Music is a Commons: Musik und Politik beim TFF 2020?

IMG_2760Mit dem Tanz- und Folkfestival in Rudolstadt 2014 habe ich mir einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Endlich mal ’ne Dauerkarte. Endlich mehr als nur einen Tag ‚TFF‘ erleben.

Was dieses Festival für die globale Musikkultur auf die Beine stellt, macht mich immer wieder sprachlos.

Nicht die großartige Atmosphäre, nicht der Ausnahmezustand in einer sonst (warum eigentlich?) verschlafenen Thüringer Kleinstadt, nicht das großartige Publikum, nicht die klingende Vielfalt oder die schier endlose Zahl an Instrumenten IMG_2624(siehe Bild, na – was ist das?) beeindrucken mich am meisten. Es ist die Leistung, die die TFF-Macher_innen für die Geschichte der Weltmusik vollbringen: die einzigartigen Ko-Kreationsmöglichkeiten, die sie für Musikerinnen, Tänzer und Künstler_innen schaffen, die sich sonst nie begegnen würden.

In Rudolstadt kann man jedes Jahr Welturaufführungen sehen. Vom Feinsten.

Jedes Jahr gibt es ein „Magic-Instrument“. Dieses Mal war’s „der Magic Bass“, also viele Bassinstrumente. Und was für welche! Ein wahrer Höllenschlund der tiefen Töne mitten in der wunderschönen Kirche.

Jedes Jahr gibt es auch ein Schwerpunktland. Dieses Jahr war es Tansania.

IMG_2526Die Wagogo Frauen der Ufunuo Muheme Group aus Zentraltansania haben mich umgehauen. Mit ihrem pentatonischen Chorgesang (Muheme), mit den Trommeln zwischen den Knien, der Zunge zwischen den Backen, die hin und her flitzt wie eine Schlange und dabei einen schrillen Ton über den ganzen Marktplatz schickt … man nennt das Ululation … konnten die TFF-Besucher_innen Aufführungen erleben, wie es sie sonst nur in den Dörfern Zentraltansanias gibt.

Die Frauen seien zum ersten Mal in der Hauptstadt des Landes gewesen, als sie ihren Pass beantragen mussten und zum zweiten Mal, als sie ihr Visa abholten. Dem folgten Auftritte mitten in Deutschland vor einem riesigen, jubelnden Publikum: Wie sie wohl zurück fahren?

Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie diese rhythmischen Gesänge vor Ort zelebriert werden. Früher. Anlässlich von Beschneidungsritualen, die heute verboten sind. Wir hatten Ähnliches erlebt während traditioneller Beerdigungszeremonien im Grasland von Kamerun.

IMG_2804Und was mir noch gefiel: Die Abschlussveranstaltung. Da steht ein künstlerischer Leiter, Michael Kleff, bei seinem Abschied nach 24 Jahren TFF auf der Bühne: Der Marktplatz von Rudolstadt ist rippelrappelvoll. Er bekommt seine Abschiedsgeschenke. Fußballkarten und ein Stück Rasen aus seinem Lieblingsstadion.

Er steht also auf der Bühne – moderiert die Szenerie – streut (gut platzierte) Kommentare zur politischen Lage ein und sagt:

„Ich will ja auch in Zukunft noch ein bisschen Einfluss auf das Programm nehmen. Zum Beispiel denke ich an sowas wie Musik und Politik.“

Daran habe ich auch die ganze Zeit gedacht: Etwa an ein TFF Symposium zu „Music as a Commons“, an David Rovics auf der Bühne am Marktplatz oder Christoph & Lollo aus Österreich, mit diesem ohrwurmverdächtigen Song.

Es gibt eine endlos lange Reihe von Commons-Folk-Songs, die eines TFF-Songposiums würdig wären. (Davon sollte es ohnehin mindestens zwei geben. Mehr als eine Gänsehaut hat die Wanderung durch die Liedgeschichte von Zehn Brider sajnen mir gewesn erzeugt.

Auf eine über hundertjährige Geschichte kann Joni Mitchells Big Yellow Taxi zwar nicht zurückblicken. Aber 2020 wird der Polit-Folk-Hit ein halbes Jahrhundert alt. Und dann … dann könnte man so etwas machen wieMusik und Politik‘ auf dem TFF2020. Und zum Auftakt in Songposium (oder so), just because Music is a commons.

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