taz.lab 2014: Bruttosozialglück für alle

Da ich sowieso gerade an Berlin vorbei fliege, entschließe ich mich zu einem Zwischenstopp im Haus der Kulturen. Es wird eine Podiumsdiskussion geben, die mich interessiert. Der Titel lautet: Bruttosozialglück für alle – Stehen wir an der Wende zu einer neuen Wirtschaftsordnung?

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Haus der Kulturen

Ich bin gespannt. Vorher bummle ich noch ein bisschen durch andere Diskussionen und Interviews, verspeise ein Brötchen mit Fenchelsalami und schaue mir das benachbarte Bundeskanzleramt von außen an. Irgendwie ein eigenartiger Bau, der einem Schlachtschiff nachempfunden zu sein scheint. Jedenfalls pflügt die Bundeskanzlerin mit einem ziemlich spitzen Bug durch den Rasen. Vielleicht ist es ein Eisbrecher, aber auf jedenfall versprüht es einen gewissen Drang nach vorn. Wohin auch immer … .

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Kanzlerinnenbug

Spaß macht mir die kleine Podiumsdiskussion Fröhliche Grenzgänger, in der Frank Böttcher sehr spannend vom fast heimlichen Russland-Tourismus junger DDR-Büger erzählt. Das selbsternannte Schandmaul Andreas Altmann kotzt sich dort über seine Abneigung gegen das Spülen und Kochen und die Qual des Rauchverzichts (als Unterdrückung noch der letzten Freude) aus. Er lobt den Hamburger, hält Gesundessen für eine Spinnerei und kriegt dafür von der Köchin Sarah Wiener etwas auf die Ohren.

Der Europaabgeordnete Michael Cramer mit seinen Schilderungen über einen Radwanderweg entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs irritiert mich. In Point Alpha, so Cramer, könnten selbst Jugendliche verstehen lernen, dass man um die Grenze zwischen Ost und West nicht einfach herum gehen konnte. Gelebte Geschichte! Geschichte? Man könnte auch einen Radweg rund um Europa anlegen. Mit einer Aussichtsplattform auf Lampedusa. Da wäre die Geschichte noch leichter zu begreifen. Als gelebte Gegenwart.

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Radtour um Lampedusa

Harald Welzer und Peter Unfried sind hingegen ein Ohrenschmaus. Und die Aktentasche von Herrn Welzer würde sogar meine Tochter klauen. Allerdings erinnere ich nicht, worüber genau eigentlich diskutiert wurde. Es ging um Öffentliche Paartherapie, wenn ich mich recht entsinne. Ich fürchte, das muss ich nochmal recherchieren, aber es war jedenfalls sehr amüsant. Ach ja! Es ging um die Europawahl. Ob es im Raum noch einen bekennenden Grünenwähler gäbe, fragte Welzer. Eine Dame hinter mir meldet sich. Der Saal lacht. Welzer erläutert, warum er trotzdem wählen wird.

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Welzers Aktentasche

Und dann geht es endlich los. Die Bühne im Theatersaal füllt sich mit einer illusteren Mischung aus MinisterInnen und KommisarInnen für solche Dinge wie Glück und Gemeinwohl. Ute Scheub und Annette Jensen moderieren das sehr fröhlich. Eine Sau springt vom Steg in den See – Selbstbestimmung macht glücklich. Ich verstehe Köhlers Schwein von Michael Sowa zwar nicht ganz, aber es ist sehr süss. Der Saal lacht. Auch Gina Schöler und Saskia Rudoph sprühen vor Vergnügen und werben für eine Politik der kleinen Schritte auf dem Weg zu einer Glück-orientierten Weltordnung. Nach Thomas Dönnebrink und Thorsten Wiesmann verliere ich etwas den Überblick, was aber nicht an den beiden liegt, sondern am meinem Alter. Ich glaube, sie sind Minister für eine Ökonomie des Teilens, aber mir fällt das zugehörige Ministerium nicht mehr ein. Christian Felber will das Geld umdefinieren. Ich frage mich, ob das nicht dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik widerspricht, aber es klingt immerhin sehr optimistisch.

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Minister und Kommisarinnen

Adrienne Göhler skeptiziert mich mit einer Schäuble-Folie. Ich finde es schräg, ein Grundeinkommen mit dem Finanzminister zu begründen und dessen Feststellung, dass uns das Geld aus den Ohren quillt. Haben wir nicht gerade dieses Geld in der ganzen Welt zusammen geklaut? Würde es wirklich für ein weltweites Grundeinkommen ausreichen? Dieser Schuh ist sehr groß, aber die Idee einer europäischen Exklusivität gefällt mir gar nicht. Aber das soll kein Argument gegen Göhlers Ideen sein, die ich befürworte. Im Grunde gefällt mir einfach diese Schäuble-Folie nicht.

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Grundeinkommen – bloss wie?

Jaana Prüss erzählt vom Selbermachen, was ich sympathisch und auch überzeugend finde. Ich grüble noch, wo ich sie eigentlich kennengelernt habe. In Starnberg?

Zum Schluss landet Silke auf der Bühne und stellt sich einem kurzen Interview. Warum Commons und nicht Gemeingüter oder Allmende?, fragt Ute Scheub. Um den Blick weg von den Gütern und hin zu dem Gemeinsamen Handeln zu lenken. Ein unvorbelastetes Wort eben. Commons? Was bitte? Immerhin kann man es dann erklären. Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Commons: Frühstück statt Parkplatz!

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Gemeinsames Tun fördern!

Dann eine insgesamt spannende Diskussion, die mit ihren positiven Perspektiven überzeugt. Das lenkt ein bisschen von den düsteren Entwicklungen in der Ukraine, im Klima und in der NSA ab. Mir jedenfalls macht das Zuhören Spaß und es gibt ziemlichen Applaus. Zu Recht, wie ich finde. Und nach der herzlichen Verabschiedung auf dem Dach eine spannende Heimfahrt zu Ingrid und Stefan durch das mir (dem Schwaben) völlig fremde Berlin. Hübsch hier. Obwohl, man könnte mal fegen … 🙂

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Bin dann mal weg …

 

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