EOS. So heißt sie. Gelernten Ossis klingt das vertraut. Nicht wenige von uns haben an der Erweiterten Oberschule – der EOS – ihr Abitur gemacht. Seit dem 01.11.2013 gibt also wieder eine EOS in Berlin. Als Oberstufenzentrum hatte sie sich längst einen Namen gemacht, etwa als Gewinnerin des Berliner Umweltpreises. Nunmehr trägt sie auch einen bemerkenswerten Namen. Elinor Ostrom Schule. EOS.

Etwas irritierend mutet zunächst an, dass die Elinor Ostrom Schule die künftigen Verwalter der Wirtschaft ausbildet – Betriebswirte, Controler und Bürokaufleute. Betriebliche Geschäftsprozesse bestimmen den Lehrplan vermutlich öfter als Commons-Theorie und -praxis. Doch wenn genau in diese Ausbildung mehr Vielfalt kommt, dann ist das nicht die schlechteste Nachricht. (Wann ziehen die Unis nach?)
Zum feierlichen Akt der Namensgebung war ich neben Prof. Dr. Otmar Edenhofer und Prof. Dr. Konrad Hagedorn. geladen. Für die Schule sprachen ein Vertreter der Schülerschaft (Christopher Schüler, der treffend die Debatte mit der Volksentscheid des Berliner Energietischs verband) und jener Lehrer, der den Namen einst ins Spiel brachte.
Edenhofer hielt eine politisch forsche Rede, in der er knapp die Relevanz von Ostroms Ansatz für die Klimaforschung nachzeichnete
„Man kann den Klimawandel nur verstehen, wenn man die Bedeutung der globalen Gemeingüter versteht.“
Er beschrieb Ostroms Ausgangspunkt für ihre Forschung im Gegensatz zur malthusianischen Perspektive von Garrett Hardin. Dieser zeichne das
„Bild von der Titanic, die unweigerlich den Eisberg rammt. Dann müssten wir entscheiden, wer in die Rettungsbote kommt.“
Und Hardin würde sagen: Die Reichen und Fähigen. Komplette Gerechtigkeit, sei schließlich die komplette Katastrophe. Wortwörtlich.
„Complete justice, complete catastrophe.“ (vgl: Garrett Hardin, Lifeboat Ethics: the Case Against Helping the Poor).
Ostrom denkt anders (man muss nicht gleich Ostrom sein, um anders zu denken). Doch entscheidend ist, dass sie ihr Denken auf das gründet, was sie in der Realität vorfindet. Im Grunde sagt sie: Was Hardin irrtümlich die „Tragik der Allmende“ nennt, kann auch ohne Diktatur vermieden werden, denn:
„Der Mensch ist nicht nur eine Krämerseele.“ (Edenhofer)
Stattdessen sei democracy by deliberation (flott übersetzt als deliberative Demokratie ;-), durch die „Vertrauen und Normen als Koordinationsmechanismus jenseits von Tausch und Befehl“ zum Zuge kämen, eine realistische Perspektive.
Auch Edenhofer bleibt hart an der Realität, etwa wenn er festhält, dass dominierende Denkmuster das Problem nicht mehr lösen können:
„Die Knappheit fossiler Rohstoffe kann Klimawandel nicht verhindern“
Denn Tatsache ist: auf den Rohstoffmärkten gilt das Recht des Stärkeren. Auch das Vertrauen auf Vermeidung von CO2 Emissionen, die „nur auf internationalen Abkommen“ beruhen, schwindet mit jeder COP und jedem Gipfel.
Denn die Rechnung ist ganz einfach:
Während per Ressourcenextraktion noch mehr als 12.000 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem Boden geholt werden können, verfügt die Atmosphäre nur über eine begrenzte Senke von ca 230 GtC.
Ergo:
„Klimapolitik bedeutet, dass wir die Besitzer von Kohle, Öl und Gas enteignen, weil die Mehrheit der Reserven im Boden bleiben muss.
Auch wenn das Bild ein klein wenig schief hängt, denn die Ressourcen sind ja immer noch da, wenn sie im Boden bleiben, der Punkt ist klar. Er entspricht der Yasuni-ITT Idee, die am 16. August diesen Jahres scheiterte.
Konrad Hagedorn war dann gebeten, auf Ostroms Leben und Werk einzugehen. Sehr systematisch hat er Arbeitsfelder und -stil, die Frage der Gemeingüterbewirtschaftung durch Selbstorganisation, die Analyse einer Handlungssituation und das entsprechende Instrumentarium, Ostroms Verständnis von Forschung als sozialen Prozess und als das Suchen nach einer gemeinsamen Sprache beschrieben. Daraus entstand unter anderem der so genannte Institutional Analysis and Development Framework, IAD – der eine Metasprache für Inhalte und Kategorien anbietet und heute weltweit angewandt wird.
Sehr systematisch wies Hagedorn auch auf die Rolle von Vincent Ostrom hin (Konzept der Polyzentrizität als nachhaltige Gesellschaftsform) hingewiesen. Die Ostroms lebten als Paar ein Leben für die Wissenschaft.
Ich hatte drei Geschichten mit nach Berlin gebracht, an die ich denken muss, wenn ich mich mit Elinor Ostrom auseinandersetze. Selbst-Erfahrendes gewissermaßen. Aus diesen Geschichten ergaben sich vier Gedanken, die ich der frischgebackenen EOS mit auf den weiteren Weg geben wollte:
- Eine Schule, die sich Elinor Ostrom Schule nennt, muss eine Schule der Wertschätzung und des Interesses am Anderen sein.
- Eine Schule, die sich Elinor Ostrom Schule nennt, muss eine Schule der Vielfalt sein.
- Eine Schule, die sich Elinor Ostrom Schule nennt, muss eine Schule sein, in der Vertrauen eingeübt werden kann.
Geschichten hatte auch Konrad Hagedorn erzählt. Und am Ende sagte eine Zuhörerin: „Manchmal bekam ich richtig Gänsehaut, wenn erzählt wurde, was sie für ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein muss.“
Tja, und in der Schulbibliothek stehen jetzt das und das und das. In der Hoffnung, dass sich die künftigen Betriebswirte, Controler und Bürokaufleute die Kraft der Wir erschließen.
Selbst wenn die Frage, wie die künftigen Verwalter der Wirtschaft ausgebildet werden, nicht das Zeug dazu hat, die Titelseiten der Zeitungen zu füllen: Politisch ist das nicht unwichtig. Es geht schließlich darum, die kulturelle Hegemonie (des Marktfundamentalismus) zu verschieben und das, was man gemeinhin Wirtschaft nennt, wieder mit dem Leben zu verbinden. (Siehe auch diesen Beitrag im Guardian.)
GLÜCKWUNSCH an die EOS!
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