Gestern hatte ich Gelegenheit auf Einladung der Provadis School of International Management & Technology im Industriepark Frankfurt Hoechst über „Commons als prinzipiell andere Art des Wirtschaftens“ zu reden. In der knappen Zeit habe ich mich auf die produktive Seite, u.a. Beispiele für Commons Basierte Peer Produktion, konzentriert. Es war ein vorsichtiges Herantasten, der Moderator konstatierte am Ende „grundsätzliche Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema.“
Setting und Publikum waren für mich belebend neu, das Veranstaltungsformat ganz pfiffig: Hauptvortrag, Thementische und Podiumsdiskussion, informeller Ausklang. In die Podiumsdiskussion wurde je eine These pro Thementisch eingebracht (s.u.) und dann vom Publikum sowie vom Podium per Mausklick bewertet. Das brachte den Meinungsaustausch rasch und pointiert in Gang.
Die Veranstalter werden die Diskussion aus Ihrer Sicht zusammenfassen (ich trage den link nach.)
Meine Präsentation sah so aus:
Wer meine Vorträge kennt, wird sich auch ohne Ton einigermaßen zurecht finden. Die „was wäre wenn… Projektion“ ist erwartungsgemäß auf Skepsis gestoßen. Ich habe übrigens einen neuen Helden der Wissenscommons: Wilhelm Conrad Röntgen. In der Präsentation kann man nachlesen warum 🙂
(Danke Torsten für den Tipp!)
Neben mir hat sich Stefan Rostock, Teamleiter Bildung für nachhaltige Entwicklung von Germanwatch e.V., für eine wachstumsbefriedete (Sachs) und fairere Welt stark gemacht. Rostock hat durch seine Tätigkeit bei Germanwatch und die jahrelange Erfahrung im internationalen Klimaverhandlungszirkus eine Dialogerfahrung mit der Wirtschaft, die ich nicht mitbringe. Das wiederum hat mir eher die Rolle zugeteilt, auch mal Stellung zu beziehen. Etwa im Konfliktfall zwischen verbessertem Zugang zu Medikamenten (Generika) einerseits und der Verteidigung der Geschäftsmodelle von Pharmakonzernen andererseits.
Für die Podiumsdiskussion hatte ich folgende Thesen formuliert:
- Was ich nicht reparieren kann, gehört mir nicht. (Slogan der DIY-Bewegung)
- Geistige Eigentumsrechte sind ein ökologisches Risiko. Oder genauer: eine ökologische Katastrophe.
- Commons Basierte Peer Produktion wird die klassische Industrieproduktion auskooperieren, da sie vorteilhafter organisiert ist und Organisationsvorteile haben die Macht, die Verhältnisse zu ändern.
Stefan Rost ging mit diesen Thesen an den Start:
- Das Konzept der Global Commons hat große Schwächen in der Operationalisierbarkeit. Der Zeitdruck der Klimadebatte macht die Entwicklung eines komplett neuen Ausgleichsmodells innerhalb der 192 Länder zu einer kaum zu bewältigenden Herausforderung. Der UN-Prozess im Klimabereich ist alternativlos. Kommentar: Eigentlich gibt es ja Steilvorlagen aus Commons-Sicht gerade im Klimabereich, etwas der Budget-Ansatz des WBGU, in dem das Prinzip „Eine Person – Ein Anteil“ durchbuchstabiert wird, und so nachvollziehbar ich die These finde, so erschütternd finde ich die bisherigen Ergebnisse des „alternativlosen“ UN-Prozesses.
- Commoning kann (überlebens-) notwendige Erfahrungen generieren und hilft soziale Netzwerke zu bauen und zu festigen.
- Um erfolgreich zu sein, muss der UN-Klimaprozess (inkl. begleitender Verhandlungen in den G20 etc..) ergänzt werden durch Vorreiter, d.h. gelingende Aktionen und gelebte Beispiele und Koalitionen zwischen willigen/betroffenen etc. Bevölkerungsteilen, Staaten oder Staatengruppen. Im Bereich der konkreten Aktionen können, ja müssen erfolgreiche Commoning-Beispiele, sowohl Emissionen reduzieren, wie auch innovative Politikansätze voranbringen.
- Commoning oder auch „commons-based peer production“ entzieht dem kapitalistischen System Akteure und Finanzvolumen. So wird u.a. Ownership und Kreativität freigesetzt. Commoning setzt auf „gutes Leben“ und Resilienz statt auf Wachstum.
- Zu diskutieren ist die Frage, wie die Politik „commoning“ politisch fördern kann, so dass genug Räume entstehen können und erhalten bleiben, die nicht vom Markt und von marktbasierten Wirtschaftstransaktionen okkupiert werden.
Die Thesen dienten eher der Vorbereitung des (sehr souveränen) Moderators und wurden nicht im Einzelnen diskutiert. Vielleicht finden sie punktuell Eingang in die Veranstaltungsdokumentation. Ich bin gespannt.
Aus den Thementischen ergaben sich weitere Kernsätze:
Thementisch Wissen: Kibbuzim sind ein Erfolsmodell der Zukunft. (Große Zustimmung, wir haben an diesem Tisch so kontrovers diskutiert, dass sich die Gruppe mit dieser etwas themenfernen These gut aus der Affäre gezogen hat. 🙂 )
Thementisch Energie: Common (ja, trotz Einführungsvortrag ohne -s) heißt, dass nicht alles geteilt werden muss und Geben und Nehmen muss im Gleichgewicht stehen. (So wie die These formuliert ist, erntete sie erwartungsgemäß große Zustimmung, denn so formuliert, tun Commons niemandem weh. Ich habe in der Bewertungsrunde die „rote Karte“ gezückt, denn ich finde, dass Wissen und Code in den Commons geteilt und zugleich als Commons geschützt werden muss.)
Thementisch Atmosphäre: Das Ziel des Wirtschaftens ist nicht Wachstum, sondern Bestands- und Krisensicherung sowie Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. (Diese These wurde sehr kontrovers bewertet, da sich einige der an der Diskussion Beteiligten real im Wachstumszwang befinden und ein Abschied von diesem Ziel für sie schwer vorstellbar ist. Aber ich nutzte wegen des letzten Teils die rote Karte, da ich die Reproduktion des Lebens für den Sinn des Wirtschaftens halte. Essen, Schutz finden, fürsorgen … leben eben.
Thementisch Produktion: Gemeingüter in der Produktion lassen sich am ehesten in Verfahrens- und Stategie-Know-How einbinden. Wissen ist eines der relevanten Commons für die Produktion. (Fast einhellige Zustimmung, dem letzten Satz habe auch ich zugestimmt. Der Erste aber verwies auf ein zentrales Problem in der Debatte: Die Frage des prinzipiellen Ausschlussmechanismus‘, der der gegenwärtigen Wirtschaftsweise innewohnt, wurde nicht berührt. Das hat viele Gründe, gelang aber durch ein relativ einfaches Argumentationsmuster: die Gruppe der Kooperierenden wird nur innerhalb des gewohnten Systems und Rahmen gedacht, einem Golfklub vergleichbar. Die Nutzungskonflikte und Interessenskonflikte jenseits dieses Rahmens werden ausgeblendet. So wird innerhalb des „Klubs“ teilen und gemeinsames Handeln denkbar.)
Es wird immer wichtiger, Commons nicht nur stärker von der Ressourcen- und Güterfixierung (die dem Begriff der Gemeingüter anhaftet) zu lösen, sondern auch klarer vom Begriff der Klubgüter und ähnlicher Assoziationen abzugrenzen. Die Antwort kann eigentlich nur in den Mustern des Commoning liegen.
Morgen bin ich dann wieder in commons-affinerer Umgebung. Freue mich auf einen Abend mit Commons-Pionieren bei Neuland e.V. in Köln. Hier gab’s vorab ein Interview in der Kölner Rundschau.
PS: Prof. Dr. Müller-Nehler: Vielen Dank für die Einladung und die großartige Vorbereitung.
Meine Meinung ist, dass der „Wachstumszwang“ auch psychologische Ursachen hat. Oder besser gesagt auf einer „inneren“ Thematik beruht, die es Wert ist sie genauer zu untersuchen. Wachstum ist ja grundsätzlich etwas Natürliches, lebendige Systeme haben die Tendenz sich auszubreiten. Dass in den Industriegesellschaften das Wachstum bereits in Regionen vorgestoßen ist, die schädlich sind, ist ein anderes Kapitel. Die Kernfrage ist aber meiner Meinung nach: „Welche „inneren Ursachen“ hat die einseitige Bevorzugung von Wachstum und individuellem Besitz?
ICH DENKE ZWANG ENTSTEHT AUS MANGEL UND MANGEL IST DANN- WENN ANGST DA IST – EIN LÖSUNGSMODELL BEGEISTERUNG FÜR ALL DAS WAS MICH BEWEGT: HIER EINE ANALYSE VON HÜTHER