Commons: Was sie besonders macht

Immer öfter taucht die Frage auf, warum so viele alternativ unterwegs sind? Aber nebeneinanderher! Also dachten wir, es sei sinnig, gemeinsam zu überlegen, was jeden Ansatz so besonders macht. Worin er sich von jeweils anderen Ansätzen unterscheidet bzw. wodurch er die jeweils anderen ergänzt. Im nächsten Jahr wird viel Text in die Tasten getippt, um der Frage nachzugehen, wie man eine GroKo der Alternativen denken und hinkriegen kann. Nennen wir sie vorerst AllWende. (In meinem Kopf ist das eine ganz breite Allianz von der fablab-Szene bis zu den urban gardeners.)

Im Folgenden veröffentliche ich den Input, den Brigitte Kratzwald und ich in das erste Vernetzungstreffen der GroKo der Alternativen eingebracht haben: Es fand letzte Woche in Nürnberg statt.  Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich um Notizen, die wir entlang eines vorgeschlagenen Rasters (Ziele, Prinzipien, Theorien, Akteur_innen, Stärken, Schwächen, Beispiele…) entwickelt haben; den habe ich garniert mit einem Chart, der inzwischen durch mehrere Englische und Deutsche Remixphasen ging, aus unserem dicken Buch stammt und hier zuerst veröffentlicht wurde: Er stellt die Gewinnmaximierungslogik der Commonslogik gegenüber.

Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben. Vielleicht nützt es Euch in der Vorbereitung auf eigene Commons-Vorträge oder in der Reflexion zum Thema. Los geht’s

Commons/ Commoning

Silke Helfrich/ Brigitte Kratzwald (Input für Nürnberger Netzwerk-Treffen am 11. und 12. Dezember)

Einleitung:

  • Commons statt Gemeingüter, weil es nicht um Dinge geht, getrennt von uns
  • Jenseits von Markt und Staat; Debatte darüber, ob „jenseits“ nun „ohne“ oder „über hinaus“/ „mit anderem Markt und Staat“ bedeutet
  • empirisch sehr fundiert
  • Commonsinstitutionen und Commoning als Praxis gibt es in allen Kulturen
  • kein in erster Linie wertebasierter Diskurs, denn Werte fallen nicht vom Himmel
  • Begriffe wie „definieren“ und „messen“ usw kommen bei uns eigentlich nicht vor, denn soziale Prozesses / „Energiefelder“ kann man nicht vermessen und das ist auch gut so.
  • Commons werden auch oft als andere Produktionsweise/ Wirtschaftsweise diskutiert: Stichworte: Ecommony ; Commons Based Peer Production ; Commons Creating Peer Ecology

Ziele:

  • Freiheit, Fairness und Nachhaltigkeit zusammendenken und einen Paradigmenwechsel unterstützen: weg vom Dualistischen Denken, Fokus auf Prozess und Kultur
  • das heißt nicht Einheitsbrei, sondern Vielfalt und Komplexität zulassen und aushalten
  • Aha-Erlebnisse erzeugen: es kann alles auch ganz anders sein –> von der Knappheit zur Fülle

Prinzipien:

  • einerseits Ostroms Designprinzipien – auf der institutionellen Ebene (empirisch sehr gesichert)
  • andererseits Prinzipien des „Commoning“, dh. Commons als PRAXIS vieler Welten (die enorm verschieden sind, aber vielleicht durch ähnliche Grundmuster vergleichbar werden)
  • Erforschung dieser Prinzipien / Grundmuster im Kontext der Commoning-Debatte bislang wenig systematisiert
  • (Bewertung einer jeweiligen) Praxis ist immer kontextabhängig

Beispiele:

alle, in denen gemeinsam Verantwortung für eine Ressource/ einen Raum/ einen Prozess übernommen wird, der von keiner Person alleine angeeignet werden kann

Vom Wohnprojekt bis zur Regionalentwicklung, vom Leihladen zum FabLab, von der Almweide zur Energiegenossenschaft

Theorien:

  • Ostrom-Schule (dh. Institutionenanalyse/ IAD)
  • Nachhaltigkeitsforschung
  • viel Politökonomie
  • soziale Theorien von Gemeinschaftsbildung / Gemeinschaftsprozessen
  • P2P Theorie
  • (Akteur-)Netzwerktheorie
  • Systemtheorie
  • Wirtschaftspsychologie
  • Kritische Psychologie
  • Kommunikationstheorie
  • Anthropologie
  • Neurowissenschaften
  • zudem viele Impulse aus unterschiedlichen Traditionen der Ideengeschichte: z.B. Subsistenz, Anarchismus, Marxismus, Liberalismus usw.

Probleme/Diskussionen:

  • Verhältnis von Offenheit und Grenzziehung
  • „issues of scale“
  • „Menschen sind nicht so“ (stimmt: Sie sind „so“ gemacht. Aber man kann es auch immer anders machen.)
  • Commons sind schwer im gegenwärtigen Paradigma zu diskutieren, so wie sie auch schwer gegen den Kapitalismus zu verteidigen sind, d.h. dass man sich immer mit Kooptierung / Kannibalisierung und enclosures auseinandersetzen muss
  • Verbindung mit Care-Ansätzen – Skepsis aus dem Bereich feministischer Forschung
  • Herausforderungen:
  • Politische Ökonomie der Commons
  • Verknüpfung mit Paradigmenwechseln in anderen Feldern (Biologie, Psychologie, Physik usw.

Akteure*innen:

  • wissenschaftlich: Umweltsystemwissenschaften, Nachhaltigkeitsforschung, Energiewende, Politikwissenschaft überhaupt: alle Sozialwissenschaften inkl. Wiwi, Geschichte und Anthropologie, viel Landwirtschaft, Stadtplanung, Kommunikationswissenschaften usw. usf; derzeit viele Qualifizierungsarbeiten
  • politisch/publizistisch: Parteien, Kirchen, Gemeinden / Regionen, NGOs aus Entwicklungspolitik, Energiepolitik, Klimapolitik, viele Medienberichte, allerdings wird da vieles in einen Topf geworfen (z.B. Shareconomy), Netzwerke und Plattformen: Ouishare, Commonopolis, Commons Abundance Network, Shareable, Sharing Cities Network, School of Commoning u.v.m.
  • praktisch: überall wo Menschen sich hierarchiefrei selbst organisieren um ihre Bedürfnisse zu befriedigen oder ihre Lebenswelt selbst zu gestalten! Stadtgärten, Umsonstläden, offene Werkstätten, P2PCarsharing, Leihläden, Energiegenossenschaften, CSA, öffentlicher Raum / Stadtentwicklung, Freie Software/ Freie Kultur u.v.m.

Stärken:

  • starke Thematisierung der Eigentumsfrage, mit kreativen und undogmatischen Lösungen dazu
  • Faustregel: Commons heißt:

a: verschiedene Formen kollektiven Eigentums mit gemeinsamer und individueller Nutzung oder

b: bei nicht kodifizirten Regeln/Normen: keine formelle Eigentumsregelung, dennoch Regeln und Normen (das „ungeschriebene Gesetz“)

  • zunehmende Betonung auf Prozess und soziale Praxis statt Form und Institution
  • konsequentes Zusammendenken von Umgang mit rivalen und nicht-rivalen Ressourcen
  • Koexistenz in Vielfalt
  • Interkulturalität (es gibt keine Kultur, in denen Commons nicht eine lange Tradition haben)
  • Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen, ihre Probleme selbst zu lösen jenseits von Dualismen, natürlich auch jenseits von links und rechts
  • hebt die Schätze aus unterschiedlichen Traditionen der politischen Ideengeschichte und ist so an viele politische Milieus andockbar

Eine besondere Stärke des Commons-Diskurses ist es, die Bedingtheit der sozialen Beziehungen aufzeigen und diese Beziehungen in ihre Einzelteile auflösen und so erst ein Wissen darüber herstellen, wie gemacht unsere sozialen Beziehungen sind und wie sie anders sein könnten (Daniel).

Schwächen:

  • wenn, dann die, dass es nicht die eine Lösung gibt, dass Komplexität und Vielfalt gedacht werden muss und die Menschen immer die für jeden spezifischen Fall beste Lösung selbst finden müssen.
  • Aber das Stärken-Schwächen-Denken selbst ist problematisch, gehört zum alten Paradigma, zum bipolaren Denken, das wir eigentlich überwinden wollen. Ob etwas eine Stärke oder Schwäche ist, hängt vom Kontext ab.

Fazit:

Commons sind nicht (nur) ein alternatives Wirtschaftsmodell, sondern eine grundsätzlich andere Art, Vergesellschaftung zu denken. Lösungen finden, die für alle besser sind Das funktioniert nur jenseits der Marktlogik, und deshalb hier der Chart:

logic-of-the-market-and-the-commons-chart_DEUTSCH

Es geht darum, sichtbar machen, was da ist. Commons sind nicht neu! Im Gegenteil, sie sind so alt wie die Menschheit und so modern wie das Internet. Und es muss nicht überall Commons draufstehen! (aber schlecht wär‘ das auch nicht 😉 S.H.)

Commons ändern Machtverhältnisse, sie wirken ermächtigend, das Leben selbst in die Hand nehmen, auch das ist ein Grund für die anhaltenden Einhegungen.

3 Gedanken zu „Commons: Was sie besonders macht

  1. Hallo,
    sehr gut, weil umfassend und doch auf den Punkte gebracht.

    Warum handelt ihr die „Werte“-Frage so locker ab? Zitat in der Einleitung „kein in erster Linie wertebasierter Diskurs, denn Werte fallen nicht vom Himmel“. Bei Zielen stehen dann aber vorallem Werte wie Freiheit, Fairness und Pluralität. Wie definiert ihr Werte? Ich finde Werte (von Commons-AkteurInnen) zentral um Commons zu verstehen. Die Gewinnlogik verkürzt Werte von ökonomisch & moralischen auf ökonomische Werten. An der Commonslogik finde ich immer gut, dass Ökonomie und Gemeinschaftliche Werte miteinander verbunden sind.

    • Hallo Nikolai,

      ‚Die Gewinnlogik verkürzt Werte von ökonomisch & moralischen auf ökonomische Werten.‘

      Da hast Du wohl Recht, ich habe das nie bewußt wahrgenommen, weil ich (für mich) impliziere, dass die sozialen Werte sich automatisch verbessern, wenn nach Commons-Logik gehandelt wird. Das weiß ein Außenstehender natürlich nicht. Könnten wir wirklich ab und an deutlicher machen. Danke für den Hinweis 🙂

      Ansonsten gefällt mir die Auflistung auch sehr gut, weil im Prinzip ‚alles drin‘ ist.

  2. Hi Nikolai,
    na ja, wir handeln alles „locker“ ab, das ist ja kein Essay. Aber ich habe jetzt einen Link gesetzt, um dieses „Werte fallen nicht vom Himmel“ besser zu verstehen. Danke für den Hinweis!.

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