […] erlebbar, generierten eine spezifische Gruppenidentität und Vertrauen innerhalb der Sozialgruppe.“ (S.191)

Dass durch gemeinsames Biertrinken gegenseitige Vertrauensverhältnisse mitunter effektiver hergestellt und gepflegt werden als durch „Zwang und Pflichterfüllung“ (S.191), ist soweit hergeholt nicht. Es spart zudem Transaktionskosten (siehe FN 28).

Zum Schluss

Schläppi zeichnet in seinem Beitrag die Funktionsweise privilegierter Nutzergemeinschaften in abgeschlossenen Systemen nach, die – nach innen – den beschriebenenen Designprinzipien von Elinor Ostrom weitgehend entsprechen. Das ist für die Commons-Debatte in mehrfahrer Hinsicht aufschlußreich. Es ermöglicht uns aber auch, die Geschichte noch präziser danach zu befragen, wo Gemeinbesitz nicht nur nach innen fair geteilt und verhandelt wird, sondern auch nach außen.

* Auf S. 184 von Schläppis Aufsatz sind 5 der insgesamt 7 (bei komplexen Systemen 8) Prinzipien Ostroms etwas frei übersetzt zu den Regelungsbedürfnissen der Eidgenossenschaften in Beziehung gesetzt. Ich denke ja, dass alle 7 zutreffen.

Fotos:

Tagsatzung 1531 in Bern, Public Domain

Ein Gedanke zu „Die Segnungen des Gemeindebiers

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